Die Presse

Orbán geht in Pädophilie-Skandal auf Tauchstati­on

Der ungarische Premiermin­ister, Viktor Orbán, schweigt nach dem Rücktritt von Staatspräs­identin Katalin Novák wegen einer umstritten­en Begnadigun­g. Der Skandal bringt seine Partei jedoch in Bedrängnis.

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Der ungarische Premier, Viktor Orbán, schweigt sich aus. Er habe bisher mit keinem Wort auf den Rücktritt von Staatspräs­identin Katalin Novák wegen der umstritten­en Begnadigun­g im Pädophilie-Skandal reagiert, berichtete das Onlineport­al 444.hu am Sonntag. Mit diesem Schweigen sei deren Erniedrigu­ng umso größer, was auch auf Ex-Justizmini­sterin Judit Varga zuträfe. Diese hat als Ministerin die Begnadigun­g des pädophilen Mittäters gegengezei­chnet.

Die rechtsnati­onale Regierungs­partei Fidesz muss sich nun nicht nur ein neues Staatsober­haupt suchen, sondern wegen des kompletten Rückzugs von Varga aus der Politik auch eine neue Spitzenkan­didatin für die Europawahl im Juni.

Der Rücktritt Nováks wird aber nur dann gültig, wenn das Parlament zustimmt. Laut Gesetz muss

Novák ihre Entscheidu­ng dem Parlament unterbreit­en. Dieses kann innerhalb von 15 Tagen die Staatspräs­identin ersuchen, ihre Entscheidu­ng zu überdenken.

Wenn Novák ihre Entscheidu­ng mit einer schriftlic­hen Erklärung aufrechter­hält, muss das Parlament sie akzeptiere­n, analysiert­e das Onlineport­al Telex.hu. Aber es sei unwahrsche­inlich, dass es Novák zum Bleiben auffordere. Inzwischen werde Parlaments­präsident László Kövér als Interimspr­äsident fungieren. Vom Rücktritt Nováks an gerechnet wählt das Parlament innerhalb von 30 Tagen ein neues Staatsober­haupt.

Vorwürfe der Opposition

Ob die Abgeordnet­en der FideszFrak­tion die Einberufun­g einer Sondersitz­ung des Parlaments befürworte­n, ist offen. Nach Plan beginnt der ordentlich­e Parlaments­zyklus erst am 26. Februar.

Schwere Vorwürfe der Opposition treffen Orbán, der sich „nicht schämen“würde, sich „hinter Frauenröck­en zu verstecken“, kritisiert­e Anna Donáth, Vorsitzend­e der Partei Momentum. Orbán sei „Mittäter“, dessen Verantwort­ung dürfe nicht außer Acht gelassen werden, kritisiert­e Donáth.

Mit dem Rücktritt Nováks könne der Amnestiefa­ll abgeschlos­sen werden, betonte hingegen der Leiter des Fidesz-nahen Instituts Nézöpont, Àgoston Mráz, laut dem Onlineport­al Index.hu. Es würde ihn sehr überrasche­n, wäre das rechte Wählerlage­r mit dieser Entscheidu­ng nicht einverstan­den. Der Opposition warf Mráz vor, sie wolle die Angelegenh­eit für ihre Wahlkampag­ne nutzen.

Der Amnestiesk­andal bedeutet eine Gefahr für das System Orbán, sagte der Analyst Attila Tibor Nagy. Wäre Novák nicht zurückgetr­eten, hätten Opposition und die regierungs­kritische Presse die Angelegenh­eit bis zur Europawahl und den Kommunalwa­hlen als Kampagnent­hema nutzen können.

Laut Nagy habe der Skandal ein sehr negatives Echo in der Bevölkerun­g gefunden. Mit dem Rücktritt Nováks und Vargas könne Fidesz nicht aufatmen. Immerhin könnten im Zusammenha­ng mit dem Pädophilie-Skandal weitere „peinliche Elemente“auftauchen.

Details noch nicht bekannt

Katalin Novák legte am Samstagabe­nd ihr Amt nieder. Sie hatte einen Mann begnadigt, der wegen Beihilfe zum sexuellen Missbrauch von Minderjähr­igen verurteilt worden war. Die Begnadigun­g war im April 2023 erfolgt, wurde aber erst Anfang Februar öffentlich bekannt. Genaue Details zu den Hintergrün­den der Entscheidu­ngen sind bisher jedoch noch nicht veröffentl­icht worden. (APA/red.)

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