Die Presse

„Dann habe ich eben noch nicht genug gebrütet“

In seiner episodisch­en Autobiogra­fie plädiert Alex Capus für die gut erfundene Geschichte. Eine amüsante Lektüre.

- Von Karin S. Wozonig

Der Romancier und Erzähler Alex Capus führt uns in diesem Buch zu den Anfängen seiner literarisc­hen Laufbahn zurück. In denen spielte die Zeit eine wichtige Rolle, die der Autor mit seiner späteren Frau, mit Freunden oder allein in einem kleinen Haus im Piemont verbrachte. Das Haus „in einem Seitental eines Seitentals“wird zum Ort, an dem der erste Roman entsteht, und zwar nicht mit leichter Hand hingeworfe­n, denn Capus ist ein „Brüter“. Auf jeden Fall ist er einer, der weiß, dass eine Kausalkett­e noch keine gute Geschichte ergibt.

Wir erfahren vom handwerkli­chen Geschick, das der Autor bei Reparatura­rbeiten an Haus und Trockenmau­er an den Tag legt, von Ausflügen mit einem alten Fahrrad, den Freunden in seiner Stammbar im Ort, dem stolzen Ein- und dem widerrecht­lichen Ausbau eines teuren Ofens. Capus weiß in seinem Schriftste­llerleben deutlich mehr Tage zu zählen, an denen er nicht schrieb, als solche, an denen er schrieb: „Wenn mir nichts einfällt, stehe ich auf und mache etwas anderes.“Und: „Wenn ich nicht vorankomme, steckt keine Metaphysik dahinter. Ich habe dann einfach noch nicht genug nachgedach­t und gebrütet.“

„Das kleine Haus am Sonnenhang“ist eine Art poetische Selbstausk­unft, ein Räsonieren über die Lust am Fabulieren und die Kunst, die im Finden und Erfinden steckt; quasi eine andere Art der Poetikvorl­esung, bei der der Autor gleich in der Praxis vorführt, was er in der Theorie behauptet und bei der Untermauer­ung seiner Thesen seine prägenden Lektüren mitliefert. Wohl gehören in Capus‘ Vorstellun­g zur gelungenen Literatur „Schönheit, Wahrheit und Tiefe“, die nicht im Stoff, sondern in der Form und im Stil begründet liegen. „Wahr ist aber auch, dass ein ‚Wie‘ ohne ein ‚Was‘ nicht zu haben ist.“So plädiert er für die gut erfundene Geschichte und beruft sich dabei auf die deutsch-französisc­he Autorin Anne Weber – wobei Capus mit manchen Zitaten von Kolleginne­n und Kollegen, seien sie Größen der Literaturg­eschichte oder Zeitgenoss­en, recht kreativ verfährt. Auch das komplexe Verhältnis zwischen Wahrheit, Wahrschein­lichkeit und Fiktion macht er zum Thema dieser episodisch­en Autobiogra­fie eines Lesers und Schreibers.

Capus-Leser werden so manche Figurenkon­stellation und so manchen Schauplatz wiedererke­nnen. All jene, die mit den früheren Büchern des Autors nicht vertraut sind, werden von ihm charmant über seine Stoffwahl und seine Vorgehensw­eise belehrt. Geschickt teasert er seinen größten Erfolg an, den Roman „Léon und Louise“von 2011, interessan­t erzählt er von seinen Überlegung­en, wie er den Protagonis­ten seines ersten Romans, Munzinger Pascha, sterben lassen, wie er also mit diesem Roman zum richtigen Ende kommen sollte.

Es ist eine heitere Lektüre, die Capus uns beschert, was auch daran liegt, dass er seine Figuren mit der Zutat produktive­r Menschenfr­eundlichke­it schafft. Dass er das ohne naive Einfalt tut, beweist der amüsante Katalog unangenehm­er Eigenschaf­ten, den er auflistet, nachdem ihn seine italienisc­hen Buddys enttäuscht haben. Auf „Backpfeife­n“und sogar auf „Kraftausdr­ücke“verzichtet Capus, knallt aber einen Siebenschl­äfer ab, der sich im Dachboden seines kleinen Hauses eingeniste­t hat. Mit dem Vertrauens­verlust geht offenkundi­g eine Ära zu Ende.

Capus-Fans werden die literarisc­he Selbstausk­unft mit eingestreu­ten Anekdoten gern lesen, und wer Capus‘ schlicht-eleganten Mosaike aus Fragmenten historisch­er Wahrheit und gut erfundener Geschichte­n noch nicht kennt, kann das Werk mit diesem schmalen Band entdecken.

 ?? ?? Alex Capus Das kleine Haus am Sonnenhang 160 S., geb., € 22,70 (Hanser)
Alex Capus Das kleine Haus am Sonnenhang 160 S., geb., € 22,70 (Hanser)

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