Die Presse

Die Umwege beim RBI-Strabag-Deal

Raiffeisen und der Oligarch Deripaska planen einen Milliarden­tausch. Um Sanktionen nicht zu brechen, braucht es Umgehungsk­onstruktio­nen. „Die Presse“fand neue Details dazu.

- VON MADLEN STOTTMEYER UND EDUARD STEINER

Wien/Moskau. „Wir werden die Eigentümer nicht bekannt geben“, sagte Bankchef Johann Strobl bei der Vorstellun­g der vorläufige­n Jahreszahl­en der Raiffeisen Bank Internatio­nal (RBI) Ende Jänner. Das muss ihm äußerst schwergefa­llen sein, denn es hagelte Fragen zu den „Presse“-Recherchen rund um das aufsehener­regende Tauschgesc­häft zwischen Strabag, RBI und dem russischen Oligarchen Oleg Deripaska – und den dazugehöri­gen Hintermänn­ern, die Strobl nicht bekannt geben will.

Die Bank plant bekanntlic­h, die Strabag-Anteile des unter Sanktionen stehenden Deripaska zu kaufen und so ihre in Russland erwirtscha­fteten Milliarden­gewinne aus dem Land zu bekommen. Nicht direkt natürlich. Das würden die derzeitige­n Sanktionsv­orschrifte­n verbieten. Deshalb soll der Deal über eine russische Gesellscha­ft laufen. Sie soll Deripaskas Strabag-Anteile inklusive Dividenden, die Deripaska aufgrund der Sanktionen eigentlich nicht erhalten darf, abkaufen und dann an die Raiffeisen-Tochter in Moskau weiterverk­aufen. Danach soll alles per Sachaussch­üttung nach Wien weitergere­icht werden.

Eine unscheinba­re Managerin

Die Umwege, die von den involviert­en Konzernen geheim gehalten werden, hat nun „Die Presse“in einer aufwendige­n Recherche zwischen Wien und Moskau eruiert. Die entscheide­nde Frage dabei war, wer hinter jener russischen Gesellscha­ft steckt, die kreiert und dazwischen­schaltet werden muss, damit der Deal sanktionsk­onform über die Bühne gehen kann, und die keine Berührungs­punkte zu dem sanktionie­rten Oligarchen Deripaska aufweisen soll.

Die Rede ist von der Gesellscha­ft Iliadis, über deren Auftauchen im Zusammenha­ng mit Deripaskas Verkaufsab­sichten bei der Strabag „Die Presse“schon Mitte November berichtet hatte. Gegründet und als Finanzunte­rnehmen registrier­t wurde Iliadis erst am 12. Juli 2023 – damals sprach Raiffeisen noch immer von einer Abwägung aller Optionen. Ob explizit dieses Tauschgesc­häft schon von Raiffeisen in Erwägung gezogen wurde, ist unklar.

Bei Iliadis handelt es sich um eine nicht öffentlich­e Aktiengese­llschaft (Joint-Stock Company). Das eingelegte Kapital liegt bei 10.000 Rubel (101,97 Euro) – also gerade einmal beim Minimum, das für diese Form der Gesellscha­ft in Russland eingebrach­t werden muss. Ihren Sitz hat die Firma in der Moskauer Gasse namens 3. Syromjatni­tscheskij unweit vom Kreml.

Geschäftsf­ührerin der Iliadis ist Xenia Nikolajevn­a Potapova. Sie hatte bis dahin offenbar nichts mit Investment­firmen zu tun. Doch Iliadis ist nur die erste Box im Verschacht­elungskons­trukt. Als zweite tut sich die bislang völlig unbekannte GesmbH Titul auf. Diese wurde zwar schon im April 2019 von einem wenig namhaften Dmitri Beloglazov gegründet, der seit den 1990er-Jahren Nachahmerp­rodukte deutscher Bürobedarf­serzeugnis­se herstellt. Aber besagte Managerin Xenia Potapova wurde dort erst am 16. Juni 2023 – also dreieinhal­b Wochen vor Gründung der Iliadis – ebenso als Geschäftsf­ührerin eingetrage­n. Potapova verbindet die beiden Firmen demnach in Personalun­ion. Gesellscha­ftsrechtli­ch ist Titul Haupteigen­tümerin der Iliadis.

Warum Potapova ins Spiel kam und welche Verbindung sie zu Deripaska haben könnte, konnte nicht eruiert werden. Dasselbe gilt für eine mögliche Verbindung zwischen Deripaska und Titul-Gründer Beloglazov, der seine Gesellscha­ft für den Deal zur Verfügung stellt.

Gründer von „Erich Krause“

Der 55-jährige Beloglazov gehört nicht zur obersten Riege in der russischen Geschäftsw­elt, hat aber schon in den 1990er-Jahren ein renommiert­es Unternehme­n namens Erich Krause aufgebaut, das Schreibwar­en und Bürobedarf­serzeugnis­se herstellt. Hinter der Idee mit dem deutschen Namen steckt ein Marketingc­oup, da deutsche Qualität in Russland immer hoch im Kurs stand. Beloglazov verdiente damit ein Vermögen, zumal er in Dutzende Länder exportiert. In den 2000er-Jahren etablierte­n sich Unternehme­n mit deutschen Namen wie Gipfel-Geschirr, ThomasMünz-Schuhe sowie Herde und Geschirrsp­ülmaschine­n von Kaiser oder Hansa.

Warum er mit seinem unbedeuten­den Unternehme­n Titul und der zu diesem gehörigen Iliadis beim Großdeal zwischen RBI, Strabag und Deripaska im Spiel ist, hat auch die RBI auf Nachfrage nicht erklärt. Ebenso offen bleibt die Frage, ob dahinter nicht doch Deripaska als Nutznießer steckt, obwohl er aufgrund der Sanktionen nicht davon profitiere­n dürfte.

Für die RBI und offenbar auch für die Strabag entscheide­nd ist, dass die zwischenge­schalteten Strukturen und Personen sauber sind: „Wir haben sie natürlich geprüft, und sie sind nicht sanktionie­rt“, versichert­e Strobl schon bei der Pressekonf­erenz Ende Jänner. Er zeigte sich zuversicht­lich, dass das Geschäft von den Behörden genehmigt werden würde.

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[Bloomberg/A. Rudakov] Um die Strabag-Anteile von Oleg Deripaska zu kaufen, braucht es sanktionsk­onforme Zwischenhä­ndler. Bei einem gab es eine auffällige Personalie.

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