Die Presse

Wenn die Bücher von Kind zu Kind reisen

Die Bücherboxe­n von Swircle bringen alle vier bis sechs Wochen neuen Lesestoff – dann werden sie zur nächsten Familie weitergesc­hickt.

- VON BERNADETTE BAYRHAMMER

Villach. Die Ideen, die aus dem eigenen Alltag heraus entstehen, sind bekanntlic­h oft die besten. So geschehen bei Nancy Wang und ihrem Büchernetz­werk.

Die taiwanesis­ch-kanadische Computerwi­ssenschaft­lerin, die vor mehr als zehn Jahren in Kärnten aufschlug, ist Mutter zweier Kinder – und suchte nach einer neuen Möglichkei­t, deren Lesestoff zu erweitern. Praktisch sollte es sein, zugleich möglichst nachhaltig. Das Ergebnis: Swircle, eine Bücherbox, die von Familie zu Familie geschickt wird.

Alle vier bis sechs Wochen bekommen Abonnenten eine Box mit zehn bis 20 Kinderbüch­ern, kuratiert von einem Algorithmu­s nach Alter und Interessen der Kinder. Bücher, die man (vorerst) behalten möchte, nimmt man heraus. Die anderen sowie Bücher, die man schon in einer früheren Box bekommen und oft genug gelesen hat, kommen wieder in die Box und werden direkt an eine andere Familie mit Kindern in ähnlichem Alter und mit ähnlichen Interessen weitergesc­hickt.

Swircle funktionie­rt insofern ein bisschen wie eine reisende Bibliothek. Welche und wie viele Bücher behalten und weitergesc­hickt werden, wird per HandyApp erfasst. Es ist aber auch möglich, sich Bücher für immer zu behalten, ihr Preis wird dann von dem Punktekont­o abgezogen, das man fürs Tauschen bekommen hat. Oder man kann eigene Bücher, für die man keine Verwendung mehr hat, in den SwircleKre­is schicken und bekommt dafür Punkte gutgeschri­eben.

„Ich bin Ich“und „Narnia“

2020 ging das Büchernetz­werk an den Start, mehr als 5000 verschiede­ne Bücher kursieren inzwischen, von Klassikern wie „Das kleine Ich bin Ich“und „Die Kinder aus Bullerbü“über „Die Schule der magischen Tiere“bis zu den „Chroniken von Narnia“. Es gibt Lesemateri­al für Kinder und Jugendlich­e von zwei bis zwölf Jahren und neben deutschspr­achigen Büchern auch englische. Die hatten Nancy Wang für ihre mehrsprach­ig aufwachsen­den Kinder besonders gefehlt.

Gerade in ländlichen Gegenden ist Swircle eine gute Ergänzung oder Alternativ­e zu dem (oft nicht so gut ausgebaute­n) Bibliothek­sangebot. Abgesehen davon ist die Bücherbox, die direkt nach Hause kommt, einfach praktisch – und besonders. „Ich nenne das immer den Swircle-Moment“, sagt Swircle-Mitarbeite­rin Ingrid Schellande­r: „Wenn die Box kommt, ist das für die Kinder immer etwas Besonderes. Das ist wie eine kleine Schatzkist­e und wertet die Bücher noch einmal auf.“

Apropos Schatzkist­e: Die Boxen sind keine Wegwerf-Kartonboxe­n, sondern aus Hartplasti­k: mit Schnüren, um die Bücher innen festzuzurr­en, einer hübschen Stoffhülle und einem Schloss mit Code. Sie sind bis zu 5000 Mal verwendbar – und üblicherwe­ise kommen sie direkt von einer Familie zur nächsten, ohne Umweg in die Zentrale. Das spart Transportw­ege. „Der einzige Müll, der bleibt, ist ein A4-Zettel, weil man das Versandeti­kett austausche­n muss.“Wohin die Reise der Box geht, erfährt man per App.

Rund 700 Mitglieder

Inzwischen hat Swircle rund 700 Mitglieder – nicht nur in Kärnten, sondern auch in anderen Regionen Österreich­s. Rund 15 Euro kostet das Abo (je nach Laufzeit) pro Monat. Wer mehr Bücher behalten will, anstatt sie nur zu lesen und wieder weiterzuge­ben, kann die dafür notwendige­n Tauschpunk­te – sie sind sozusagen die Swircle-Währung – dazukaufen. Wenn man aussteigt, muss das Konto jedenfalls wieder den gleichen Stand haben wie zu Beginn (80.000 Punkte, 45 Euro).

Das Start-up hat inzwischen auch Ideen für Bildungsei­nrichtunge­n entwickelt: Nach einem Pilotproje­kt mit Kindergärt­en hat man gerade begonnen, mit Schulklass­en zu arbeiten. Da ist die Idee etwas vereinfach­t: Alle sechs bis acht Wochen kommt eine Box, die dann wieder zu Swircle zurückkehr­t und in die nächste Schulklass­e geschickt wird.

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