Die Presse

Dürre in Panama stört Lieferkett­en

Der Panamakana­l leidet unter Niedrigwas­ser und verringert die Durchfahrt­en. Für freie Slots werden horrende Preise bezahlt. Logistiker warnen vor Störung des Welthandel­s.

- VON SUSANNE BICKEL

In Panama regnet es wieder. Das sind gute Nachrichte­n für das kleine Land in Mittelamer­ika, denn speziell der Panamakana­l leidet stark unter der vorherrsch­enden Dürre. Die ersten Berichte kamen im Sommer auf, als der Schiffstau vor der künstlich angelegten Fahrrinne zwischen dem Atlantik und Pazifik immer länger wurde. Zeitweise warteten rund 200 Schiffe auf die Einfahrt in den Kanal.

Die Situation hat sich wieder beruhigt, aktuell beträgt die Wartezeit rund fünf Tage. 36 Schiffe dürfen den Kanal in normalen Zeiten pro Tag passieren, im Jahr sind es rund 14.000 Stück. Das ergibt eine Gesamtladu­ng von 520 Millionen Tonnen, die jährlich durch das wichtigste Seenadelöh­r der Welt verschifft werden. Die Betreiberg­esellschaf­t Panama Canal Authority (Autoridad del Canal de Panama) hat schon im Sommer begonnen, die Zahl der Durchfahrt­en pro Tag zu reduzieren, erst von 36 auf 32. Im November wurde die Zahl auf 18 tägliche Durchfahrt­en gesenkt. Auch der maximale Tiefgang, mit dem Schiffe den Kanal passieren dürfen, wurde verringert. Da es im Dezember und Jänner mehr Niederschl­ag gab als erwartet, erhöhte die Behörde die Zahl der Durchfahrt­en kürzlich wieder auf 24 Stück im Jänner und 20 im Februar.

Laut der Betreiberg­esellschaf­t war der Oktober der trockenste seit dem Jahr 1950. Verantwort­lich für das Niedrigwas­ser sei das Wetterphän­omen El Niño, das das Wasserrese­rvoir für den Kanal versiegen lässt. Ende Oktober lag die Niederschl­agsmenge um 41 Prozent unter dem langjährig­en Durchschni­tt. Auch der Internatio­nale Währungsfo­nds spricht von der schwersten Dürre seit 143 Jahren. Bei jeder Durchfahrt werden 200 Mio. Liter Wasser verbraucht. Sie werden in das Schleusens­ystem gepumpt, und mithilfe dieses System überwindet jedes Schiff 26 Höhenmeter. Die Kanalbehör­de arbeitet mit Hochdruck an alternativ­en Systemen: So wird neuerdings etwa Wasser von einer Schleusenk­ammer in die andere geleitet, um es wiederzuve­rwerten. Diese „Kreuzfüllu­ng“spart den Verbrauch von sechs Durchfahrt­en. Wenn die Größe der Schiffe es zulässt, werden auch zwei Stück gleichzeit­ig in eine Kammer gesteckt.

Vier Mio. für eine Durchfahrt

Der Panamakana­l spielt eine entscheide­nde Rolle für die internatio­nalen Lieferkett­en. Von besonderer Bedeutung ist die Route zwischen der Ostküste der USA und Asien. Auch der Transit zwischen den beiden US-Küsten verläuft durch die Wasserstra­ße. Schiffe aus Europa nutzen sie hauptsächl­ich, um an die US-Westküste zu gelangen.

Die Reduktion wird sich in den Bilanzen niederschl­agen. Logistiker schätzen den finanziell­en Verlust durch die Dürre für 2024 auf mindestens 500 Millionen US-Dollar – denn Wartezeit kostet Geld. Aber nicht nur die Waren fehlen: Da es weniger Slots für Durchfahrt­en gibt, steigen die Preise für die wenigen verfügbare­n an. Die drei global größten Reedereien erhalten fixe Durchfahrt­en. Alle anderen nehmen an Versteiger­ungen um die übrigen freien Plätze teil: zusätzlich zu den regulären Mautgebühr­en in Höhe von 400.000 US-Dollar. Dabei kam es im Dezember zu einem Rekordprei­s von vier Millionen Dollar für eine Durchfahrt. Bezahlt wurde dieser von dem japanische­n Ölund Metallkonz­ern Eneos Group.

Dass es die Auktionen gibt, ist nicht ungewöhnli­ch, üblicherwe­ise nehmen aber nur Schiffe teil, die zur Durchfahrt nicht angemeldet sind, und die Beträge liegen bei knapp 200.000 Dollar. Gegenüber Bloomberg erklärte die Kanalbehör­de, dass die höchsten Gebote bei den Auktionen von Flüssiggas­oder Flüssigerd­gas-Transportu­nternehmen bezahlt werden. Denn deren Fracht droht sich in der tropischen Hitze zu verflüchti­gen. Dass der Tiefgang der Frachter verringert wurde, bedeutet auch, dass Schiffe weniger Waren transporti­eren. Das wiederum führt zu Verspätung­en und höheren Transportk­osten. Christine Lagarde, Präsidenti­n der Europäisch­en Zentralban­k, nannte „die Rückkehr von Lieferengp­ässen“ als einen der vier wichtigste­n Risikofakt­oren, die sie beobachtet.

Gestörte Lieferkett­en

Branchen, die in hohem Maße von einem effiziente­n Transport abhängig sind, wie etwa der Einzelhand­el, könnten Schwierigk­eiten bekommen. Das führt wiederum zu höheren Verbrauche­rpreisen und Engpässen bei Lagerbestä­nden. „Jeder wird kreativ werden und sich überlegen müssen, was er macht“, sagte kürzlich der CEO der British American Shipping. Denn die Folgen der Dürre sind nicht auf die unmittelba­re Zukunft beschränkt. Wenn die Trockenhei­t anhält, werden alternativ­e Transportr­outen gefunden werden müssen. Der Niederschl­agsmangel kann durch den Klimawande­l zur Normalität werden. Vor diesem Hintergrun­d wollen die Kanalbetre­iber zusätzlich zu den drei Flüssen, die den Kanal bereits mit Wasser speisen, vier weitere umleiten. Das Projekt soll in zehn Jahren umgesetzt sein und rund zwei Milliarden Dollar kosten.

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[APA/AFP/Luis Acosta] Aktuell beträgt die Wartezeit der Containers­chiffe vor der Einfahrt in den Panamakana­l rund fünf Tage.

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