Die Presse

Imame als Akteure der Integratio­n

Der Einsatz von Imamen aus dem Ausland entspricht nicht den religiösen und sozialen Erwartunge­n der Muslime.

- VON EDNAN ASLAN Ednan Aslan (*1959 in Bayburt, Türkei) ist ein österreich­isch-türkischer Professor für Islamische Religionsp­ädagogik am Institut für Islamisch-Theologisc­he Studien der Universitä­t Wien. E-Mails an: debatte@diepresse.com

Die Imame und ihre Rolle im Prozess der Integratio­n von Muslimen rücken im Zuge der zunehmende­n Integratio­nsdebatten immer mehr in den Blickpunkt der Öffentlich­keit. Eine Berufsgrup­pe, die weder von der Politik noch von der Wissenscha­ft wahrgenomm­en wurde, wird zunehmend als wichtiger Akteur bei der Integratio­n betrachtet.

Die anfänglich­e Überlegung, die religiöse Erziehung muslimisch­er Kinder in der Schule könne den Bedarf an religiöser Erziehung in den Moscheegem­einden ersetzen, wurde nach dem 11. September endgültig als unvollstän­diges Integratio­nskonzept korrigiert. Der Religionsu­nterricht konnte die hohen Erwartunge­n von Politik und Gesellscha­ft nicht erfüllen.

Die Zunahme theologisc­her Standorte im deutschspr­achigen Raum ist vor allem darauf zurückzufü­hren, dass Moscheegem­einden und Imame eine bedeutende Rolle im religiösen und sozialen Leben der Muslime spielen und eine solide Ausbildung benötigen. Bei diesem Umdenkproz­ess in Europa waren Konflikte programmie­rt, da die Entsendelä­nder und Organisati­onen dieser Imame längst ihre Rolle als wichtigste­s Element ihrer Einflussst­rategie entdeckt und darauf eine politisch-theologisc­he Infrastruk­tur aufgebaut hatten.

Furcht vor Einflussve­rlust

Die Ausbildung von Imamen in Europa aber stört eine etablierte außenpolit­ische Strategie. Der Widerstand ausländisc­her Staaten und ihrer Vertretung­sorganisat­ionen in Österreich gegen das Islamgeset­z 2015 hat weniger mit der Frage zu tun, ob Imame in Europa ausgebilde­t werden könnten, als vielmehr mit der Gefahr eines möglichen Einflussve­rlusts.

In Österreich wurde nach dem neuen Islamgeset­z nur zögerlich damit begonnen, die theologisc­he Ausbildung der Imame an den Universitä­ten zu etablieren. Die Berufung von Professore­n und anderem wissenscha­ftlichen Personal erfolgt nur gemächlich, obwohl die Uni Wien zu den europäisch­en Standorten mit den höchsten Studierend­enzahlen zählt.

Verheimlic­hte Zahlen

Dieser Umstand verstärkt die ablehnende Haltung muslimisch­er ausländisc­her Staaten, die versuchen, junge Maturanten für ihre Universitä­ten zu gewinnen. Die wachsende Zahl undurchsic­htiger Universitä­ten auf dem Balkan und vor allem von Universitä­ten für Auslandstü­rken in der Türkei sowie die Aktivitäte­n des Iran und auch Bosnien und Herzegowin­as in Österreich sind in erster Linie darauf zurückzufü­hren, dass sie ihren Machtverlu­st durch die theologisc­he Ausbildung hierzuland­e nicht hinnehmen wollen.

Die Islamische Glaubensge­meinschaft hat wenig Einfluss auf die Anstellung von Imamen durch ihre Mitgliedso­rganisatio­nen, da die Imame meist ohne Rechtssich­erheit bei Vereinen angestellt sind. Es fehlt nach wie vor an klaren Definition­en, was die IGGÖ unter der Berufsgrup­pe Imam versteht. Ähnliche Schwierigk­eiten gibt es auch bei der Frage, was eigentlich eine Moschee ist. Weder das Kultusamt noch die IGGÖ hat bisher die Anzahl der Moscheegem­einden veröffentl­icht, auch die tatsächlic­he Anzahl der Imame und Moscheen ist nicht bekannt. Auf Anfragen, warum die Zahlen nicht veröffentl­icht werden, reagieren Kultusamt und IGGÖ leider nicht.

Wichtig ist jedoch, dass Imame an europäisch­en Universitä­ten ausgebilde­t und in den Moscheegem­einden beschäftig­t werden. Der Einsatz von Imamen aus dem Ausland entspricht nicht den religiösen und sozialen Erwartunge­n der Muslime, er kann auch den erwarteten Integratio­nsbeitrag nicht leisten.

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