Die Umwege beim RBI-Strabag-Deal
Raiffeisen und der Oligarch Deripaska planen einen Milliardentausch. Um Sanktionen nicht zu brechen, braucht es Umgehungskonstruktionen. „Die Presse“fand neue Details dazu.
Wien/Moskau. „Wir werden die Eigentümer nicht bekannt geben“, sagte Bankchef Johann Strobl bei der Vorstellung der vorläufigen Jahreszahlen der Raiffeisen Bank International (RBI) Ende Jänner. Das muss ihm äußerst schwergefallen sein, denn es hagelte Fragen zu den „Presse“-Recherchen rund um das aufsehenerregende Tauschgeschäft zwischen Strabag, RBI und dem russischen Oligarchen Oleg Deripaska – und den dazugehörigen Hintermännern, die Strobl nicht bekannt geben will.
Die Bank plant bekanntlich, die Strabag-Anteile des unter Sanktionen stehenden Deripaska zu kaufen und so ihre in Russland erwirtschafteten Milliardengewinne aus dem Land zu bekommen. Nicht direkt natürlich. Das würden die derzeitigen Sanktionsvorschriften verbieten. Deshalb soll der Deal über eine russische Gesellschaft laufen. Sie soll Deripaskas Strabag-Anteile inklusive Dividenden, die Deripaska aufgrund der Sanktionen eigentlich nicht erhalten darf, abkaufen und dann an die Raiffeisen-Tochter in Moskau weiterverkaufen. Danach soll alles per Sachausschüttung nach Wien weitergereicht werden.
Eine unscheinbare Managerin
Die Umwege, die von den involvierten Konzernen geheim gehalten werden, hat nun „Die Presse“in einer aufwendigen Recherche zwischen Wien und Moskau eruiert. Die entscheidende Frage dabei war, wer hinter jener russischen Gesellschaft steckt, die kreiert und dazwischenschaltet werden muss, damit der Deal sanktionskonform über die Bühne gehen kann, und die keine Berührungspunkte zu dem sanktionierten Oligarchen Deripaska aufweisen soll.
Die Rede ist von der Gesellschaft Iliadis, über deren Auftauchen im Zusammenhang mit Deripaskas Verkaufsabsichten bei der Strabag „Die Presse“schon Mitte November berichtet hatte. Gegründet und als Finanzunternehmen registriert wurde Iliadis erst am 12. Juli 2023 – damals sprach Raiffeisen noch immer von einer Abwägung aller Optionen. Ob explizit dieses Tauschgeschäft schon von Raiffeisen in Erwägung gezogen wurde, ist unklar.
Bei Iliadis handelt es sich um eine nicht öffentliche Aktiengesellschaft (Joint-Stock Company). Das eingelegte Kapital liegt bei 10.000 Rubel (101,97 Euro) – also gerade einmal beim Minimum, das für diese Form der Gesellschaft in Russland eingebracht werden muss. Ihren Sitz hat die Firma in der Moskauer Gasse namens 3. Syromjatnitscheskij unweit vom Kreml.
Geschäftsführerin der Iliadis ist Xenia Nikolajevna Potapova. Sie hatte bis dahin offenbar nichts mit Investmentfirmen zu tun. Doch Iliadis ist nur die erste Box im Verschachtelungskonstrukt. Als zweite tut sich die bislang völlig unbekannte GesmbH Titul auf. Diese wurde zwar schon im April 2019 von einem wenig namhaften Dmitri Beloglazov gegründet, der seit den 1990er-Jahren Nachahmerprodukte deutscher Bürobedarfserzeugnisse herstellt. Aber besagte Managerin Xenia Potapova wurde dort erst am 16. Juni 2023 – also dreieinhalb Wochen vor Gründung der Iliadis – ebenso als Geschäftsführerin eingetragen. Potapova verbindet die beiden Firmen demnach in Personalunion. Gesellschaftsrechtlich ist Titul Haupteigentümerin der Iliadis.
Warum Potapova ins Spiel kam und welche Verbindung sie zu Deripaska haben könnte, konnte nicht eruiert werden. Dasselbe gilt für eine mögliche Verbindung zwischen Deripaska und Titul-Gründer Beloglazov, der seine Gesellschaft für den Deal zur Verfügung stellt.
Gründer von „Erich Krause“
Der 55-jährige Beloglazov gehört nicht zur obersten Riege in der russischen Geschäftswelt, hat aber schon in den 1990er-Jahren ein renommiertes Unternehmen namens Erich Krause aufgebaut, das Schreibwaren und Bürobedarfserzeugnisse herstellt. Hinter der Idee mit dem deutschen Namen steckt ein Marketingcoup, da deutsche Qualität in Russland immer hoch im Kurs stand. Beloglazov verdiente damit ein Vermögen, zumal er in Dutzende Länder exportiert. In den 2000er-Jahren etablierten sich Unternehmen mit deutschen Namen wie Gipfel-Geschirr, ThomasMünz-Schuhe sowie Herde und Geschirrspülmaschinen von Kaiser oder Hansa.
Warum er mit seinem unbedeutenden Unternehmen Titul und der zu diesem gehörigen Iliadis beim Großdeal zwischen RBI, Strabag und Deripaska im Spiel ist, hat auch die RBI auf Nachfrage nicht erklärt. Ebenso offen bleibt die Frage, ob dahinter nicht doch Deripaska als Nutznießer steckt, obwohl er aufgrund der Sanktionen nicht davon profitieren dürfte.
Für die RBI und offenbar auch für die Strabag entscheidend ist, dass die zwischengeschalteten Strukturen und Personen sauber sind: „Wir haben sie natürlich geprüft, und sie sind nicht sanktioniert“, versicherte Strobl schon bei der Pressekonferenz Ende Jänner. Er zeigte sich zuversichtlich, dass das Geschäft von den Behörden genehmigt werden würde.