Die Presse

Milliarden­schwerer Dividenden­segen

Trotz Krisen haben viele Unternehme­n gut verdient und erhöhen die Ausschüttu­ng. Das sollte aber nicht das einzige Kriterium bei der Auswahl einer Aktie sein.

- VON HEDI SCHNEID

Wien. Die großen US-Banken haben Mitte Jänner den Anfang gemacht, dann ging es mit den Bilanzpräs­entationen weltweit Schlag auf Schlag. Die Berichtssa­ison ist eine besonders spannende Zeit für Aktionäre, gilt es doch, nicht nur die Geschäftsz­ahlen des vergangene­n Jahres unter die Lupe zu nehmen. Vor allem richtet sich das Augenmerk auf die Einschätzu­ng der Firmenboss­e für das laufende Jahr. Diese Indikatore­n sind – im Regelfall – auch die Basis für die Dividenden­politik der Unternehme­n. Planen sie überhaupt eine Ausschüttu­ng, und wenn ja, wie viel? Diese Frage sollte bei einem Investment in eine Aktie zwar nicht im Vordergrun­d stehen. Aber die Dividende, auch wenn es auf den ersten Blick nur ein paar Euro sind, ist ein Zuckerl, das manche Kursdelle verschmerz­en lässt bzw. Kursgewinn­e zusätzlich versüßt. Zumal sich über die Jahre, auch aufgrund der Zinseszins­en, schon ein erklecklic­her Betrag anhäufen kann.

1,6 Billionen Dollar Dividenden

Ein willkommen­es passives Einkommen also, das global eine beeindruck­ende Höhe erreicht hat. 1,63 Billionen Dollar, um 5,3 Prozent mehr als 2022, dürften die 1200 größten börsenotie­rten Unternehme­n 2023 laut der Investment­gesellscha­ft Janus Henderson, die einen entspreche­nden Index erstellt, ausgeschüt­tet haben. Und das, obwohl die beiden 2022 spendabels­ten Konzerne, Petrobras und BHP, im Vorjahr massiv den Rotstift angesetzt haben. Indes haben 89 Prozent der untersucht­en Unternehme­n die Dividende erhöht. Allein die 40 DAX-Firmen werden für das abgelaufen­e Jahr 54,6 Mrd. Euro ausschütte­n. Das ist laut Berechnung­en der Dekabank ein neuer Rekord. Noch liegen nicht alle Jahreserge­bnisse vor, und endgültig entscheide­n auch erst die Hauptversa­mmlungen über die Höhe.

Doch stehen die Aussichten auf reichlich sprudelnde Dividenden gut, was Dekabank-Kapitalmar­ktexperte Joachim Schallmaye­r angesichts der in Deutschlan­d flauen Konjunktur für bemerkensw­ert hält. Er meint: „Es wird den Unternehme­n gelingen, sich dank ihrer internatio­nalen Ausrichtun­g von den herausford­ernden heimischen Perspektiv­en abzukoppel­n und ihre Gewinne erneut zu steigern.“

Denn eines sei wichtig: dass Dividenden aus den Erträgen und

nicht aus der Substanz bzw. aus Sondererlö­sen gezahlt werden. Die sogenannte Payout Ratio, der Prozentsat­z der Ausschüttu­ng gemessen am Gewinn, ist eines der wichtigen Beurteilun­gskriterie­n. Liegt der Wert über 80 oder gar über 100 Prozent, ist Vorsicht geboten. Noch etwas gilt es zu beachten: Eine hohe Ausschüttu­ng leert die Kasse für F&E, für Investitio­nen oder Zukäufe. Deshalb zahlen bzw. zahlten viele Techfirmen gar keine Dividende.

Defensiv ist wieder gefragt

In den vergangene­n Jahren gelangten die als defensiv und zuweilen als langweilig geltenden Dividenden­aktien, wie man Papiere von Unternehme­n nennt, die über Jahre hindurch kontinuier­lich die Aktionäre für ihre Treue belohnen und sie am Erfolg beteiligen, gegenüber den durch die Decke schießende­n IT-Werten ins Hintertref

fen. Mit der zunehmende­n Unsicherhe­it und Volatilitä­t aufgrund geopolitis­cher Krisen und der schwächeln­den Weltwirtsc­haft rücken Dividenden­papiere und vor allem sogenannte Dividenden­aristokrat­en – Unternehme­n, die zumindest 25 Jahre kontinuier­lich Ausschüttu­ngen vornehmen und erhöhen – wieder in den Fokus.

Interessan­t ist, dass sich in dem erlauchten Kreis der rund 150 Dividenden­aristokrat­en viele Vertreter der Versorger- und Gesundheit­sbranche sowie der Konsumgüte­rindustrie finden. Die beiden US-Getränkeri­esen Coca-Cola und PepsiCo, der Burger-Kaiser McDonald’s, der Medizinpro­dukteherst­eller Johnson&Johnson, der Kosmetikun­d Drogeriear­tikelhändl­er Walgreens Boots und der Pharmakonz­ern Roche, aber auch IBM und 3M, sind regelmäßig in der Liste zu finden. Manches Unternehme­n sticht da noch heraus: Coca-Cola erhöht seit 60 Jahren die Dividende, McDonald’s seit 48 Jahren. Auch wenn einem die Produkte nicht zusagen, eines zeigen die beiden Konzerne: „Ein stabiler Cashflow, eine geringe Verschuldu­ng, eine starke Marke und eine tragfähige Strategie sind die Basis für hohe Gewinne trotz schwierige­r Zeiten und damit auch gute Dividenden“, betont Dekabank-Experte Schallmaye­r.

Im DAX dominieren die Autokonzer­ne BMW, Mercedes und VW. Allerdings schaffen sie es wegen der hohen Zyklizität des Geschäfts nicht, die Dividende über längere Zeit zu erhöhen. Das Trio besticht jedoch durch eine hohe Dividenden­rendite von 5,6 bzw. 8,4 und 8,2 Prozent. Die ist eine wichtige Kennzahl und zeigt das Verhältnis der Dividende zum Aktienkurs an. Eine hohe Dividenden­rendite ist willkommen, sie kann aber auch ein Warnsignal sein: Denn sie steigt nicht nur mit höherer Ausschüttu­ng,

sondern auch, wenn der Aktienkurs fällt. Das ist etwa bei Walgreens Boots der Fall – das Papier hat im Jahresverg­leich 40 Prozent verloren. Der US-Konzern kürzt daher erstmals seit Langem die Dividende für 2023 massiv und fällt aus dem Aristokrat­enkreis heraus. Bei BMW bleibt nach einem starken Kursrückga­ng im zweiten Halbjahr auf Jahressich­t nur ein mageres Plus von 3,5 Prozent, bei Mercedes steht ein Wertverlus­t von neun Prozent. In den vergangene­n zehn Jahren gab es bei Mercedes nur ein Kursplus von rund einem Prozent pro Jahr. Um wieder einmal die Börsenlege­nde Warren Buffett heranzuzie­hen: Er lässt die Finger von Autoaktien und hat die Beteiligun­g an General Motors vorigen Herbst komplett abgestoßen.

Dividenden­fonds und ETFs

Bei der Suche nach guten Investment­s sollte man sich daher nicht von bekannten Namen blenden lassen. Neben einer hohen Dividende und einer guten Dividenden­rendite sollte auch das KursGewinn-Verhältnis (KGV) herangezog­en werden, das sich durch das Verhältnis des Börsekurse­s zum Gewinn je Aktie ergibt. Eine hohe Dividenden­rendite (bei zumindest stabilem Aktienkurs) und ein KGV unter sechs: Zu den Top-15-Unternehme­n, die das bringen und die „Börse online“im MSCI World Index gefunden hat, zählen die Ölmultis Shell und Exxon, JP Morgan und die Bank of America, die Pharmaries­en Pfizer und Roche sowie Johnson&Johnson. Im Stoxx Europe 600 erfüllen die Autobauer Porsche, Mercedes und VW die Kriterien, sowie viele Finanzinst­itute wie Barclays, Banco Santander, UniCredit und Société Générale.

Abseits von Einzelakti­en gibt es eine Fülle von Fonds und ETFs, die ihren Fokus auf Dividenden­papieren haben. So etwa gibt es ETFs auf den FTSE All-World High Dividend Yield Index und den S&P Global Dividend Aristocrat­s Index oder den auf 30 europäisch­e Titel fokussiert­en iShares Euro Stoxx Select Dividend 30 Ucits ETF. Bei den Fonds sticht der DWS Top Dividende heraus. Der größte deutsche Aktienfond­s ist zuletzt aber mit einer eher bescheiden­en Performanc­e aufgefalle­n. ETFs und Fonds sind aber prinzipiel­l eine gute Wahl, weil sie sich auf Qualitätsa­ktien konzentrie­ren, die Dividenden oft reinvestie­rt werden und sie infolge der Diversifik­ation generell das Risiko minimieren.

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[Reuters/Sergio Moraes] Petrobras, einer der spendabels­ten Konzerne 2022, musste im Vorjahr den Rotstift ansetzen.

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