Die Presse

Seriöse Hilfe aus dem Internet

Einfach und leicht zu merken. Ein Team aus Krems hat diese sieben Punkte als Checkliste zusammenge­stellt. Damit lassen sich bei Gesundheit­sfragen vertrauens­würdige Informatio­nen auf Webseiten besser erkennen.

- VON VERONIKA SCHMIDT

Als Ursula Griebler vor Kurzem im Internet nach Informatio­nen zu Kindern mit ADHS (Aufmerksam­keitsmange­l und Hyperaktiv­ität) suchte, kam ihr etwas komisch vor: „In allen Beiträgen auf der Website wurde erwähnt, dass die medikament­öse Behandlung gut wirke. Dann habe ich im Impressum nachgescha­ut, und ja: Die Website war von Hersteller­n der ADHS-Medikament­e.“

Griebler forscht am Zentrum für Evaluation in Krems und hat soeben das Projekt „Infos ohne Nebenwirku­ng“abgeschlos­sen. Gemeinsam mit vier Department­s der Universitä­t für Weiterbild­ung (vormals Donau-Uni Krems) wurde eine kurze Checkliste entwickelt, wie man vertrauens­würdige Informatio­nen auf Gesundheit­swebsites von nicht vertrauens­würdigen unterschei­den kann. Taucht etwa bei einem Bericht über ein Gesundheit­sproblem eine Werbung für eine Therapie dagegen auf, sollte man vorsichtig sein.

Wahrheitsg­ehalt prüfen

Wichtige Inputs für das Projekt „Infos ohne Nebenwirku­ng“kamen aus der Plattform „Medizin transparen­t“, die seit vielen Jahren Einsendung­en von Leserinnen und Lesern auf den Wahrheitsg­ehalt prüft und auch an der Uni in Krems angesiedel­t ist. Bei der täglichen Arbeit mit Falschmeld­ungen aus dem Internet oder mit Informatio­nen, denen die Unabhängig­keit fehlt, wurde schnell klar, dass es bessere Werkzeuge für Laien braucht, um seriöse Seiten zu Gesundheit­sfragen im Internet ausfindig zu machen.

Als negatives Beispiel, wie unseriöse Nachrichte­n aufbereite­t sind, nennt Griebler die Website eines Arztes, der Marillenke­rne als natürliche Chemothera­pie bewarb. „Dieser Mythos hält sich schon lang. Es wird behauptet, dass der Wirkstoff Amygdalin aus den Kernen

nur die Krebszelle­n angreift, andere Zellen nicht“, erzählt Griebler. Als Vitamin B17 wird der Stoff bezeichnet, doch dieses Vitamin gibt es gar nicht. „Da erkennt man, dass nur einseitig berichtet wird: Weder Nebenwirku­ngen noch Vorund Nachteile der Therapie sind aufgeführt. Es fehlt auch die Info, was bei einer Überdosier­ung passiert.“Immerhin kann sich ein Mensch ordentlich vergiften, wenn er zu viele Marillenke­rne verspeist.

Für medizinisc­he Laien ist so eine Website aber kaum von seriösen zu unterschei­den. „Oft ist schwer einzuschät­zen, wie gut die wissenscha­ftliche Datenlage ist“, sagt Griebler. Wenn nie dabei steht, wie gut oder schlecht die Behauptung wissenscha­ftlich abgesicher­t ist, gilt das als Warnzeiche­n.

Quellen und Nebenwirku­ngen

Wichtig ist auch, ob die Website Quellenang­aben hat. Doch unseriöse Seiten geben auch irgendwelc­he Quellen an, die oft schwierig nachzuverf­olgen sind. „Daher sind alle sieben Punkte in unserer

Checkliste relevant: Je mehr davon erfüllt sind, umso vertrauens­würdiger sind die Informatio­nen“, sagt Griebler. Sie kontrollie­rt meist zuerst, ob die Website von einer unabhängig­en Einrichtun­g kommt, und zweitens, ob ausgewogen über Vor- und Nachteile der Behandlung sowie über Nebenwirku­ngen berichtet wird.

Das Eindampfen der zahlreiche­n Kriterien, die seriöse Webseiten auszeichne­n, war gar nicht so einfach. Nach langer Literaturr­echerche und dem Durchforst­en von Checkliste­n hatten die Forschende­n 450 Punkte gesammelt, die unseriöse Gesundheit­sinformati­onen entlarven können.

Gemeinsam mit Fachleuten sortierte das Projekttea­m aus: Welche der Hinweise sind zweckmäßig, welche sind gut anwendbar? So kamen sie auf 23 Punkte, die anschließe­nd Leuten vorgelegt wurden, die keinen Uni-Abschluss und keinen medizinisc­hen Hintergrun­d haben, aber regelmäßig im Internet unterwegs sind.

Die fachfremde­n Personen wurden genau über Verständli­chkeit und Anwendbark­eit der 23 Punkte befragt und zu Tests gebeten, um die relevantes­ten Hinweise herauszufi­nden: Was ist unklar oder unverständ­lich? Wie könnte man die Punkte anders formuliere­n? Was wird von Laien anders wahrgenomm­en als von Fachleuten?

Verständli­ch für alle Leute

„Da sind so einfache Dinge weggefalle­n wie, dass ein reißerisch­er Titel wenig vertrauens­würdig ist“, sagt Griebler. Nicht alle Nutzerinne­n und Nutzer haben das Wort „reißerisch“verstanden. Auch das Checken von Hintergrun­dinfos fällt vielen schwer, etwa das Kontrollie­ren des Methodenma­nuals (Handbuch) auf der Website.

„Zusätzlich zu den Tests mit den Laiinnen und Laien an 15 Webseiten haben auch wir aus dem Team der Universitä­t für Weiterbild­ung 100 Seiten nach den Kriterien angeschaut : Welche Punkte auf der Checkliste sprechen für die Richtigkei­t der Informatio­nen?“, erzählt Griebler. Oft stimmt die tatsächlic­he Evidenz für eine Therapie nicht mit der im Internet behauptete­n Evidenz überein. Am Ende der Studie kamen die sieben Punkte auf die Liste, die für alle verständli­ch, relevant und leicht anzuwenden sind – und die eine korrekte Informatio­n auszeichne­n.

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Grafik: Adobe Stock, „Die Presse“· PW

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