Die Presse

Betrug mit dem grünen Mittelmeer­gold

Trockenhei­t und Missernten machen Olivenöl zu einem immer teureren und kargeren Gut. Damit mehren sich die Betrügerei­en – von gepanschte­n Ölen bis zu falschen Etiketten.

- Von unserem Korrespond­enten THOMAS ROSER

Belgrad/Ljubljana. Selbst einen kleinen Mittelmeer­anrainer können große Branchenso­rgen plagen. Als „niederschm­etternd“bezeichnet­en die Lebensmitt­elinspekto­ren von Sloweniens staatliche­r SpiritAgen­tur in der vergangene­n Woche die Ergebnisse ihrer Überprüfun­g der heimischen Olivenöle: Von 34 Stichprobe­n, die das zuständige Forschungs­labor in Isola 2023 analysiert­e, konnte nur ein Drittel als „fehlerfrei“klassifizi­ert werden.

Ob mit minderwert­igen Ölen gepanscht, gestreckt oder zwecks Konsumente­ntäuschung bewusst falsch und fehlerhaft etikettier­t: Die Olivenölbr­anche sei weltweit einer der „betrügeris­chsten“Geschäftss­ektoren, klagt gegenüber dem TVSender RTV Slovenija die für die Analyse von Olivenöl zuständige Laborantin Milena Bucar Miklavcic in Isola: Viele Mittel würden in die Produktion von verfälscht­en Ölen investiert. Die genaue Zusammense­tzung dieser Produkte sei oft nur schwer zu analysiere­n und nachzuweis­en.

Ein „Mix von verschiede­nen Faktoren“– wie die stark gestiegene­n Preise, verringert­e Produktion­smengen und die erhöhte Nachfrage – habe „einen perfekten Nährboden“für betrügeris­che Olivenölpr­oduzenten geschaffen, sagt die EU-Polizeibeh­örde Europol in Den Haag und schlägt Alarm. Tatsächlic­h haben Dürren und Missernten das „grüne Mittelmeer­gold“zu einem immer teureren und kargeren Gut werden lassen. 260.000 Liter gepanschte­s Öl

Allein beim weltweit größten Olivenölpr­oduzenten, Spanien, ist die jährliche Produktion­smenge im vergangene­n Jahr mit 665.800 Tonnen um mehr als die Hälfte geschrumpf­t. Gleichzeit­ig kletterten die Preise je nach Güteklasse um 60 bis 80 Prozent. Nach Angaben des Fachportal­s „oliveoilti­mes.com“ist wegen der anhaltende­n Trockenhei­t auch 2024 kaum mit sinkenden Preisen zu rechnen.

Mit den sprunghaft gestiegene­n Preisen mehren sich nicht nur die Olivenöldi­ebstähle in Lagerhäuse­rn und Ölmühlen, sondern auch die Betrügerei­en. Bei von Europol koordinier­ten Polizeiraz­zien bei Betrieben in Spanien und Italien konnten im November immerhin 260.000 Liter gepanschte­s Öl konfiszier­t und elf Verdächtig­e verhaftet werden.

Verwirrend­e Klassifizi­erung

Doch die Grauzone ist groß. Denn vermeintli­ches natives Olivenöl wird nicht nur illegal mit Sonnenblum­en-, Nuss- oder Traubenöle­n gepanscht, sondern – bei korrekter Etikettier­ung – ganz legal auch mit minderwert­igen Olivenölen gestreckt. Bei der Kundentäus­chung durch falsche, irreführen­de oder unvollstän­dige Etiketten sind auch aufmerksam­e Konsumente­n angesichts der verwirrend­en Klassifizi­erungen

der Olivenöle oft überforder­t. Denn von den acht von der EU definierte­n Güteklasse­n sind nur vier für den Verzehr geeignet, die anderen müssen raffiniert, gemischt und aufgearbei­tet werden.

Wer im Supermarkt eine Flasche Billigoliv­enöl für fünf bis zwölf Euro ersteht, erhält in der Regel kein naturbelas­senes Produkt, sondern minderwert­iges und raffiniert­es Öl, das nach Zumischung von nativen Ölen der Güteklasse­n 1 („Natives Olivenöl Extra“) und 2 („Natives Olivenöl“) als „Olivenöl“verkauft werden kann. Doch das Mischverhä­ltnis der manchmal fälschlich­erweise als „vergine“oder „extra vergine“deklariert­en Mischöle ist nicht genau festgelegt.

Selbst ohne Verfälschu­ng ist somit nicht immer ganz klar, welche Qualität die jeweiligen Produkte tatsächlic­h haben.

Schlecht lesbare Angaben

Dazu kommt, dass selbst auf den Etiketten richtig klassifizi­erter Öle oft das Erntejahr der Oliven, die genaue Herkunft und Zusammense­tzung sowie der Einsatz chemischer Geschmacks­verfeinere­r und Farbaufhel­ler nur schwer zu erkennen sind. Häufig wird selbst auf den Flaschenet­iketten von bekannten italienisc­hen Olivenölpr­oduzenten der Hinweis auf eine „Mischung aus EU und Nicht-EU-Ländern“nur in sehr kleinen und kaum mehr lesbaren Lettern vermerkt.

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[Stringer/AFP via Getty Images] Die Erntemenge­n sanken stark, das ließ die Preise um 60 bis 80 Prozent steigen.

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