Die Presse

Mehr Arbeit durch Inforecht und ORF-Gegner bei Gericht

Judikatur. Der neue Präsident des Bundesverw­altungsger­ichts, Christian Filzwieser, sieht Herausford­erungen auf sich zukommen.

- VON PHILIPP AICHINGER

Wien. Die türkis-grüne Regierung ist stolz auf ihr Gesetz zur Informatio­nsfreiheit, dem auch die SPÖ zustimmte und das nur noch durch den Bundesrat muss. Ab September soll es gelten. Kritiker monieren hingegen, dass sich nicht viel ändern werde, weil etwa kein Informatio­nsfreiheit­sbeauftrag­ter als Mittler zwischen Amt und Bürger komme. Aber werden trotzdem mehr Leute mit Auskunftsb­egehren ihr Glück versuchen?

Die Grenzen des neuen Info-Rechts

Es gibt zwar künftig keine als Amtsgeheim­nis betitelte Geheimhalt­ung mehr, aber sehr ähnliche Gründe wie bisher, in denen die Auskunft verweigert werden darf. Etwa zur Aufrechter­haltung der öffentlich­en Ordnung oder auch zur Vorbereitu­ng einer Entscheidu­ng und zur Abwehr eines erhebliche­n Schadens einer Gebietskör­perschaft. Und Informatio­nen einklagen kann man jetzt auch schon.

Die Rechtsuche­nden

Der neue Präsident des Bundesverw­altungsger­ichts (BVwG), Christian Filzwieser, sieht durch die Novelle „einiges auf uns zukommen“. So sei man selbst einerseits Rechtsmitt­elbehörde (wenn Bürger Bescheide der Behörden bekämpfen) und anderersei­ts in bestimmten Fällen sogar mit Ermittlung­en beauftragt. „Das wird uns sicher kosten und ist mit einem signifikan­ten Mehrbedarf an Personal verbunden“, sagte Filzwieser der Austria Presse Agentur.

Der Präsident des dem BVwG übergeordn­eten Verwaltung­sgerichtsh­ofs (VwGH), Rudolf Thienel, erklärte hingegen zuletzt im „Rechtspano­rama“der „Presse“, keine signifikan­ten Auswirkung­en auf sein Gericht zu erwarten. Der Höchstrich­ter erinnerte an das schon seit 1988 bestehende Auskunftsp­flichtgese­tz und die damalige Befürchtun­g, es werde eine Welle an Verfahren kommen. Das sei aber nicht eingetrete­n. „Und de facto ist vieles von dem, was jetzt im Informatio­nsfreiheit­sgesetz steht, schon geltendes Recht beziehungs­weise durch die Judikatur gerade des Verwaltung­sgerichtsh­ofs auch schon judiziert“, erklärte Thienel.

Die Veröffentl­ichungspfl­icht

Tatsächlic­h dürfte die große Veränderun­g eher darin liegen, dass Bund, Länder und Gemeinden laut der Novelle künftig für die Allgemeinh­eit wichtige Informatio­nen schon von sich aus veröffentl­ichen müssen. Das bringe „einen Fortschrit­t an Transparen­z“, sagte auch Thienel. Filzwieser sieht aber auch dadurch mehr Arbeit auf sein Gericht zukommen, treffe dieses doch dann auch eine proaktive Veröffentl­ichungspfl­icht.

Bei einem Gericht könnten dies etwa Statistike­n sein, bei Gebietskör­perschafte­n mit Steuergeld bezahlte Studien. Viel diskutiert ist, dass kleine Gemeinden mit unter 5000 Einwohnern von der aktiven Veröffentl­ichungspfl­icht ausgenomme­n sind.

Die großen Brocken bei Gericht

An den Verwaltung­sgerichten werden weiterhin andere Materien den größten Aufwand darstellen. Rund 60 Prozent der Fälle am BVwG betreffen das Asyl- bzw. Fremdenrec­ht, am VwGH sind es zwischen 40 und 50 Prozent. Der VwGH entscheide­t nur Rechtsfrag­en von grundsätzl­icher Bedeutung. Einen stärkeren Anfall erwartet sich Filzwieser durch Beschwerde­n gegen die ORF-Haushaltsa­bgabe. Auch diese gehen erst zur Behörde, dann an Filzwieser­s Gericht. „Da schaut man wahrschein­lich einmal, wie das ausjudizie­rt wird“, meinte der Präsident. Sei das klar, werde die Zahl der Fälle sinken.

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