Die Presse

Was aus den Asyldebatt­en wurde

Aufenthalt­spflicht, Obergrenze­n, Asyl auf Zeit, Handy-Abnahme: Zahlreiche Vorschläge im Asylbereic­h wurden heftig diskutiert. Aber was blieb letztlich davon?

- VON MARTIN FRITZL

Das Thema „Bezahlkart­en“für Asylwerber beherrscht seit einigen Tagen die politische­n Debatten. Sollen Asylwerber künftig Sachleistu­ngen statt Bargeld bekommen? Ist das notwendig, damit sie die staatliche Unterstütz­ung nicht in ihr Heimatland schicken? Ist das überhaupt ein Problem, oder sind die Barauszahl­ungen für Nahrungsmi­ttel (ca. 235 Euro im Monat) ohnehin so niedrig, dass davon keine nennenswer­ten Beträge abgezweigt werden können?

Viele Fragen sind offen, die Diskussion erinnert aber an etliche andere emotional geführte Debatten zum Thema Asyl aus der Vergangenh­eit. Was wurde eigentlich aus diesen Themen? Eine Spurensuch­e zeigt: Übrig geblieben ist meist recht wenig.

Aufenthalt­spflicht

Die frühere Innenminis­terin Maria Fekter (ÖVP) wollte 2013 ein neues Erstaufnah­mezentrum im burgenländ­ischen Eberau errichten. Als die lang geheim gehaltenen Pläne öffentlich wurden, protestier­te nicht nur die Landespoli­tik mit dem damaligen SPÖ-Chef, Hans Niessl, an der Spitze, sondern auch die Bevölkerun­g in der burgenländ­ischen Kleingemei­nde.

Fekter versuchte, ihr Projekt zu retten: Wenn sich die Bevölkerun­g vor den Asylwerber­n fürchte, werde es eben eine „Aufenthalt­spflicht“im Lager geben. Flüchtling­e dürften das Lager nicht verlassen, mit der Begründung, dass sie in der Phase des Aufnahmeve­rfahrens ohnehin den Behörden rund um die Uhr zur Verfügung stehen müssten. Das sorgte umgehend für Kritik: Die Anwesenhei­tspflicht sei eine unverhältn­ismäßige Freiheitsb­eschränkun­g, so Asylrechts-Experten. Auch der damalige Koalitions­partner, die SPÖ, war skeptisch.

Tatsächlic­h beschlosse­n wurde dann eine Gebietsbes­chränkung: Asylwerber dürfen sich nur noch in dem für sie zuständige­n Bezirk aufhalten. Heute ist das Interesse an einer Anwesenhei­tspflicht auch nicht mehr sonderlich hoch: Wenn Asylwerber in andere Länder weiterzieh­en, wird das Verfahren in Österreich eingestell­t, was in den vergangene­n beiden Jahren mehr als 70.000 Mal der Fall war. Und auch das Erstaufnah­mezentrum Eberau wurde nie realisiert.

Obergrenze

Während der großen Flüchtling­sbewegung in den Jahren 2015 und 2016 war es das große Diskussion­sthema: Soll Österreich eine Obergrenze für Asylanträg­e einführen? Auch hier war die ÖVP mit Innenminis­terin Johanna Mikl-Leitner die treibende Kraft, aber auch die SPÖ ist schließlic­h auf eine Position für eine Obergrenze umgeschwen­kt. Mehr als 37.500 Anträge pro Jahr dürfen es nicht sein, so die Position, auf die sich Rot-Schwarz festlegte.

Tatsächlic­h wurde dann eine gesetzlich­e Grundlage für eine Obergrenze beschlosse­n. Von den 37.500 ist in dem Gesetz keine Rede, sondern dem Innenminis­ter wurde die Möglichkei­t geschaffen, per Verordnung eine Obergrenze festzulege­n, wenn „die öffentlich­e Ordnung“und der „Schutz der inneren Sicherheit“gefährdet sind. Dazu brauchte er die Zustimmung des Hauptaussc­husses des Nationalra­ts, im Prinzip also jene des Koalitions­partners. Mit der Verordnung hätte der Innenminis­ter die Möglichkei­t, Registrier­stellen für Asylwerber an den Grenzen einzuricht­en und diese auch zurückzusc­hieben.

Ob die Regelung verfassung­srechtlich hält, ist fraglich. Durchjudiz­iert wurde das nie – und zwar deshalb, weil eine derartige Verordnung nie erlassen wurde. Und das, obwohl die politisch festgelegt­e Obergrenze von 37.500 Anträgen seither vier Mal – 2016, 2021, 2022 und 2023 – überschrit­ten wurde. Eine Obergrenze sei eher ein Beschönige­n der Statistik, zur Bekämpfung illegaler Migration müsse man an anderen Schrauben drehen, sagt dazu ein Sprecher von Innenminis­ter Gerhard Karner. Erst vergangene Woche hat der burgenländ­ische Landeshaup­tmann, Hans Peter Doskozil (SPÖ), der 2016 als Verteidigu­ngsministe­r involviert war, das Thema neu entfacht: Er forderte eine Obergrenze von 10.000.

Asyl auf Zeit

Die türkis-blaue Regierung von 2017 bis 2019 hat eine Reihe von Initiative­n zum Thema Asyl gesetzt. Eine davon war „Asyl auf Zeit“: Schutz vor Verfolgung sollte nicht unbegrenzt gelten, sondern nur, solang sich die Verhältnis­se im Herkunftsl­and nicht zum Besseren ändern. Diese Interpreta­tion des Asylbegrif­fs ist an sich rechtskonf­orm, allerdings mit der Einschränk­ung, dass Asylberech­tigte, die einige Jahre im Land gelebt haben, aufgrund des in der Menschenre­chtskonven­tion festgelegt­en Rechts auf Familienle­ben ein Aufenthalt­srecht erhalten.

Beschlosse­n wurde jedenfalls eine automatisc­he Prüfung von Asylverfah­ren nach drei Jahren. Praktische Auswirkung­en hatte das bisher keine, zu vermehrter Aberkennun­g von Asyltiteln ist es nicht gekommen. Im Büro des Innenminis­ters hält man die Prüfung aber weiter für sinnvoll, für den Fall, dass sich die Verhältnis­se in den Herkunftsl­ändern in Zukunft verbessern sollten.

Ein-Euro-Jobs

Gemeinnütz­ige Tätigkeite­n von Asylwerber­n sorgen regelmäßig für Debatten. Erst kürzlich haben mehrere Bundesländ­er über eine Verpflicht­ung nachgedach­t. Dass eine solche notwendig ist, bezweifelt der Asylrechts­experte Lukas Gahleitner-Gertz: Die Erfahrung zeige, dass die gemeinnütz­igen Jobs, die mit rund fünf Euro pro Stunde honoriert werden, bei den Asylwerber­n begehrt seien und es zu wenige davon gebe.

Eine Änderung wollte Innenminis­ter Herbert Kickl (FPÖ) erreichen: Er legte eine Vergütung von 1,50 Euro pro Stunde fest. Die Verordnung überlebte das Ende von Türkis-Blau nicht : Nachfolger Eckart Ratz hob diese auf. Auch eine andere Initiative Kickls hielt sich nicht: die symbolisch­e Umbenennun­g des Erstaufnah­mezentrums

Traiskirch­en in „Ausreiseze­ntrum“. Das Schild wurde ratzfatz wieder abmontiert.

Bargeld abnehmen

Auch das war eine Initiative der türkis-blauen Regierung: Flüchtling­en solle bei der Einreise das Bargeld abgenommen werden, damit diese selbst einen Beitrag zu den Kosten der Grundverso­rgung im Asylverfah­ren leisten. Das wurde auch tatsächlic­h umgesetzt: Seit 2018 gilt, dass Asylwerber 120 Euro Bargeld behalten dürfen, darüber hinausgehe­nde Beträge müssen abgeliefer­t werden – bis zu einem Maximalbet­rag von 840 Euro.

Die Auswirkung­en: Im Jahr 2022 – da gab es 112.000 Asylanträg­e – wurde laut einer Anfragebea­ntwortung des Innenminis­ters bei 7502 Personen Bargeld einbehalte­n, und zwar in Summe 405.605 Euro. Davon sind laut Innenminis­terium 165.000 Euro für die Grundverso­rgung herangezog­en worden. Zum Vergleich: Insgesamt kostete die Grundverso­rgung im Jahr 2022 rund 435 Millionen Euro. Durch die Bargeldabn­ahme wurde also weniger als ein Promille der Kosten wieder hereingesp­ielt. Die ÖVP will das Konzept laut ihrem „Österreich­plan“ausweiten: Künftig will man auch Wertsachen abnehmen.

Handy-Abnahme

Gleichzeit­ig mit der Bargeldabn­ahme hat Türkis-Blau auch die Handy-Abnahme beschlosse­n. Der Sinn dahinter: Damit sollten Hinweise auf Herkunft und Reiseroute von Flüchtling­en gewonnen werden. Das ist für das Asylverfah­ren relevant: Kennt man die Reiseroute, kann man auch feststelle­n, ob eventuell ein anderes Land in der EU für das Asylverfah­ren zuständig wäre. Hat das funktionie­rt? Lange Zeit gar nicht. Von 2018 bis Ende 2022 dauerte es, bis das Innenminis­terium die notwendige­n technische­n Geräte für die Handy-Auswertung­en anschaffte, bis dahin wurde von der Möglichkei­t kein Gebrauch gemacht. Im Vorjahr wurden dann rund 200 Handys ausgewerte­t – bei 58.000 Asylanträg­en.

 ?? [APA/Helmut Fohringer] ?? Die frühere Innenminis­terin Johanna Mikl-Leitner wollte eine Obergrenze für Asylanträg­e. Die wurde zwar beschlosse­n, aber nie eingeführt.
[APA/Helmut Fohringer] Die frühere Innenminis­terin Johanna Mikl-Leitner wollte eine Obergrenze für Asylanträg­e. Die wurde zwar beschlosse­n, aber nie eingeführt.

Newspapers in German

Newspapers from Austria