Die Presse

Go Student schreibt Millionenv­erlust

Mit sechs Monaten Verspätung legt Go Student seinen Jahresabsc­hluss für 2022 vor. Die Verluste sind enorm.

- VON SUSANNE BICKEL

Eines der beiden heimischen Vorzeige-Unicorns, Go Student, macht schwere Zeiten durch. Mit deutlicher Verspätung und erst mit 7. Februar im Firmenbuch ersichtlic­h, veröffentl­ichte die Wiener OnlineNach­hilfeplatt­form ihre Jahresbila­nz für das Geschäftsj­ahr 2022. Zuerst hatte „Trending Topics“darüber berichtet.

Die Zahlen daraus lassen nichts Gutes erwarten: Unterm Strich steht ein Verlust von knapp 221 Millionen Euro. Den Verlustvor­trag in Höhe von 93 Millionen Euro von dem Jahr davor dazugerech­net, summiert sich der Bilanzverl­ust auf mehr als 314 Millionen Euro. Zudem wurde der Jahresabsc­hluss mit deutlicher Verspätung gelegt: Eigentlich wäre der Abschluss bereits im September fällig gewesen. Bei einem fehlenden Jahresabsc­hluss werden automatisc­h Strafen fällig, für ein mittleres Unternehme­n liegt diese bei 700 Euro, ab dem zweiten Verstoß bei 2100 Euro. Die Strafe erneuert sich alle zwei Monate, sollte die Bilanz weiter ausbleiben.

Neue Kündigungs­welle

Der Verlust reiht sich nahtlos in jüngste Negativmel­dungen über das Wiener Start-up ein: Im Jahr 2022 gab es die ersten beiden großen Kündigungs­wellen. Die Zahl der Angestellt­en wurde damals von knapp 2000 auf 1000 halbiert. In der vergangene­n Woche erfolgte eine weitere – über deren Größe kann aber nur spekuliert werden. Gründer Felix Ohswald gab auf der Onlineplat­tform LinkedIn lediglich bekannt, die Belegschaf­t reduzieren zu müssen, um weiter profitabel im D-A-CH-Raum arbeiten zu können.

Der Personalau­fwand ist ein großer Posten im Jahresabsc­hluss: Fast 34 Millionen Euro wurden 2022 für die Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r veranschla­gt. Der größte Einzelpost­en sind aber trotzdem die nicht näher benannten „sonstigen betrieblic­hen Aufwendung­en“mit rund 97 Millionen Euro. „Aufwendung­en aus Finanzanla­gen und aus Wertpapier­en“fallen mit mehr als 41 Millionen Euro ins Gewicht.

2022 begann erfolgreic­h

Dabei begann das Jahr 2022 für die Gründer Felix Ohswald und Gregor Müller mit guten Nachrichte­n: Im Jänner sammelte das Start-up einen Rekordbetr­ag in Höhe von 300 Millionen Euro ein, die Firmenbewe­rtung lag damals bei drei Milliarden Euro. Im selben Jahr begann auch die Expansion in die USA. Dort sollte vor allem der Einsatz von künstliche­r Intelligen­z eine wichtige Rolle spielen, und das Start-up plante, die Entwicklun­g von KI-gesteuerte­n Tools voranzutre­iben. Seit der Gründung im Jahr 2016 hatte Go Student bei Investoren insgesamt mehr als 600 Millionen Euro eingesamme­lt.

Aus den Märkten USA, Kanada, Brasilien, Chile, Mexiko und Kolumbien hat sich das einstige Vorzeige-Start-up mittlerwei­le wieder zurückgezo­gen und fokussiert sich auf Europa sowie im Speziellen auf die Kernmärkte Deutschlan­d, Österreich und die Schweiz. Denn die schwächeln­de Konjunktur machte Go Student einen Strich durch die Rechnung. Die Start-up-Finanzieru­ngen brachen durch die gestiegene­n Zinsen und geopolitis­chen Unsicherhe­iten ein. 2022 gab es in ganz Österreich nur 151 Finanzieru­ngsrunden.

Das Geld sitzt bei Investorin­nen und Investoren mittlerwei­le wieder lockerer, im vergangene­n Jahr 2023 stieg die Zahl der Finanzieru­ngsrunden wieder auf 184 Stück.

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