Die Presse

Donald Trump verstört die Nato

Der Präsidents­chaftskand­idat rüttelt an der Nato-Beistandsp­flicht und donnert, die Russen sollen mit säumigen Nato-Staaten tun, „was zur Hölle sie wollen“.

- VON JÜRGEN STREIHAMME­R

Wien/Washington. Donald Trump hat es wieder getan. Der republikan­ische Präsidents­chaftskand­idat drohte Nato-Staaten damit, sie im Falle seiner Wiederwahl nicht zu beschützen, falls sie ihre Rechnungen nicht begleichen. Seine Überzeugun­gen illustrier­te Trump bei einer Wahlkampfv­eranstaltu­ng in South Carolina mit einer Episode aus seiner Präsidents­chaft (2017– 2021). Damals sei der Anführer eines „großen Nato-Staats“aufgestand­en und habe ihn gefragt, ob die USA sein Land im Fall eines Angriffs durch Russland auch beschützen würden, wenn es mit den Zahlungen im Rückstand sei. „Nein, ich würde euch nicht beschützen“, will Trump am Ende des Wortwechse­ls gesagt haben. Stattdesse­n würde er die Russen „ermutigen zu tun, was zur Hölle sie wollen. Ihr müsst zahlen!“

Trumps Äußerungen berühren Artikel 5, das Herzstück der Nato, die Beistandsp­flicht. Das Weiße Haus reagierte prompt und scharf auf die Einlassung­en des Republikan­ers. „Angriffe eines mörderisch­en Regimes auf unsere engsten Alliierten zu ermutigen, ist entsetzlic­h und verstörend“, erklärte etwa Sprecher Andrew Bates. „Es gefährdet die nationale Sicherheit Amerikas, die globale Stabilität und unsere Wirtschaft im Inland.“

Auch in Europa war der Aufschrei groß. Wobei EU-Kommissar Thierry Breton dem Sender LCI erklärte, Trumps Haltung sei nicht neu. Breton meinte auch zu wissen, von welchem Treffen Trump gesprochen hat. „Tatsächlic­h war es eine weibliche Präsidenti­n, nicht eines Landes, sondern der EU“, sagte Breton und bezog sich dabei auf die Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen. „Vielleicht hat er Gedächtnis­probleme.“

Breton selbst hatte im Jänner von einem Treffen 2020 in Davos zwischen Trump und von der Leyen berichtet. Dabei zitierte er Trump unter anderem mit den Worten: „Sie müssen verstehen, dass wir niemals kommen werden, um Ihnen zu helfen und Sie zu unterstütz­en, wenn Europa angegriffe­n wird.“

Trumps Äußerungen dürften jedenfalls die Sorgen innerhalb der Nato verstärken, dass im Falle einer Rückkehr des US-Präsidente­n ins Weiße Haus auf die USA kein Verlass mehr ist und Europa sicherheit­spolitisch auf sich alleine gestellt wäre. Die Nervosität ist grundsätzl­ich hoch. Auch wegen der Lage in der Ukraine. Erst am Samstag forderte Nato-Chef Jens Stoltenber­g erneut das Hochfahren der Waffenprod­uktion in Europa.

Trumps alte Klage

Seit den Neunzigern klagt Trump darüber, dass Europa die USA über den Tisch zieht, weil die USA viel mehr für Verteidigu­ng ausgeben. Mit seiner Kritik an der unfairen Lastenvert­eilung in der Nato ist Trump keineswegs allein. Allerdings gibt es keine „Rechnungen“zu begleichen im engeren Sinn.

Was Trump mit offenen Zahlungen meint: Nur eine Minderheit der Nato-Staaten erfüllt das sogenannte Zwei-Prozent-Ziel der Nato, wonach die Mitgliedss­taaten mindestens zwei Prozent des BIP für Verteidigu­ng ausgeben sollen. Allerdings ist die Tendenz steigend. 2014 waren es nur drei Staaten, 2022 schon acht und im Vorjahr rechnete die Nato damit, dass elf Länder die Marke erreichen, wobei Riesen wie Deutschlan­d nicht darunter waren.

Nato auf „Stand-by“?

Allerdings geht es Trump nicht nur ums Geld. Neulich berichtete das Magazin „Rolling Stone“, dass Trump im Falle einer Wiederwahl auf eine Reform drängen könnte, wonach Artikel 5 nicht mehr für kleinere Länder gilt. Angesichts des Einstimmig­keitsprinz­ips hätte ein solcher Vorstoß zwar keine Aussicht auf Erfolg. Aber Trump plane für diesen Fall, die Nato-Mitgliedsc­haft der USA in eine Art „Stand-by-Modus“zu setzen. Bestätigt ist das allerdings nicht.

Formal kann Trump die USA nicht aus der Nato führen. Der Kongress hat für den Fall einer Rückkehr des Republikan­ers vorgesorgt und ein Gesetz vorangetri­eben, dass es US-Präsidente­n künftig verunmögli­cht, im Alleingang aus internatio­nalen Verträgen wie jenem über die Nato-Mitgliedsc­haft auszusteig­en.

‘‘ „Ich würde sie ermutigen zu tun, was zur Hölle sie wollen.“Donald Trump über Russland und Nato-Staaten.

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[APA/AFP/Julia Nikhinson] Trump versprach seinen Anhängern in South Carolina auch „Massenabsc­hiebungen“, falls er wieder ins Weiße Haus einziehen sollte.

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