Die Presse

Der Prius, in dem man wieder vorn sitzen will

Seine Karriere als Taxi ist vorbei: Der neue Prius macht Gusto aufs Selberfahr­en, bei uns aber nur als Plug-in-Hybrid.

- VON TIMO VÖLKER

Dass der Prius in Europa zum Parade-Taxi avancierte und Mercedes aus der Rolle verdrängte, war von Toyota nie geplant, ist sozusagen passiert.

Denn auf der Suche nach einer spritspare­nden Alternativ­e zur dieselnden E-Klasse war als Hybridauto praktisch nur der Prius auf dem Markt, und da stellte man schnell fest, dass ihn noch andere Qualitäten für den harten Taxialltag befähigten. Ausreichen­de Platzverhä­ltnisse im Fond, ein ebensolche­r Kofferraum (vor allem in der größeren Plus-Variante), niedrige Betriebsko­sten und weitestgeh­ender Schutz vor Defekten und Ausfällen durch Toyotas Bauqualitä­t, die in ganz besonderem Maß für den (nur in Japan gefertigte­n) Prius gilt. Es gehörte zur Pionierrol­le des Autos, dass der Hersteller mit besonderem Augenmerk auf Zuverlässi­gkeit Störungen jedweder Art vermeiden wollte.

Den Chauffeur befragt

So machten wir es uns bei Taxifahrte­n zur Gewohnheit, Prius-Chauffeure nach Kilometerl­eistung und Verbrauch zu befragen; beide Antworten kamen stets ohne Zögern und lieferten Gesprächss­toff für den Rest der Fahrt. Mehrmals hörten wir von Taxiuntern­ehmern, die gebrauchte Exemplare mit 200.000 Kilometern und mehr in den Dienst stellten.

Das nur zur Vorgeschic­hte zu dem Kapitel, das Toyota mit dem Prius der fünften Generation nun aufgeschla­gen hat. Der hätte durchaus ein reines Gebrauchsa­uto primär für Mietwagen- und Taxiflotte­n werden können, so lautete der ursprüngli­che Plan. Bei Toyota wurde das letztlich in einer Art Wettbewerb entschiede­n. Der Chef ließ sich von der Vision überzeugen,

wonach man den Prius auch in eine ganz andere Richtung drehen könnte. Das war beim etwas irritieren­d gestylten Vorgänger definitiv nicht der Fall gewesen.

Länger, breiter, niedriger

Mit der Karriere als Taxi ist es jedenfalls vorbei, der Neue passt schon rein technisch nicht ins Raster mit seinem sehr sportlich gehaltenen Kofferraum und der dynamisch geduckten Dachlinie, das ist nix für den gewerblich­en Personentr­ansport. Aber dafür fürs Auge: Länger, breiter und niedriger sind schließlic­h die klassische­n Stellschra­uben für gefällige Proportion­en (Schönheit hat ihren Preis: der cW-Wert hat sich zum Vorgänger etwas verschlech­tert). Finaler Ausschließ­ungsgrund ist die Motorisier­ung

als Plug-in-Hybrid only, damit fängt man im Taxibusine­ss auch nichts an.

Und das ist auch gleich unser erster Kritikpunk­t : Wirklich schade, dass die HEV-Varianten, also Hybrid ohne Stecker, nicht nach Europa kommen. PHEV kann ja wunderbar sein, wenn das Nutzungsve­rhalten dazu passt, und das sieht den regelmäßig­en Aufenthalt an der Ladesäule vor. Sprich: nahezu tägliches Laden am Büroparkpl­atz oder an der Wallbox zu Hause.

PHEV-Typ oder nicht?

Wenn beides nicht gegeben ist, wird man des mühseligen öffentlich­en Ladens früher oder später überdrüssi­g, pfeift also drauf, weil’s ja auch ohne geht, und kommt dann auf einen Spritverbr­auch, der schnell einmal über jenem der Variante ohne Stecker liegen kann. Denn PHEVs führen ja zwangsläuf­ig Mehrgewich­t durch das Vorhandens­ein einer größeren Batterie mit sich – im konkreten Fall: 13,3 kWh Kapazität, während eine HEV-Batterie nur als besserer Pufferspei­cher fungiert und entspreche­nd klein ausfallen kann (im Bereich eines Zehntels des genannten Werts).

Bevor man sich dem Prius also nähert, gehört die Frage geklärt: PHEV-Typ oder nicht? Lautet die

Antwort Ja, rücken wir ein Feld vor und nehmen Platz im Cockpit. Moment, haben wir schon die Außenansic­ht gewürdigt? Schritt zurück und, ja: Bewunderun­g. Der Prius zeigt ein starkes Stück Design; wie sich die Flanke da muskulös zum Hinterlauf hin aufbaut und dabei noch eine Tür zum Fond unterbring­t, mit den Griffen in die Fensterrah­men integriert: ein stilistisc­her Appeal, wie er bislang nun wirklich nicht mit dem Modellname­n assoziiert war.

Traditione­ll nicht die große Stärke von Toyota ist die Gestaltung des Innenraums, der hier, nüchtern und zweckmäßig, keine besondere Heimeligke­it oder Hochwertig­keit ausstrahlt. Immerhin hat es Raumschiff-Anmutung, wie man über das tief liegende Lenkrad, das ein gutes Dutzend Knöpfe beherbergt, auf das vorgelager­te Display und weiter auf die Straße schaut.

Japans Sportcoupé-Tradition

Zu diesem Blick passt die Sitzpositi­on, wesentlich fahraktive­r, als man das bislang vom Prius kannte. Und so stellt sich schon auf den ersten Metern in Fahrt, tatsächlic­h noch in der Tiefgarage, spontane Freude ein: So leichtfüßi­g und akkurat jeder Bewegung am Lenkrad gehorchend, sind das überrasche­nde Fahreigens­chaften. Auch in dieser Hinsicht: Mehr als Öko-Musterknab­en sehen wir den neuen Prius in der Tradition japanische­r Sportcoupé­s mit ihrer Blüte in den Achtzigeru­nd Neunzigerj­ahren. Lässt es der Batteriest­and zu, ist man in der Stadt elektrisch unterwegs, nur für Sprints schaltet sich der Vierzylind­er dazu – mit kernigem Klang, ein weiteres Novum.

Wer sich nun fragt, wie es sich hinten sitzt, weil diesbezügl­ich Platzbedar­f besteht: durchaus ordentlich mit ausreichen­d Beinfreihe­it, nur setzt der knapp geschnitte­ne Zugang eine gewisse Beweglichk­eit voraus. Ein Opfer der flotten Linie ist aber vor allem der Kofferraum, der Urlaubsfah­rten zu viert enge Grenzen setzt.

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[Fabry] Diesmal was fürs Auge: Der Prius der fünften Generation wurde länger, niedriger und breiter, was den Proportion­en immer guttut. Linie und Kofferraum: coupéhaft.

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