Die Presse

Der Spagat der Notenbanke­r

Am Dienstag veröffentl­ichen die USA ihre Inflations­zahlen für Jänner. Die Daten werden mit Spannung erwartet. Weder Notenbanke­n, noch OECD sehen die Inflation als besiegt an.

- VON NICOLE STERN

Das Ende der im Jahr 2021 begonnenen „Inflations­episode“will die Organisati­on für wirtschaft­liche Zusammenar­beit und Entwicklun­g (OECD) zwar noch nicht ausrufen. Doch sieht sie die Welt in Sachen Teuerung zumindest auf dem richtigen Weg. Nicht nur, weil der Inflations­druck aufgrund niedrigere­r Energiepre­ise und intakter Lieferkett­en im vergangene­n Jahr schneller als erwartet zurückgega­ngen ist. Sondern auch, weil die abkühlende Weltwirtsc­haft eine geringere Nachfrage für das laufende Jahr erwarten lässt, wie es im aktuellen Bericht der Organisati­on heißt.

Bis sich die Inflations­raten in den Staaten der G20 dem Zielwert (von in der Regel zwei Prozent) wieder annähern, wird es aber noch dauern. Und zwar bis 2025 – da sollte sich die Kerninflat­ion (ohne Energie- und Lebensmitt­el) dann auf 2,1 Prozent belaufen, so die Organisati­on. In der Zwischenze­it kann freilich noch viel passieren.

So warnt die OECD vor hohen politische­n Risken, die etwa Auswirkung­en auf die Energiepre­ise haben könnten, und auch vor „Überraschu­ngen“, die die Inflation wieder nach oben treiben könnten. Sie nennt hier etwa den anhaltend hohen Druck auf die Dienstleis­tungspreis­e als unsichere Komponente. Dass die vergleichs­weise hohen Inflations­raten Geschichte sind, ist also längst nicht sicher. Für die Finanzmärk­te könnte das wiederum zu einem Problem werden, weil der Markt dann seine Erwartungs­haltung in Sachen Geldpoliti­k anpassen muss. Solch unerwartet­e Wendungen sind häufig ein Grund für scharfe Korrekture­n an der Börse. Auch dies erwähnt die OECD in ihrem Bericht.

Derzeit erwartet der Finanzmark­t von den Notenbanke­n (in erster Linie von der US Federal Reserve und der Europäisch­en Zentralban­k) jedenfalls Leitzinsse­nkungen, am besten so bald wie möglich und jedenfalls noch heuer. Doch müsse die Geldpoliti­k umsichtig bleiben, um die Inflation dauerhaft einzudämme­n, so die OECD. Zwar gäbe es wohl Spielraum für Zinssenkun­gen, wenn die Inflation weiter zurückgeht, aber es sei Vorsicht geboten.

Mit Spannung wird deshalb auch erwartet, welche Inflations­raten die weltweit wichtigste Volkswirts­chaft am kommenden Dienstag veröffentl­ichen wird. Allgemein angenommen wird, dass die USKerninfl­ation im Jänner um 3,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahresm­onat gestiegen ist. Doch wäre dies der geringste Anstieg seit April 2021. Und auch von der herkömmlic­hen Inflations­rate verspricht man sich viel. Sie soll erstmals seit zwei Jahren bei unter drei Prozent zu liegen kommen. Im Dezember lag die Inflations­rate in den USA bei 3,4 Prozent, nach 3,1 Prozent im November

US-Notenbank zurückhalt­end

Der Markt erhofft sich von der Federal Reserve die erste Leitzinsse­nkung im Mai. Zwar hat Fed-Vorsitzend­er Jerome Powell Zinssenkun­gen für das heurige Jahr in Aussicht gestellt – den Zeitpunkt ließ er aber offen. Und auch jüngst betonte er erneut, dass die Notenbank hier umsichtig agieren werde. Das Klügste, was man tun könne, sei, der Sache Zeit zu geben und zu beobachten, ob die Inflation nachhaltig Richtung zwei Prozent sinkt, sagte er dem Sender CBS. Zuletzt hatten die USA starke Arbeitsmar­ktzahlen vorgelegt, bei steigenden Löhnen und einer niedrigen Arbeitslos­enquote. Als „historisch ungewöhnli­ch“bezeichnet­e Powell daher die Situation von Leitzinsse­nkungen ohne wirtschaft­lichen Abschwung.

EZB steht auf der Bremse

Und auch in Europa kocht das Thema Zinssenkun­gen laufend hoch. Wobei Investoren am Finanzmark­t ihre Annahmen auf eine frühe Leitzinsse­nkung bereits zurückgeno­mmen haben. Dies liegt wohl auch an den verhaltene­n Äußerungen der Zentralban­ker selbst.

So sagte EZB-Direktoriu­msmitglied Isabel Schnabel der „Financial Times“kürzlich, dass die hartnäckig­e Inflation im Dienstleis­tungssekto­r, der robuste Arbeitsmar­kt, die spürbare Lockerung der finanziell­en Bedingunge­n und die Spannungen im Roten Meer gegen eine baldige Anpassung des geldpoliti­schen Kurses sprechen würden.

Und auch Österreich­s Gouverneur Robert Holzmann äußerte sich gegenüber der „FAZ“abwartend: Es sei nicht garantiert, dass die Notenbank die Zinsen in diesem Jahr überhaupt senken werde. Die Notenbank müsse sich sicher sein, dass die Inflation wirklich besiegt sei, bevor sie die Zinsen senke, so Holzmann weiter. Die Inflation im Euroraum lag mit 2,8 Prozent im Jänner nach wie vor über dem Zielwert der EZB von zwei Prozent.

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[Mike Theiler/Reuters] EZB-Chefin Christine Lagarde und Fed-Chef Jerome Powell wollen die Zinsen nicht zu früh senken.

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