„Stoppen wir die Mafia“: Opposition kämpft gegen Justizreform Kritik an Spezialstaatsanwaltschaft
Premier Robert Fico will höhere Geld- statt Haftstrafen für Wirtschaftsdelikte und die Spezialstaatsanwaltschaft für organisierte Kriminalität abschaffen. Seine Gegner laufen dagegen Sturm.
Die slowakischen Oppositionsparteien organisierten seit Dezember Massendemonstrationen in Bratislava und zahlreichen anderen Städten im ganzen Land, zögerten die Parlamentsdebatte mit Dauerreden hinaus und erwirkten kritische Stellungnahmen von EU-Kommission und EU-Parlament. Die Dreiparteienkoalition unter Führung des linksnationalen Ministerpräsidenten, Robert Fico, versuchte am Donnerstag trotzdem, die umstrittene Justizreform mit ihrer Regierungsmehrheit durch das Parlament zu drücken – wenn auch mit kleineren Anpassungen, mit denen man Bedenken aus der EU ausräumen wollte.
Proteste vor dem Parlament
„Fico ist nur ein primitiver Verbrecher“und „Schande der Fico-Mafia-Regierung!“war auf Transparenten zu lesen. In Sprechchören riefen die Kundgebungsteilnehmer vor dem Parlament auf dem Burghügel Bratislavas: „Stoppen wir die Mafia“und „Wir wollen Fico nicht!“Die bisher letzte Demonstration gegen die Fico-Regierung und ihre geplante Justizreform sollte zeitgleich mit der im Parlamentsgebäude anberaumten Abstimmung über das umstrittene Gesetzespaket stattfinden.
Zuvor war die Sitzung im Parlament bereits auf Donnerstag verschoben worden. Dann zogen die Oppositionspolitiker mit einer Serie von aussichtslosen Abänderungsanträgen ihre vorerst letzte Karte aus dem Ärmel, um eine Abstimmung nochmals hinauszuzögern.
Niedrigere Haftstrafen
Der Opposition war es Anfang Dezember bereits gelungen, einen Beschluss zwei Monate lang hinauszuzögern, den die Regierung noch vor Weihnachten im Schnellverfahren über die Bühne bringen wollte. Auch während des Abstimmungsprozederes am Donnerstag versammelten sich kleine Demonstrantengruppen vor dem Nationalratsgebäude der Slowakei.
Die Justizreform sieht vor, dass die Gerichte insbesondere für Fälle von Wirtschaftskriminalität weniger Gefängnisstrafen und dafür mehr Geld- und Alternativstrafen wie Fußfesseln verhängen sollen. Bei Wirtschaftsdelikten soll das Strafausmaß bei der Haft gesenkt und dafür der Rahmen für Geldstrafen auf bis zu drei Millionen Euro (abhängig von den Vermögensverhältnissen des Täters) verzehnfacht werden.
Während die Regierungsparteien beteuern, sie wollten die in der Slowakei zum Teil außerordentlich hohen Gefängnisstrafen an EU-Standards anpassen, bezeichnen die Oppositionsparteien die Pläne als „Pro-MafiaPaket“: Das eigentliche Ziel sei Straffreiheit für korrupte Fico-Günstlinge, lautet der Vorwurf.
Zu den umstrittensten Reforminhalten der Regierung gehört die Abschaffung einer für organisierte Kriminalität und politische Verbrechen zuständigen Spezialstaatsanwaltschaft, weil diese „politisch missbraucht“worden sei.
Eine Anti-Fico-Koalition unter Führung des konservativ-populistischen Ministerpräsidenten Igor Matovič, die 2020 die Wahlen gegen den Langzeit-Regierungschef gewonnen hatte, unterstellte diese Anklagebehörde mithilfe umstrittener Gesetzesänderungen dem aus ihren Reihen stammenden Ex-Politiker Daniel Lipšic. Die Fico-Partei Smer hatte daraufhin beklagt, die Spezialstaatsanwaltschaft werde für einen Kampf gegen politische Gegner missbraucht.
Vorwurf der Vertuschung
Nachdem Fico nach der Parlamentswahl im Herbst 2023 wieder an die Macht gekommen war, kündigte er nicht nur die Absetzung von Lipšic an, sondern die Abschaffung der ganzen schon seit 2004 bestehenden Spezialstaatsanwaltschaft. Diese sei von Lipšic und gleichgesinnten Staatsanwälten irreparabel „politisiert“worden, argumentiert die Partei des Premiers.
Die Opposition und mit ihr verbündete Medien sehen hingegen in der gesamten Justizreform nur einen Vorwand, um Korruptionsfälle aus früheren Regierungszeiten der Fico-Partei (bis 2020) vertuschen zu können. Tatsächlich hat die Spezialstaatsanwaltschaft eine ganze Reihe von ehemaligen Justiz- und Polizeifunktionären verhaften lassen und angeklagt. Mehrere von ihnen sind inzwischen rechtskräftig verurteilt.