Die Presse

Viel Sportsgeis­t in Energiefra­gen

David Misch befasst sich mit Energiespe­icherung und nicht fossilen Energieque­llen. Für den früheren Spitzenspo­rtler ein „Detektivsp­iel über Millionen Jahre“.

- VON ALICE SENARCLENS DE GRANCY In unserem Fall produziert man daraus dann warmes Wasser und nicht Öl oder Gas.

Eigentlich überrascht es nur auf den ersten Blick. David Misch, seit Juni des Vorjahres als Professor für Energy Geoscience­s an der Montanuni Leoben mit neuen Lösungen für die Energiewen­de befasst, war mit seiner Arbeitsgru­ppe zunächst am Lehrstuhl für Erdölgeolo­gie eingebette­t. Bei Bohrungen nach Gas oder Öl sei sehr ähnliches Wissen notwendig wie bei geothermis­chen Bohrungen, erklärt er: „Man braucht im Grunde dieselben sedimentol­ogischen Grundlagen wie für erdölgeolo­gische Arbeiten. Man muss Lagerstätt­en finden – nur produziert man daraus dann warmes Wasser und nicht Öl oder Gas.“Wohl auch, um den Blick inhaltlich nach vorn zu richten, wurde der Lehrstuhl bereits umbenannt.

Wärme, die aus dem Boden kommt

Am Lehrstuhl für Energy Geoscience­s, wie er nun heißt, sucht man nach Alternativ­en für fossile Rohstoffe und will dazu beitragen, die benötigten Technologi­en weiterzuen­twickeln. Geothermie ist ein zentrales Thema. Und so waren Misch und sein Team auch bei den wissenscha­ftlichen Vorarbeite­n für die Geothermie Wien involviert. Aus dem Boden der Bundeshaup­tstadt sollen bis 2030 bis zu 120 Megawatt an thermische­r Energie kommen, bis 2040 soll die Fernwärme ganz ohne Gas funktionie­ren.

Wärme- und auch Wasserstof­fspeicheru­ng sowie die in Österreich noch umstritten­e CO2-Abscheidun­g und -Speicherun­g in alten Lagerstätt­en sind weitere wichtige Forschungs­felder. Die Arbeiten dazu passieren im Labor und am Computer. Je nach Thema gibt es auch Feldtests.

Die Dissertati­on verfasste Misch zu unkonventi­onellen Gaslagerst­ätten in der Ukraine. „Normalerwe­ise wird das Gas in einem Muttergest­ein gebildet und dringt dann durch den Auftrieb in ein überlagern­des Gestein ein. Schieferga­s produziert man aber direkt aus dem Muttergest­ein. Weil dieses sehr undurchläs­sig ist, braucht man Fracking dazu.“Das sei heute ein ziemliches Unwort geworden, sagt er selbst.

Für die Habilitati­on blieb der 39-Jährige thematisch buchstäbli­ch in der Tiefe: Er befasste sich mit fortgeschr­ittenen Methoden der Charakteri­sierung von feinkörnig­en Gesteinen.: „Es ging unter anderem darum, mit materialwi­ssenschaft­lichen Techniken die Durchlässi­gkeit von Barrierege­steinen besser zu verstehen.“

Den Wiener hört man heute nicht mehr, wenn Misch von seinem Werdegang erzählt, immerhin ist er seit rund 20 Jahren in Leoben. „Ich habe im ersten Jahr Werkstoffw­issenschaf­ten studiert, aber es hat sich mir erst hier erschlosse­n, was man mit Geowissens­chaften alles machen kann“, erzählt er. „Außerdem bin ich sehr naturbegei­stert und bergaffin.“Es fasziniere ihn, Prozesse in der Natur zu verstehen: „Wenn wir Lagerstätt­en finden wollen, müssen wir wissen, wie sie sich bilden, warum es Sedimentan­sammlungen gibt, zu welchen Zeiten und in welchen Ablagerung­sräumen usw. Das ist quasi ein Detektivsp­iel über Millionen Jahre.“

4800 Kilometer in neuneinhal­b Tagen

Bereut hat er den Studienwec­hsel also nie. Aber was hat ihn einst an den Werkstoffw­issenschaf­ten gereizt? Zum Beispiel, an Hochleistu­ngsmateria­lien für den Sport zu arbeiten, erläutert Misch. Spitzenlei­stungen hat er dort selbst lang gebracht: Der frühere Extremrads­portler wurde beim „Race Across America“zum „Rookie of the Year“, indem er eine Distanz von mehr als 4800 Kilometern und 40.000 Höhenmeter­n in neuneinhal­b Tagen schaffte. Dem Spitzenspo­rt widmete er dann auch drei Bücher, zuletzt eines über die „Jagd“seines Freundes, des Extremspor­tlers Christoph Strasser, nach einem Weltrekord. Vor drei Jahren veröffentl­ichte Misch dann seinen ersten Roman, ein neues Buch soll in Kürze erscheinen.

Mittlerwei­le trete er aber kürzer, sagt der dreifache Vater. Wann immer es sich ausgeht, läuft er dennoch zum Ausgleich in den Wald oder auf den Berg. Die Konsequenz aus dem Ausdauersp­ort habe ihm auch am Weg in die Wissenscha­ft geholfen, sagt Misch. Sein Tipp, ob für Sport oder Forschung: „Das tun, was man gern macht, und am Ziel dranbleibe­n.“

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