Im Großen und Kleinsten
In Genf kommt viel Wichtiges zusammen, auch für Besucher: große Institutionen, Uhren und das Forschungszentrum Cern.
Eine Stadt wie keine andere. Nirgends schafft man es, so viele verschiedene Meinungen, Theorien, Kulturen zusammentreffen zu lassen und weiterzuentwickeln. Nicht ganz so groß wie Zürich ist Genf (nach New York) weltweit die Stadt mit den meisten internationalen Institutionen und mit den höchsten Einkünften. Fast ein Fünftel der Einwohner sind Millionäre. Die diplomatischen Vertreter von 175 Staaten versuchen hier, miteinander auszukommen. Genf ist der Sitz vieler UN-Organisationen und Hauptsitz des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz. Reagan und Gorbatschow trafen sich am Genfer See und vereinbarten die Abrüstung von Atomwaffen – ein Wendepunkt im Kalten Krieg. Drei Dutzend Jahre später schüttelten einander Joe Biden und Wladimir Putin hier noch die Hand. Der Völkerbund brachte 1920 zweiunddreißig Länder zur Wahrung des Friedens an einen Verhandlungstisch. Henry Dunant traf sich im Februar 1863 mit vier Genfer Bürgern, um das Komitee der fünf zu gründen, und bereits im Oktober waren es 18 offizielle Vertreter aus verschiedenen Ländern, ein Jahr darauf 26, die gemeinsam die Genfer Konvention unterzeichneten: Das Rote Kreuz war gegründet. Und Genf wurde zur „Hauptstadt des Friedens“.
Dramatische Ereignisse
Nicht ganz so friedlich: der Briefwechsel im 18. Jahrhundert zwischen Jean-Jacques Rousseau, dem „Naturphilosophen“, in Genf geboren, und Voltaire, der eine Zeit lang hier lebte. Weniger glücklich das Zusammentreffen von Calvin, einem berühmten Sohn der Stadt, Reformator und Kritiker der katholischen Kirche, mit seinem Kritiker Michel Servet, den er als Häretiker verbrennen ließ – Selbstkritik war wohl nicht seine Stärke. Auch die Begegnung von Kaiserin Elisabeth 1889 mit Luigi Lucheni, einem italienischen Gelegenheitsarbeiter, endete tragisch: Sie war eine „Notlösung“, denn sein anarchistisches Mordziel war der Prinz von Orleans, der nicht auftauchte. Die Kaiserin starb übrigens im selben Hotel, im Beau-Rivage, wie fast 100 Jahre später der umstrittene deutsche Politiker Uwe Barschel, der hier vielleicht ebenfalls seinem Mörder begegnete.
Ein universales Zusammentreffen gibt es seit 1954 im Cern (Conseil européen pour la recherche nucléaire), weltweit eines der größten und renommiertesten Zentren für physikalische Grundlagenforschung. Dort prallen Teilchen in einem Beschleunigungsring von 27 km Umfang aufeinander. Und werden neue gefunden, wie einst das Higgs-Boson – eine Sensation. Von 23 Mitgliedstaaten gesponsert arbeiten dort 85 Nationen an der Erforschung der Naturgesetze, immer drei Jahre lang, dann wird der Beschleuniger drei Jahre lang für die nächsten Versuche umgebaut.
Alles über Teilchen
Dazu entstand das Cern Science Gateway, ein interaktives Bildungszentrum mit permanenten Ausstellungen. Das im Herbst des Vorjahres eröffnete „Tor“zum Cern wurde für Schulen, Familien und die breite Öffentlichkeit gebaut, als Besucher- und Bildungszentrum, das sich auf das jüngere Publikum konzentriert und versucht, die nächsten Generationen für MintStudiengänge (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik) und Mint-Karrieren zu begeistern.
Hier wird leicht fassbar und profund erklärt, was Grundlagenforschung ist und was sich am Cern tut. Das Resultat ist eine Art Museum und zugleich Labor, es gibt in dem Renzo-Piano-Bau drei Ausstellungsbereiche. Darunter einen mit dem Namen Discover Cern in einer Röhre, in der man Essenzielles zu Beschleuniger, Forschungsdetektoren und Computer erfährt. In der zweiten großen Röhre beschäftigt man sich mit der Geschichte des Universums, projiziert vom Urknall bis in die Zukunft. Ein dritter Bereich hat die Quantenwelt zum Thema.
Führer helfen in zehn Sprachen, jedes Alter ist willkommen: Man will eben Wissenschaft für jeden interessant und begreifbar machen. Und zeigen, wie sehr sie unser Leben beeinflusst. Wie das World Wide Web, das 1989 im Cern entwickelt wurde. Oder die Strahlentherapie, der unzählige Menschen ihre Heilung verdanken. Jugendgruppen können hier in zweiwöchigen Workshops ausprobieren, was Grundlagenforschung, Wissenschaft und Technologie alles zu bieten haben.
Uhren und Tuk-Tuks
Wer das eigene Fingerspitzengefühl ausprobieren möchte und zusammenbringen, was zusammengehört, der kann sich an einer besonders schweizerischen Kunst beweisen, dem Uhrenbau. Zwei junge Jobentwickler hatten die Idee für diesen Workshop bei Initium, und seit 2015 kann man in das Miniversum der Zahnrädchen, Federn und Schräubchen eintauchen: Man zerlegt unter Anleitung eineinhalb Stunden lang eine Uhr und setzt sie wieder zusammen. Es gibt auch Ganztagsworkshops, bei denen man eine eigene Uhr zusammenbauen kann.
Badestrand und Wanderwege, Luxusshopping und interessante Museen wie das neue Internationale Museum der Reformation (interaktiv, bunt und aufschlussreich) neben dem Dom (Turmbesteigung mit Aussicht nicht versäumen): Genf wird nie langweilig. Rundfahrten auf dem See sind ein Muss. Darüber hinaus führen Rundfahrten mit dem Tuk-Tuk-Taxi durch ganz Genf oder zu Restaurants in den Weinbergen (herrlich luftig, wenn im Sommer dann die Hitze drückt). Vielleicht ein bisschen atemberaubend sind diese Ausfahrten, weil hügelig – und sicher nicht besonders preisgünstig –, aber allemal ein grandioses Erlebnis. Selbst wenn man nur der berühmten 140 m hohen Fontäne (Jet d’eau) im See zuschaut, die der Wind in verschiedene Muster zerbläst.