Die Tiere sind zurück
Das gebeutelte Land im Südosten Afrikas berührt zutiefst: Reisende erleben nachhaltige Nationalpark- und Strandprojekte und ein langsam aufstrebendes Land.
Konntet ihr einigermaßen gut schlafen?“erkundigt sich Jeremy besorgt, nachdem er uns im Morgengrauen geweckt hat. „Ja, danke, wunderbar! Warum denn nicht?“Jeremy, der bewaffnete „Askari“(Wächter), bekam die ganze Nacht kein Auge zu, denn er umkreiste unermüdlich das Camp. „Löwen waren da, ganz nahe!“, berichtet er. „Sie haben fürchterlichen Lärm gemacht. Es müssen große Kämpfe gewesen sein!“Tatsächlich: Im Licht der aufgehenden Sonne zeichnen sich keine drei Meter vor unserem Zelteingang frische Abdrücke gewaltiger Raubkatzentatzen im Sand ab. „Wie gut, dass wir dich haben, Jeremy!“
Löwen ganz nah
Nach einem raschen Frühstück ist Aufbruch zur frühmorgendlichen Pirschfahrt. Keine fünf Fahrminuten später hält unser Guide Silva abrupt den offenen Safari-Jeep an: Unmittelbar neben dem Fahrweg döst ein gewaltiges Löwenmännchen – samt zweier Damen. „Wir fahren näher heran“, meint Silva und manövriert so dicht an die drei Raubkatzen, bis sich die beiden Löwinnen erheben und elegant die Straße überqueren. „Silva, ist das nicht gefährlich?“, fragen wir erschrocken. „Nein nein, keine Angst. Solang man im Auto bleibt, ist man
Die Löwen nehmen den Jeep als Einheit wahr, so wie einen großen Busch – und nicht die einzelnen Menschen darin.“
Portugiesische Gründung
Als wir noch ein wenig näherrollen, reicht es auch dem König der Tiere: Er erhebt sich, schüttelt die imposante Mähne und – oh weh! – humpelt jämmerlich seinen beiden Damen hinterher. „Das war wohl ein harter Kampf für den Armen“, zeigt sich Silva belustigt. „Aber His Highness ist der Sieger der Nacht und hat beide Königinnen für sich gewonnen. Der verstauchte Vorderlauf ist nicht schlimm, der ist schnell wieder gut.“
Lang beobachten wir das eindrucksvolle Trio aus wenigen Metern Entfernung. „Sie sind auf Honeymoon“, erklärt Silva. Herr Löwe scheint tatsächlich wohlauf: Eine Löwin faucht, er brüllt, sie faucht – er nähert sich in eindeutiger Absicht an. „Jetzt gönnen wir ihnen Privatsphäre“, meint Silva und rollt den Jeep auf die Piste zurück. „Er ist ein großer, mächtiger König. Solche Exemplare sind im Gorongosa-Nationalpark häufig. Darum ist der Löwe unser Wappentier.“
Gorongosa-Nationalpark in Mozambique im äußersten Südosten Afrikas ist ein wahres Naturjuwel, in den Katalogen der Reiseveranstalter taucht er allerdings nicht auf. Die wunderschöne, dicht bewaldete, von Seen und Flüssen durchzogene Hügellandschaft zu Füßen der Gorongosa-Berge blickt auf eine bewegte, zweifelhafte Geschichte zurück: 1960 gründeten die portugiesischen Kolonialherren hier den ersten Nationalpark des Landes.
Höchste Biodiversität
Der Biologe Edward O. Wilson beschied der Region am Südende des Ostafrikanischen Grabenbruchs die höchste Biodiversität weltweit. So avancierte Gorongosa in den 1970ern zur Top-Attraktion und zählte mehr Besucher als der berühmte Kruger-Nationalpark im benachbarten Südafrika. Heute ist er unbekannt. Was ist passiert?
Ein Jahr nach der Unabhängigkeit fiel Mozambique in einen grausamen, sechzehn lange Jahre währenden Bürgerkrieg (1976–1992), der das Land in Elend, Chaos und Armut bombte. Eine der Kampfparteien verschanzte sich in den Gosicher. rongosa-Wäldern. Die Folge: 95 Prozent der Tierwelt fielen den Kampfhandlungen, dem Hunger der Streitkräfte oder den Minen zum Opfer. Die Anzahl der Büffel etwa schrumpfte von 14.000 (1972) auf weit unter 100, die der Streifengnus von 6500 auf rund 20, von 3500 Zebras blieben nur wenig mehr als zehn. Alles war zunichtegemacht – auch die touristische Infrastruktur.
Gorongosas Wiedergeburt
2006 führte der Zufall den amerikanischen Multimillionär (und Technologieunternehmer) Greg Carr nach Mozambique: Er verliebte sich in den Gorongosa und beschloss, in großem Stil zu helfen. Nachdem drei Jahre lang das 4000 Quadratkilometer große Kernareal von Minen gesäubert wurde, startete der „Philanthrop Mozambiques“gemeinsam mit der Regierung ein beispielloses Renaturierungsprogramm. Bis dato pumpte seine Non-Profit-Stiftung 110 Millionen in die Wiedergeburt des Nationalparks.
Das Wiederansiedlungsprogramm geschieht nach streng wissenschaftlichen Kriterien und wird von namhaften Universitäten (u. a. Oxford und Lissabon) begleitet. Jede biologische Entwicklung wird systematisch gesammelt, dokumentiert und mit internationalen Gen-Datenbanken verlinkt. Das sorgt für ein so tiefes Verständnis der Natur und ihrer Entstehungsgeschichte wie in keinem anderen Teil der Erde. Mittlerweile werden beispielsweise wieder 63.000 Waterbucks (Wasserböcke), 500 Büffel und 200 Löwen gezählt. Auch die touristische Infrastruktur befindet sich langsam wieder im Aufbau.
Zelt, Busch, See
Von der einstigen NationalparkLandepiste für Privatjets (der Gorongosa-Park liegt ziemlich genau in der Mitte des riesigen Landes) blieb ebenfalls nicht viel über. So nehmen Gäste aktuell eine recht mühsame Anreise in Kauf. Mit der vertrauenswürdigen nationalen Fluglinie LAM Mozambique Airline geht es zunächst von der Hauptstadt Maputo in die Provinzstadt Chimoio. Dann folgen drei Stunden im Geländewagen – zunächst auf einer komfortablen Autobahn (von den Chinesen errichtet), in der Folge über elende Rumpelpisten. „African massage“nennt unser Fahrer das Gepolter – und erzählt, dass die Straße noch bis 2024 saniert werden soll. Endlich erreichen wir das Chitengo-Hauptcamp am Eingang zum Gorongosa-NatioDer