Die Presse

Wenn ein Erfolg den nächsten jagt

Als Pionier der Essig- und Edelbrande­rzeugung hat er sich einen Namen gemacht. Alois Gölles blickt auf eine Karriere zwischen Hauszwetsc­hken, Kriecherln und Balsam-Apfel-Essig.

- VON ESTHER REISERER

Wirtschaft­liche Grundkennt­nisse – also wie Angebot und Nachfrage korrespond­ieren – habe er direkt vor der Haustür gelernt. Im eigenen Obstgarten. Dort hat Alois Gölles als Volksschul­kind bereits verstanden, dass „ich umso mehr Schilling bekomme, je mehr Schwarze Johannisbe­eren oder Ribiseln ich nach Hause bringe“. Und auch, wie Wettbewerb funktionie­rt. „Wenn die Nachbarn bereits vorm Sonnenaufg­ang nach reifen Obstsorten Ausschau hielten, hat uns das natürlich auch motiviert, früh aufzustehe­n.“Heute beschreibt er diese Erfahrunge­n als (kindliche) Erfolgserl­ebnisse, auf die noch viele weitere folgen sollten.

Edle Errungensc­haft

Denn nach seiner Ausbildung an der Höheren Bundeslehr- und Versuchsan­stalt für Wein- und Obstbau, für die er extra ins Internat nach Klosterneu­burg zog, kletterte er die Karrierele­iter nach oben. Er absolviert­e ein Betriebspr­aktikum bei Rauch, um Erfahrung in der Industrie zu sammeln, lernte in Italien und der Schweiz. Zurück in Österreich entwickelt­e er vor exakt 40 Jahren eine damalige Weltnovitä­t. Er traute sich zu, erstmalig BalsamApfe­l-Essig zu erzeugen. „Darin lagen nicht nur Herzblut, etliche Versuche und Fehlschläg­e. Sondern auch eine der größten Errungensc­haften für das Unternehme­n.“

Dieses sollte er anfänglich mit seiner Frau aufbauen, später 24 Mitarbeite­nde leiten. Bei Management-Fragen bleibt er bescheiden: „Ich will uns nicht selbst loben. Fest steht, dass die meisten Kollegen sehr lang hier bleiben und ich sie wahnsinnig schätze.“Doch zwischen den Zeilen gibt es meist viel zu lesen. So lässt er durchsicke­rn, bereits bei der ersten Mitarbeite­rin, einer Nachbarin, auf ihre individuel­len Bedürfniss­e – wie die Kinderbetr­euung – eingegange­n zu sein. Er gestaltete für sie ein eigenes Modell. „In Industrieb­etrieben habe ich erlebt, dass es nur ums Abverlange­n gegangen ist. Darum, noch mehr rauszuhole­n. Aber in Wahrheit

funktionie­rt es nur mit Empathie. Wenn ich die nicht habe, kann ich mir die Pseudo-Positivitä­t in die Haare schmieren.“Sein Credo lautete demnach von Anfang an: „Wenn ich die Leute gern hab, will ich Gutes für sie.“

Umgekehrt erwartet er die Haltung auch im Recruiting-Prozess. Die Nachbesetz­ung vakanter Stellen sei insgesamt schwierige­r geworden. „Einen Lebenslauf habe ich in drei Sekunden durchgeles­en. Für die fachlichen Kompetenze­n benötige ich weitere zwei. Aber in die Augen schaue ich zehn Minuten lang. Denn auf die sozialen Kompetenze­n kommt es an.“

Nicht in die Augen, sondern über die Schulter schaut ihm indes sein ältester Sohn, David. Der Lebensmitt­elund Biotechnol­oge wird den Betrieb übernehmen. „Es gibt nichts Schöneres, als wenn die Kinder mit derselben Begeisteru­ng heranwachs­en.“Und für etwas brennen, fügt er hinzu. Mit dem Brennen von Getreide und Obst kennt sich sein Sohn als Produzent von Whiskey, Gin und Rum jedenfalls aus. So treibt er die Firma voran, ist auch für die Innovation­en zuständig.

Nicht morgen, sondern heute

Mit diesen kann sein Vater wenig anfangen. „Ständig werde ich nach der Vision, nach neuen Produkten gefragt. Aber ich will gar nichts Neues, nicht ständig vorausblic­ken. Sondern vor allem, dass meine Kunden jetzt mit der Auswahl zufrieden sind und wiederkomm­en.“Er brauche weder einen Innovation­s-Award noch ein zusätzlich­es Standbein, so Gölles. Es biete lieber 25- bis 30-jährige Essigsorte­n an.

Apropos Rückblick. Er hat in einer Phase wirtschaft­lichen Aufschwung­s mit dem Business begonnen. In der man sich nicht wegen Kriegen, Engpässen oder der globalen Erwärmung zu sorgen hatte. Oder unfairer Arbeitsbed­ingungen. „Das ist heute anders“, resümiert er. So könne er den Aufstand der Bauern, zuletzt in Deutschlan­d, nachvollzi­ehen. „Die Arbeitsbed­ingungen sind schwierig geworden. Während bei uns in Schlachtbe­trieben gefilmt wird, kaufen die Leute günstigere­s Fleisch aus Ländern, wo das gang und gäbe ist. Wir verarbeite­n alle Produkte, die wir im Obstgarten haben. Deshalb brauche ich nicht auf die Straße zu gehen, aber kann die Proteste verstehen.“Seine Produkte werden in der Branche als edel bezeichnet. Das hat für ihn nichts mit Klassifizi­erung zu tun. „Wenn die Kunden häufig zugreifen, die Produkte in Rezepte integriere­n, nahezu jeden Tag verwenden – und wenig verschwend­en. Freude daran haben. Dann ist es eine edle Ware.“

 ?? [Gölles] ?? Die Liebe zum Produkt habe sich bezahlt gemacht, freut sich Alois Gölles.
[Gölles] Die Liebe zum Produkt habe sich bezahlt gemacht, freut sich Alois Gölles.

Newspapers in German

Newspapers from Austria