Ist das nun eine große Blase?
Die Situation erinnere an die Dotcom-Blase, sagen die einen. Die Lage sei völlig anders, und die Rallye könne weitergehen, erklären die anderen. Vorausschauende Anleger können mit beiden Szenarien leben.
Nichts kann diese Rallye aufhalten, so scheint es. Gleich mehrfach überbrachte Fed-Chef Jerome Powell in den vergangenen Tagen schlechte Nachrichten an die Märkte, am deutlichsten in einem Interview mit dem Sender CBS. „Wenn wir die Zinsen zu schnell senken, kann es passieren, dass sich die Inflation über unserem Ziel von zwei Prozent einpendelt”, sagte er. Man werde etwaige Zinssenkungen deshalb „vorsichtig” angehen.
Alles egal. Noch vor Kurzem schien die Rekordjagd an den Börsen zu einem Großteil von der Erwartung auf schnell fallende Zinsen getragen worden zu sein. Eine Verzögerung wurde als großes Risiko beschrieben, weil hohe Zinsen auf lange Zeit Aktien tendenziell schaden würden. Mittlerweile haben die Börsianer ihre Erwartungen zurückgeschraubt, laut Optionsbörse CME glauben sie an keine Zinssenkung im März, und bis Jahresende erwarten sie nur vier statt bisher fünf bis sechs Reduktionen. Und die Leitindizes? Brechen trotzdem alle Rekorde.
Von Euphorie reden die einen, von extremer Gier die anderen, und an beidem ist durchaus etwas dran. Ein Warnzeichen für eine Blase auf den Aktienmärkten ist die Tatsache, dass Investoren immer mehr Geld in die Märkte pumpen, obwohl diese aus historischer Sicht bereits teuer sind. Das gilt momentan sowohl für den Gesamtmarkt anhand des wichtigsten Index, des S&P 500, der mit einem durchschnittlichen Kurs-Gewinn-Verhältnis von mehr als 20 einen Wert erreicht hat, der zumindest über dem historischen Durchschnitt liegt. Und das gilt ganz besonders für die Gruppe der „Magnificent Seven”, die den Gesamtmarkt nahezu im Alleingang trägt und deren Kurs-Gewinn-Verhältnis an der Marke von 40 kratzt.
Vielleicht werden Analysten in einigen Jahren auf das Jahr 2024 zurückblicken und sich fragen – ähnlich wie sie es nun tun, wenn sie auf das Jahr 1999 zurückblicken –, wie es sein kann, dass die Börsianer diese große Blase nicht erkannt haben. Wie rational sind die Bewertungen, wenn die Marktkapitalisierung von sieben US-Firmen – Apple, Microsoft, Amazon, Alphabet, Nvidia, Meta und Tesla – die kombinierte Wirtschaftsleistung der vier größten europäischen Volkswirtschaften – Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Italien – übersteigt? Ist es zu rechtfertigen, dass die sieben genannten Firmen mehr wert sind als alle westeuropäischen Aktienmärkte zusammen?
Nur Tesla ist gefallen
In der Tat sind die Kursgewinne der vergangenen Monate nahezu ausschließlich den größten US-Unternehmen zu verdanken. Einzig Tesla hat nachgegeben, weshalb einige Analysten dazu übergehen, von den „Magnificent Six” zu sprechen. Im Schnitt haben die anderen sechs Firmen ihre Gewinne in der aktuellen Berichtssaison um zwei Drittel gesteigert. Zumindest dann, wenn auch Nvidia die Erwartungen erfüllt. Die Zahlen des Chipentwicklers stehen noch aus, sie kommen am 21. Februar. Ohne die wertvollsten US-Aktien knapp 30 Prozent der Gesamtkapitalisierung ausmachen. Vor dem Platzen der Dotcom-Blase Anfang des Jahrtausends lag der Vergleichswert nur geringfügig höher, weshalb die Bank Parallelen ortet und vor deutlichen Kursverlusten warnt. Als Preisziel für den S&P 500 zum Ende des Jahres 2024 gibt JP Morgan 4200 Punkte an, ein Minus von 15 Prozent zum aktuellen Wert. Im Gegensatz dazu verweisen die Optimisten darauf, dass die Situation mit jener aus 1999 und 2000 nicht zu vergleichen sei. Damals kauften die Börsianer Aktien von Unternehmen mit hohen Verlusten. Die hohen Bewertungen waren fast ausschließlich von der Hoffnung auf künftige Gewinne dank des Internetbooms getragen. Der Technologieindex Nasdaq hatte damals ein durchschnittliches Kurs-Gewinn-Verhältnis von mehr als 100. Selbst die Aktie von Nvidia, die von den Erwartungen rund um die künstliche Intelligenz angetrieben wird, bringt bloß ein es auf KursGewinn-Verhältnis
von 80. Zudem ist die Firma profitabel und schüttet eine Dividende aus.
Ähnliches gilt für die restlichen Mitglieder der Magnificent Seven. In Summe erwarten sie für 2024 milliardenschwere Gewinne bei mehr als 1,5 Billionen an Umsätzen. Es wäre absurd, Apple oder Amazon in einen Topf mit den Verlustbringern von 2000 zu werfen. Allerdings, und das ist ein Grund zur Vorsicht, beruhen die enorm hohen Kurse der Technologiegiganten auch diesmal zu einem Teil auf optimistischen Erwartungen. Was damals das Internet war, ist nun die künstliche Intelligenz. Laut dem Finanzdienstleister FactSet prognostizieren die Magnificent Seven für 2025 Umsätze von mehr als zwei Billionen Dollar. Das Verlustpotenzial ist groß, wenn dieser Wert nicht erreicht wird.
Cash auf der Seite haben
Kein Mensch kann verlässlich prognostizieren, ob sich der Aktienmarkt in einer großen Blase befindet und diese unmittelbar platzt oder ob die Rallye noch Monate oder Jahre weitergeht. Für den herkömmlichen Kleinanleger ist es wichtig, sich so zu positionieren, dass er mit beiden Szenarien leben kann. In einem diversifizierten Portfolio führt kein Weg am USMarkt und an den Magnificent Seven vorbei. Gleichzeitig hat es Sinn, genügend Bargeld auf der Seite zu haben, damit man bei Kursverlusten nicht verkaufen muss beziehungsweise zukaufen kann. Wer nach Kursrückgängen sein Portfolio schrittweise aufstockt und langfristig investiert bleibt, kann jeder potenziellen Blase relativ gelassen gegenüberstehen.