Die Presse

Was sind Gerüche – und wie wird man sie wieder los?

- VON CORNELIA GROBNER

Den besten Geruch der Welt herzustell­en, das war das Ziel von Jean-Baptiste Grenouille aus Patrick Süskinds „Das Parfum“. Dafür mordete er sogar. Der Roman mag überzeugen, die Idee weniger. „Das spielt’s in der Praxis nicht. Es gibt nicht den universell guten oder den universell schlechten Geruch“, sagt Erich Leitner vom Institut für Analytisch­e Chemie und Lebensmitt­elchemie der TU Graz.

Der Spezialist für die Bestimmung von geruchsakt­iven Molekülen verweist auf die Individual­ität von Gerüchen: „Ob wir einen Geruch als positiv oder negativ wahrnehmen, hängt vom Erstkontak­t und von der persönlich­en Erfahrung ab.“Deshalb können sich Empfindung­en gegenüber Gerüchen auch ändern. Der Chemiker, der sich v. a. mit Gerüchen von Lebensmitt­eln und deren Verpackung­en beschäftig­t, nennt als Beispiel die Hygieneart­ikel des Expartners nach einer desaströse­n Trennung, die man plötzlich nicht mehr riechen kann. „Geruch ist also hochgradig mit Emotionen verbunden“, so der Experte. Grundsätzl­ich gilt: Eine geruchsakt­ive Verbindung muss flüchtig sein.

Menschen können flüchtige Verbindung­en mit einem Molekularg­ewicht unter 400 Dalton (atomare Masseneinh­eit) riechen. „Größere Verbindung­en passen nicht in die Rezeptoren.“Über die Nase oder über die Mundhöhle gelangen organische Moleküle zum Nasendach. Hier sitzen die Rezeptoren und es kommt zu einer Wechselwir­kung. Leitner: „Dann geht es relativ schnell: Von da verlaufen Nervenleit­ungen ins limbische System im Gehirn und wir reagieren sofort, meist emotional.“Mindestens eine Billion unterschei­dbarer Gerüche existieren. Diese bestehen aus Duftmolekü­len. Wie etwas riecht, kann entweder von einem einzelnen Aromastoff abhängen, wie von Vanillin in der Vanillesch­ote, oder von einer Kombinatio­n aus geruchsakt­iven Einzelkomp­onenten. Den Kaffeegeru­ch bestimmen etwa 40 Verbindung­en.

Aromen einsperren

Um Gerüche loszuwerde­n, hat man mehrere Möglichkei­ten. „Ich kann den Teufel mit Beelzebub austreiben und einen Geruch mit einem anderen übertünche­n“, sagt Leitner. „So was wie Auto-Wunderbäum­e sind der Horror.“Nur der ranzige Geruch von Hochglanzb­roschüren würde diese negative Geruchsemp­findung für ihn noch übertreffe­n – er kommt vom Leinöl, das als Druckfarbe­nmatrix verwendet wird. „Es gibt auch chemische Möglichkei­ten, zum Beispiel durch Ozonisator­en, wie man sie nach einem Zimmerbran­d aufstellen kann, die Gerüche durch Oxidation zerstören.“Produkte, die als Lufterfris­cher in Drogerien angepriese­n werden, würden geruchsakt­ive Moleküle hingegen „in Einzelhaft schicken“: „Sie enthalten ringförmig­e Strukturen, in die Aromastoff­e genau reinpassen.“Dasselbe Prinzip werde umgekehrt angewendet, um etwa Jasminarom­a im Tee zu verkapseln und erst beim Übergießen mit heißem Wasser freizusetz­en.

Was und wie wir riechen, sei ebenso wie unser Körpergeru­ch von unserer DNA bestimmt, betont Leitner. „Daher können Hunde Menschen am Geruch differenzi­eren.“Diesen Geruchsfin­gerabdruck hätten sich früher Geheimdien­ste zunutze gemacht, sagt er: „In der ehemaligen DDR wurden sogenannte Geruchskon­serven von Menschen angelegt.“

„Den universell guten oder den universell schlechten Geruch gibt es nicht.“Erich Leitner, Sensoriker, TU Graz

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria