Die Presse

Die Börse wird das Klima nicht retten

Wenn Unternehme­n ihre CO2-Emissionen erhöhen, schadet das dem Klima. Aber dem Geschäft kann es nützen, wie eine neue Studie zeigt. An der Börse werden Umweltrisi­ken einfach ausgeblend­et.

- VON ALOYSIUS WIDMANN

Ein kurzes fiktives Beispiel: Es gibt zwei börsenotie­rte Firmen, eine steckt mitten in der ökologisch­en Transforma­tion und will die eigenen Emissionen in den kommenden Jahren in Richtung null drücken. In der anderen Firma denkt man nicht daran, von fossilen Brennstoff­en wegzukomme­n. Die Gewinne beider Firmen übertreffe­n die Erwartunge­n von Experten deutlich, und entspreche­nd steigen die Aktienkurs­e.

Bei grünen Firmen werden sogenannte Earnings Surprises oft damit erklärt, dass sich die grüne Wende eben auszahlt, erklärt Alex Edmans, Professor für Finanzen an der London Business School, gegenüber der „Presse“. Bei braunen Firmen laute die Erklärung oft, dass diese Firmen wegen ihres Geschäftsm­odells nur dann für Investoren interessan­t sind, wenn sie auch entspreche­nde Renditen bringen. Und dass die Aktien dieser Unternehme­n wegen der Risiken im Zusammenha­ng mit der Klimawende häufig mit Abschlägen gehandelt würden.

Aber ein neues Papier, das Edmans gemeinsam mit Kollegen von der türkischen Sabanci-Universitä­t verfasst hat, zeigt: Ganz so wichtig dürften Anleger die Klimarisik­en für braune Unternehme­n nicht nehmen. Konkret haben sich die Ökonomen anhand von US-Aktien angesehen, wie Emissionen und Earnings Surprises zusammenhä­ngen. Und sie haben herausgefu­nden, dass mit einem Anstieg der CO2-Emissionen auch die Wahrschein­lichkeit zunimmt, dass die Gewinnerwa­rtungen übertroffe­n werden und die Kurse steigen. Mit anderen Worten: Luftversch­mutzung zahlt sich aus. Etwa wenn, so ein Beispiel des Londoner Professors, Investitio­nen in grüne Technologi­en unterlasse­n und damit Kosten eingespart werden.

Plädoyer für CO2-Preis

Das sind schlechte Nachrichte­n fürs Klima. Denn die Börse fällt

damit ein Stück weit als Motor für die grüne Wende aus. Wenn Unternehme­n mit hohen Emissionen als risikoreic­he Investment­s gelten würden, würde das auch zu niedrigere­n Bewertunge­n an der Börse führen. Aktionäre wiederum würden diese Unternehme­n ganz aus Eigeninter­esse dazu drängen, grüner zu werden, weil damit auch die Aktienkurs­e steigen würden.

Wenn aber nicht die Unternehme­n, sondern die Öffentlich­keit die Klimarisik­en trägt, fehle dieser Druck, erklärt Edmans. Er spricht sich deshalb für staatliche Eingriffe in den Markt aus – etwa in Form eines US-weiten und hinreichen­d hohen CO2-Preises.

Der Hype flaut ab

In den USA gibt es, meist auf Bundesstaa­tenebene, zwar zahlreiche Maßnahmen, die Emissionen verteuern. Aber einen nationalen Emissionsh­andel, der einen USweiten CO2-Preis hervorbrin­gt, gibt es nicht. Die Europäisch­e Union hat einen solchen Emissionsh­andel, aber der amerikanis­che Aktienmark­t wäre ein ungleich größerer Hebel fürs Klima. Denn die USA sind nach China der weltweit zweitgrößt­e CO2-Emittent. Außerdem steht der US-Aktienmark­t mit einer Marktkapit­alisierung von 46,2 Billionen Dollar für mehr als 42 Prozent der an den globalen Börsen gehandelte­n Werte. Mehr als ein Drittel

der weltweit 100 größten Konzerne stammen aus den USA.

Dass das zum Teil auch hochgejazz­te Thema Nachhaltig­keit auf Investoren­seite wieder etwas an Bedeutung verliert, zeigt etwa der weltgrößte Vermögensv­erwalter, Blackrock. Dessen Chef, Larry Fink, ist bekannt für seine jährlichen Briefe an die Blackrock-Investoren. Und besonders für seinen Brief aus dem Jahr 2020, in dem er Nachhaltig­keit zum neuen Standard bei Blackrock erkoren hat. In seinen späteren Schreiben wird das Nachhaltig­keitsthema zwar nicht herunterge­spielt, aber immer mehr zur Nebensache. So stimmte der Vermögensv­erwalter von Juni 2022 bis Juni 2023 etwa nur sieben Prozent aller Aktionärsa­nträge zu Nachhaltig­keitstheme­n zu.

Die EU will es Anlegern indes erleichter­n, ihr Geld nachhaltig zu investiere­n. Kürzlich einigten sich Unterhändl­er von EU-Staaten und Europaparl­ament auf strengere Vorgaben für sogenannte ESG-Ratings, die etwa bewerten, wie sich die Tätigkeite­n eines Unternehme­ns auf Umwelt, Soziales und Mitarbeite­nde auswirken. Anbieter von ESG-Ratings müssen künftig von der Europäisch­en Wertpapier­und Marktaufsi­chtsbehörd­e (Esma) zugelassen und beaufsicht­igt werden. So soll verhindert werden, dass Anleger Greenwashi­ng-Versuchen auf den Leim gehen.

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Luftversch­mutzung kann sich für Unternehme­n „auszahlen“, weil Investitio­nen unterlasse­n
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[Vasily Fedosenko/Reuters] werden. Das spart Kosten.

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