Was aus den Asyldebatten wurde
Aufenthaltspflicht, Obergrenzen, Asyl auf Zeit, Handy-Abnahme: Zahlreiche Vorschläge im Asylbereich wurden heftig diskutiert. Aber was blieb letztlich davon?
Das Thema „Bezahlkarten“für Asylwerber beherrscht seit einigen Tagen die politischen Debatten. Sollen Asylwerber künftig Sachleistungen statt Bargeld bekommen? Ist das notwendig, damit sie die staatliche Unterstützung nicht in ihr Heimatland schicken? Ist das überhaupt ein Problem, oder sind die Barauszahlungen für Nahrungsmittel (ca. 235 Euro im Monat) ohnehin so niedrig, dass davon keine nennenswerten Beträge abgezweigt werden können?
Viele Fragen sind offen, die Diskussion erinnert aber an etliche andere emotional geführte Debatten zum Thema Asyl aus der Vergangenheit. Was wurde eigentlich aus diesen Themen? Eine Spurensuche zeigt: Übrig geblieben ist meist recht wenig.
Aufenthaltspflicht
Die frühere Innenministerin Maria Fekter (ÖVP) wollte 2013 ein neues Erstaufnahmezentrum im burgenländischen Eberau errichten. Als die lang geheim gehaltenen Pläne öffentlich wurden, protestierte nicht nur die Landespolitik mit dem damaligen SPÖ-Chef, Hans Niessl, an der Spitze, sondern auch die Bevölkerung in der burgenländischen Kleingemeinde.
Fekter versuchte, ihr Projekt zu retten: Wenn sich die Bevölkerung vor den Asylwerbern fürchte, werde es eben eine „Aufenthaltspflicht“im Lager geben. Flüchtlinge dürften das Lager nicht verlassen, mit der Begründung, dass sie in der Phase des Aufnahmeverfahrens ohnehin den Behörden rund um die Uhr zur Verfügung stehen müssten. Das sorgte umgehend für Kritik: Die Anwesenheitspflicht sei eine unverhältnismäßige Freiheitsbeschränkung, so Asylrechts-Experten. Auch der damalige Koalitionspartner, die SPÖ, war skeptisch.
Tatsächlich beschlossen wurde dann eine Gebietsbeschränkung: Asylwerber dürfen sich nur noch in dem für sie zuständigen Bezirk aufhalten. Heute ist das Interesse an einer Anwesenheitspflicht auch nicht mehr sonderlich hoch: Wenn Asylwerber in andere Länder weiterziehen, wird das Verfahren in Österreich eingestellt, was in den vergangenen beiden Jahren mehr als 70.000 Mal der Fall war. Und auch das Erstaufnahmezentrum Eberau wurde nie realisiert.
Obergrenze
Während der großen Flüchtlingsbewegung in den Jahren 2015 und 2016 war es das große Diskussionsthema: Soll Österreich eine Obergrenze für Asylanträge einführen? Auch hier war die ÖVP mit Innenministerin Johanna Mikl-Leitner die treibende Kraft, aber auch die SPÖ ist schließlich auf eine Position für eine Obergrenze umgeschwenkt. Mehr als 37.500 Anträge pro Jahr dürfen es nicht sein, so die Position, auf die sich Rot-Schwarz festlegte.
Tatsächlich wurde dann eine gesetzliche Grundlage für eine Obergrenze beschlossen. Von den 37.500 ist in dem Gesetz keine Rede, sondern dem Innenminister wurde die Möglichkeit geschaffen, per Verordnung eine Obergrenze festzulegen, wenn „die öffentliche Ordnung“und der „Schutz der inneren Sicherheit“gefährdet sind. Dazu brauchte er die Zustimmung des Hauptausschusses des Nationalrats, im Prinzip also jene des Koalitionspartners. Mit der Verordnung hätte der Innenminister die Möglichkeit, Registrierstellen für Asylwerber an den Grenzen einzurichten und diese auch zurückzuschieben.
Ob die Regelung verfassungsrechtlich hält, ist fraglich. Durchjudiziert wurde das nie – und zwar deshalb, weil eine derartige Verordnung nie erlassen wurde. Und das, obwohl die politisch festgelegte Obergrenze von 37.500 Anträgen seither vier Mal – 2016, 2021, 2022 und 2023 – überschritten wurde. Eine Obergrenze sei eher ein Beschönigen der Statistik, zur Bekämpfung illegaler Migration müsse man an anderen Schrauben drehen, sagt dazu ein Sprecher von Innenminister Gerhard Karner. Erst vergangene Woche hat der burgenländische Landeshauptmann, Hans Peter Doskozil (SPÖ), der 2016 als Verteidigungsminister involviert war, das Thema neu entfacht: Er forderte eine Obergrenze von 10.000.
Asyl auf Zeit
Die türkis-blaue Regierung von 2017 bis 2019 hat eine Reihe von Initiativen zum Thema Asyl gesetzt. Eine davon war „Asyl auf Zeit“: Schutz vor Verfolgung sollte nicht unbegrenzt gelten, sondern nur, solang sich die Verhältnisse im Herkunftsland nicht zum Besseren ändern. Diese Interpretation des Asylbegriffs ist an sich rechtskonform, allerdings mit der Einschränkung, dass Asylberechtigte, die einige Jahre im Land gelebt haben, aufgrund des in der Menschenrechtskonvention festgelegten Rechts auf Familienleben ein Aufenthaltsrecht erhalten.
Beschlossen wurde jedenfalls eine automatische Prüfung von Asylverfahren nach drei Jahren. Praktische Auswirkungen hatte das bisher keine, zu vermehrter Aberkennung von Asyltiteln ist es nicht gekommen. Im Büro des Innenministers hält man die Prüfung aber weiter für sinnvoll, für den Fall, dass sich die Verhältnisse in den Herkunftsländern in Zukunft verbessern sollten.
Ein-Euro-Jobs
Gemeinnützige Tätigkeiten von Asylwerbern sorgen regelmäßig für Debatten. Erst kürzlich haben mehrere Bundesländer über eine Verpflichtung nachgedacht. Dass eine solche notwendig ist, bezweifelt der Asylrechtsexperte Lukas Gahleitner-Gertz: Die Erfahrung zeige, dass die gemeinnützigen Jobs, die mit rund fünf Euro pro Stunde honoriert werden, bei den Asylwerbern begehrt seien und es zu wenige davon gebe.
Eine Änderung wollte Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) erreichen: Er legte eine Vergütung von 1,50 Euro pro Stunde fest. Die Verordnung überlebte das Ende von Türkis-Blau nicht : Nachfolger Eckart Ratz hob diese auf. Auch eine andere Initiative Kickls hielt sich nicht: die symbolische Umbenennung des Erstaufnahmezentrums
Traiskirchen in „Ausreisezentrum“. Das Schild wurde ratzfatz wieder abmontiert.
Bargeld abnehmen
Auch das war eine Initiative der türkis-blauen Regierung: Flüchtlingen solle bei der Einreise das Bargeld abgenommen werden, damit diese selbst einen Beitrag zu den Kosten der Grundversorgung im Asylverfahren leisten. Das wurde auch tatsächlich umgesetzt: Seit 2018 gilt, dass Asylwerber 120 Euro Bargeld behalten dürfen, darüber hinausgehende Beträge müssen abgeliefert werden – bis zu einem Maximalbetrag von 840 Euro.
Die Auswirkungen: Im Jahr 2022 – da gab es 112.000 Asylanträge – wurde laut einer Anfragebeantwortung des Innenministers bei 7502 Personen Bargeld einbehalten, und zwar in Summe 405.605 Euro. Davon sind laut Innenministerium 165.000 Euro für die Grundversorgung herangezogen worden. Zum Vergleich: Insgesamt kostete die Grundversorgung im Jahr 2022 rund 435 Millionen Euro. Durch die Bargeldabnahme wurde also weniger als ein Promille der Kosten wieder hereingespielt. Die ÖVP will das Konzept laut ihrem „Österreichplan“ausweiten: Künftig will man auch Wertsachen abnehmen.
Handy-Abnahme
Gleichzeitig mit der Bargeldabnahme hat Türkis-Blau auch die Handy-Abnahme beschlossen. Der Sinn dahinter: Damit sollten Hinweise auf Herkunft und Reiseroute von Flüchtlingen gewonnen werden. Das ist für das Asylverfahren relevant: Kennt man die Reiseroute, kann man auch feststellen, ob eventuell ein anderes Land in der EU für das Asylverfahren zuständig wäre. Hat das funktioniert? Lange Zeit gar nicht. Von 2018 bis Ende 2022 dauerte es, bis das Innenministerium die notwendigen technischen Geräte für die Handy-Auswertungen anschaffte, bis dahin wurde von der Möglichkeit kein Gebrauch gemacht. Im Vorjahr wurden dann rund 200 Handys ausgewertet – bei 58.000 Asylanträgen.