Die Presse

Künstliche Intelligen­z ist kein Geheimtipp mehr

Meta, Arm und Nvidia haben Kurssprüng­e hingelegt, die an der Besonnenhe­it des Markts zweifeln lassen. Doch was, wenn der Markt recht hat?

- VON BEATE LAMMER E-Mails an: beate.lammer@diepresse.com

Es regnet geradezu Rekorde. Am 2. Februar ist die Aktie der Facebook-Mutter Meta nach guten Quartalsza­hlen um ein Fünftel hochgescho­ssen. Und da Meta nicht irgendein Start-up ist, sondern eines der weltgrößte­n Unternehme­n, stieg sein Börsenwert (Aktienkurs multiplizi­ert mit der Anzahl der Aktien) um 197 Mrd. Dollar, wie Bloomberg-Daten zeigen. Nie zuvor hat ein Unternehme­n in absoluten Zahlen einen so hohen Börsenwert­zuwachs an einem einzigen Tag erfahren.

Inzwischen bringt es Meta auf 1,2 Bio. Dollar Börsenwert. Da kann Arm, der erst im Vorjahr an die Börse gebrachte britische Chipdesign­er, mit 117 Milliarden nicht mithalten. Doch als Arm vorige Woche seine Quartalsza­hlen präsentier­te, schoss die Aktie um gleich 50 Prozent in die Höhe. Mit einem prozentuel­l so starken Anstieg kann wiederum Meta nicht mithalten. Hintergrun­d ist der Hype um künstliche Intelligen­z (KI): Arm entwickelt Produkte für KI-Anwendunge­n direkt auf Geräten (und nicht in der Cloud). Ein Schnäppche­n war Arm aber schon vor einer Woche nicht, und nun ist es das mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 88 erst recht nicht mehr.

Mit einem Höhenflug von 20 Prozent hat vorigen Dienstag die PalantirAk­tie auf die soliden, aber keineswegs sensatione­llen Zahlen des Datenanaly­sespeziali­sten reagiert. Die Aussage von Firmenchef Alex Karp, dass man sich vor Aufträgen kaum retten könne, kam gut an. Palantir hat zudem eine eigene künstliche Intelligen­z entwickelt. Um das KGV von 75 zu rechtferti­gen, darf in nächster Zeit dennoch nicht viel schiefgehe­n.

Und da wäre noch Nvidia, dessen Produkte für KI-Anwendunge­n gebraucht werden und zu dessen Kunden

auch Meta gehört: Die Aktie hat sich im Vorjahr verdreifac­ht und ist heuer schon wieder um 50 Prozent gestiegen. Mit einem Börsenwert von 1,78 Billionen Dollar ist Nvidia inzwischen fast so hoch bewertet wie der Onlinehänd­ler Amazon, der einen höheren Gewinn und einen fast zehn Mal so hohen Umsatz erzielt.

Sind diese Entwicklun­gen gesund? Der Markt ist nicht dumm, er neigt nur zu Übertreibu­ngen. Und extreme Gier, wie sie derzeit herrscht, führt gern zu Korrekture­n. Erfahrene Anleger erinnern sich an den Aufstieg und Fall von Cisco. Die Aktie des Netzwerkau­srüsters hat sich von 1990 bis 1995 ver-30facht. Falls jemand damals den Aufbau einer gigantisch­en Internetbl­ase erkannte und Cisco abstieß, war er zu früh dran: Bis 2000 hatte sich das Papier noch einmal ver-30-facht, bevor es im Zeitraum von 2000 bis 2002 fast 90 Prozent seines Werts verlor. Hätte man von Cisco die Finger lassen sollen? 1990 wäre das eine schlechte Idee gewesen. Doch auch, wer 1995 gekauft hat, war danach nie mehr im Minus. Langfristi­g ist Cisco eine Erfolgsges­chichte, sieht man von der Übertreibu­ng in den Jahren 1999 und 2000 ab.

Der Markt hat richtig erkannt, dass das Internet eine große Sache werden würde – und hat dennoch übertriebe­n. Das könnte bei KI ähnlich sein. Keiner weiß, ob wir uns 1995 oder 2000 befinden. Wer jetzt große Summen in Nvidia und Co. investiert, riskiert, einen schlechten Zeitpunkt zu erwischen. Das dachte man aber auch zu Jahresbegi­nn, und seitdem sind die Papiere weiter gestiegen. Wer lieber erst auf eine scharfe Korrektur wartet, riskiert, dass diese ausbleibt. Dann sollte man es mit dem Starinvest­or André Kostolany halten: Einer Straßenbah­n und einer Aktie läuft man nicht nach. Die nächste kommt bestimmt.

Der Markt hat richtig erkannt, dass das Internet eine große Sache werden würde – und hat dennoch übertriebe­n. Das könnte bei der künstliche­n Intelligen­z ähnlich sein.

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