Gute Nachrichten für den Journalismus – und auch schlechte
Die prominente Journalistin Alexandra Föderl-Schmid wurde nach einem Tag des Bangens lebend gefunden. In der Branche tobt ein Kampf um die richtige Deutung einer Affäre, die noch lang nicht abgeschlossen ist. Die mediale Emotionsspirale dreht sich weiter.
Kaum jemand hatte darauf noch zu hoffen gewagt. Doch am Freitag gab es gute Nachrichten rund um die Journalistin Alexandra Föderl-Schmid. Seit Donnerstagmorgen war nach ihr gesucht worden, im Grenzgebiet zwischen Österreich und Deutschland, mit zahlreichen Booten am Inn. Sie galt als vermisst, die Suche wurde schon nach einigen Stunden abgebrochen. Zu wenig Hoffnung, hieß es. Doch man fand sie schließlich lebend unter einer Inn-Brücke in Braunau.
Das Drama war medial begleitet worden, und zugleich handelt es sich dabei auch um ein mediales Drama. Einerseits, weil man in der Woche zuvor quasi live mitverfolgen konnte, wie der Ruf einer bis dahin renommierten Journalistin stark beschädigt wurde. Andererseits, weil sich in der Beurteilung die Branche selbst überschlug. Reflexartige Beschuldigungen und Schnellurteile heizten die Stimmung auf – und sie tun es auch weiterhin.
Das liegt schon im Vorwurf begründet, der die Branche nicht kaltlassen kann: Plagiat. Föderl-Schmid wurde vorgeworfen, dass sie unsauber zitiert habe, in ihrer Dissertation und in Artikeln. Als Vize-Chefredakteurin der „Süddeutschen Zeitung“hatte sie sich deshalb aus dem Tagesgeschäft zurückgezogen. Die Zeitung wirkte unbeholfen im Umgang mit der Causa. Schließlich kündigte man eine große Prüfung an.
Fronten haben sich verhärtet
Befeuert hatte die Sache der „Plagiatsjäger“Stefan Weber, der sich aber üblicherweise mit wissenschaftlichen Arbeiten beschäftigt. Für die freilich andere Anforderungen gelten als für journalistische. Schon deshalb, weil die Lesbarkeit eine übergeordnete Rolle spielt, ebenso wie Zeitdruck. Zuletzt kündigte Weber an, auch rund 7200 Artikel aus dem „Standard“untersuchen zu wollen. Die ersten Stichproben seien „alarmierend“gewesen. Föderl-Schmid arbeitete bei dieser Zeitung 27 Jahre lang und war zehn Jahre ihre
Chefredakteurin. Als bekannt wurde, dass der „Plagiatsjäger“von einem rechtspopulistischen Medium engagiert worden war, verhärteten sich die Fronten.
Man kann wohl von einem polimedialen Kampf sprechen. Verknappt in dem Vorwurf der einen Seite, dass „die Rechte“gegen Föderl-Schmid vorgehe, weil sie das linksliberale Establishment symbolisiere. Und in dem Vorwurf der anderen Seite, dass „die Linke“Plagiat nur dann schlimm fände, wenn es die anderen betreffe. Angesichts dieser aufgeheizten Stimmung fragt man sich: Wird das Ergebnis der Prüfung bei der „Süddeutschen“, falls sie weitergeht, überhaupt noch jemanden interessieren?
Der Ton wurde jedenfalls rau. So schrieb etwa die „Neue Zürcher Zeitung“, dass man die Affäre um die „Süddeutsche Zeitung“als „Verrat am eigenen Journalismus“werten könne. Den boshaften Vorwurf, „in manchen Absätzen stammt nur das Gendern von VizeChefin Föderl-Schmid“, hatte zuvor Nius in einem Titel. Als dann die Suchaktion nach
Föderl-Schmid bekannt wurde und schlimme Befürchtungen sich aufdrängten, war plötzlich viel von Betroffenheit die Rede. Die Branche war still und geschockt. Manche lobten die berufliche Integrität von FöderlSchmid in höchsten Tönen. Eindeutige Schuldzuweisungen ließen nicht lang auf sich warten.
„Akkordierte Kampagnen“
Der Presseclub Concordia und das Frauennetzwerk Medien schrieben am Freitag – bevor die Journalistin, über die alle debattierten, gefunden war –, Föderl-Schmid sei „eine herausragende Journalistin und war einer unvergleichlichen und durch nichts zu rechtfertigenden Hetzjagd ausgesetzt“. Und: „Die akkordierten Kampagnen von unverantwortlichen Boulevardmedien, Propaganda-Plattformen und selbsternannten ‚Plagiatsjägern‘ sind gezielte Angriffe auf Qualitätsmedien, um kritische Berichterstattung zu verhindern oder unglaubwürdig zu machen.“Die mediale Emotionsspirale dreht sich weiter.