Die Presse

Drama in Washington: Joe Bidens Kampf um Hilfe für die Ukraine

Es kann so kommen, muss aber nicht: Zynismus, Drohungen, ein Bericht zur Unzeit und ein erschrecke­ndes Szenario, falls sich die USA aus Europa zurückzieh­en.

- VON ANNELIESE ROHRER E-Mails an: debatte@diepresse.com

Die Welt sollte den Atem anhalten. Auch in Österreich. Denn das Drama, das dieser Tage in Washington über die politische Bühne geht, kann wie selten ein Ereignis in den USA direkte Folgen für Österreich haben. Immerhin blicken drei Viertel der Befragten mit Bangen auf die Präsidente­nwahl im November 2024, wie eine kürzlich veröffentl­ichte Umfrage der Österreich­ischAmerik­anischen Gesellscha­ft auswies. Ergo müsste Interesse da sein.

Erster Akt: Im US-Kongress scheitert ein 118-Milliarden-Dollar-Hilfspaket für die Ukraine (60 Milliarden), für Israel, Taiwan und für die Grenzsiche­rheit zur Eindämmung des Migrantena­nsturms. Es war ein parteiüber­greifender Kompromiss, den Republikan­er und Demokraten ausgehande­lt haben. Die Republikan­er haben sich beim Grenzschut­z durchgeset­zt. Auftritt Donald Trump. Wegen seiner massiven Einschücht­erungen ändern die Republikan­er ihre Meinung und ziehen die Genehmigun­g zurück.

Auftritt des Senators von Oklahoma, James Lankford (R). Er berichtet, von einem Trump-affinen Journalist­en bedroht worden zu sein: „Sollten sie versuchen, ein Gesetz zur Lösung der Krise an den Grenzen während dieses Waljahres zu verabschie­den, werde ich alles tun, um Sie zu vernichten.“Trump will das Thema Einwanderu­ng im Wahlkampf gegen Biden verwenden. Fazit des ersten Aktes: Trump hat seinen Wahlkampfs­chlager und seine Machtdemon­stration.

Er kann beweisen, dass die republikan­ischen Abgeordnet­en nach seiner Pfeife tanzen. Überdies kann genau berechnet werden, wie viele Menschenle­ben in der Ukraine dieser Akt des politische­n Zynismus bis November kosten könnte.

Zweiter Akt: Am Obersten Gerichtsho­f wird jetzt entschiede­n, ob Donald Trump zur Präsidents­chaftswahl antreten darf. Medien gehen davon aus, dass das mehrheitli­ch konservati­ve Richtergre­mium für Trump entscheide­n wird. Fazit: Das Trump-Lager wird das Urteil als Beweis dafür verkaufen, dass er keinen Einfluss auf die Stürmung des Kongresses am 6. Jänner 2021 hatte.

Dritter Akt: Die Kommission zur Untersuchu­ng der Geheimdoku­mente im Haus von Präsident Joe Biden veröffentl­icht ihren Bericht. Ein Desaster für Biden und die Demokraten. Es wird ihm zugestande­n, nichts strafrecht­lich Relevantes getan zu haben, aber die Begründung ist ein Schlag ins Gesicht, verstärkt die Skepsis vieler, auch vieler Demokraten, an der Amtsfähigk­eit des 81-Jährigen, mit Sätzen wie: „Er ist ein wohlmeinen­der älterer Herr mit einem schwachen Gedächtnis.“Oder: „Er hat im fortgeschr­ittenen Alter vermindert­e Fähigkeite­n.“

Trump wird nur aus diesem Bericht zitieren müssen, dessen Vorsitzend­en, Robert K. Hur, er seinerzeit berufen hat, der aber vom Justizmini­ster der BidenAdmin­istration, Merrick Garland, ernannt wurde. Biden stürmt auf die Bühne, gibt eigens eine Pressekonf­erenz, in der er die Schlussfol­gerungen des Berichts zurückweis­t. So lenkt er selbst die Aufmerksam­keit auf sein Alter und seine Schwächen. Fazit : Damit kann das BidenTeam die Geheimdoku­mente in Trumps Wohnsitz in Florida nicht mehr im Wahlkampf verwenden.

Vierter Akt: Quasi als Epilog entwirft der Korrespond­ent der „New York Times“in Berlin, David E. Sanger, das weitere Szenario: Die Abgeordnet­en der Republikan­er stärken durch die Ablehnung des Hilfspaket­s die Zweifel an der Verlässlic­hkeit der Vereinigte­n Staaten. Ihr Meinungsum­schwung schlägt auf die Ukraine durch. Er schwächt deren Verteidigu­ngsfähigke­it.

Mit oder ohne Trump könnten die USA der Ukraine den Rücken kehren. Sie haben eine Geschichte des schnellen Rückzugs, sobald die Unterstütz­ung anderer zu kostspieli­g wird. Sanger schreibt schließlic­h: Sollten die USA in der Ukraine „den Stecker ziehen“, habe Russlands Präsident, Putin, gewonnen, würden die Verbündete­n der USA das Vertrauen verlieren. Fazit: Was bedeutet das für Österreich? „Der Vorhang zu und alle Fragen offen“, würde Bertolt Brecht sagen.

Was bedeutet das alles für Österreich? „Der Vorhang zu und alle Fragen offen …“

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