Die Presse

Im Kampf gegen Corona infiziert: keine Rente

Eine 2020 im Sanitätsst­ab tätige Mitarbeite­rin leidet bis heute unter den Folgen des Virus. Laut OGH liegt kein Dienstunfa­ll vor.

- VON PHILIPP AICHINGER

Während viele Menschen schon aus dem sicheren Home-Office arbeiteten, musste die Frau im Frühjahr 2020 in einem Großraumbü­ro tätig sein. Regelmäßig zehn oder noch mehr Mitarbeite­r waren dabei nebeneinan­der zugegen. Es gab keine Plexiglass­cheiben und in dieser frühen Pandemieze­it auch keine FFP2-Masken im Büro.

Die Frau war als Mitarbeite­rin eines Landes im Sanitätsst­ab tätig und wegen der Pandemie im Einsatz. Der Arbeitsauf­wand war hoch, teils übernachte­te die Bedienstet­e am Dienstort. Für die Fahrt dorthin wurde der Frau ein Chauffeur bereitgest­ellt. Doch die Frau infizierte sich mit Corona und leidet bis heute an den Folgen. Hat sie deswegen ein Recht auf Versehrten­rente? Eine Frage, die damit zusammenhä­ngt, ob man ihr Leid als Arbeitsunf­all sehen muss.

Dass die Frau sich im Büro infiziert hat, scheint gut möglich. Sie war vom 2. bis 4. April und vom 6. bis 8. April 2020 an ihrem Arbeitspla­tz tätig. Ihr Kind war seit Mitte März nicht mehr im Kindergart­en. Die Frau war im April nur einmal einkaufen, dies mit einer OP-Maske. Zwar erhielt die Frau am 1. April eine viereinhal­bstündige Infusion in einer Ordination, in der sie keine

Maske trug. Sie war aber allein im Raum. Am 11. April wurde die Pandemiebe­kämpferin selbst positiv auf Covid getestet, auch bei zwei Kollegen sollte der Test anschlagen. Die Frau braucht bis heute ärztliche Betreuung.

Nicht in der Liste erwähnt

Die Versicheru­ngsanstalt öffentlich­er Bedienstet­er lehnte es ab, eine Ansteckung mit Corona als Dienstunfa­ll anzuerkenn­en. Das Landesgeri­cht St. Pölten sah auch keinen Grund dafür. Krankheite­n seien über die Unfallvers­icherung nur versichert, wenn sie in Anlage 1 zum ASVG als Berufskran­kheit erwähnt werden.

Darin stehen etwa die Wurmkrankh­eit der Bergleute oder durch einen Zeckenbiss entstanden­e Krankheite­n bei Forstarbei­tern. Krebs z. B. kann in allen Branchen eine Berufskran­kheit darstellen. Bei Infektions­krankheite­n, wie Corona eine ist, werden wieder konkrete Berufe genannt: etwa Spitalsund Schulbedie­nstete, Kindergärt­ner, Apotheker oder Angestellt­e im Gesundheit­sdienst und in medizinisc­hen Labors.

Der Gesetzgebe­r habe sich bei dieser Aufzählung etwas gedacht, meinte auch das Oberlandes­gericht Wien. Wenn die Branche der Frau nicht genannt werde, könne

man ihre Krankheit nicht unabhängig davon über den generellen Unfallbegr­iff anerkennen. Eine Ansteckung, die man zunächst gar nicht merke, dürfe auch nicht mit einer „unfallähnl­ichen“Verursachu­ng wie etwa einem Zeckenbiss, Insektenst­ich oder einem Ereignis mit einer infizierte­n Nadel gleichgese­tzt werden.

Erstmals von OGH zu klären

Der Oberste Gerichtsho­f (OGH) betonte, erstmals klären zu müssen, ob eine Infektion einen Dienstunfa­ll darstellen könne. Und da Covid-19 durch ein „plötzliche­s Eindringen“der Erreger entstehe, erscheine es nicht ausgeschlo­ssen, die Infektion als Dienstunfa­ll zu qualifizie­ren. Gegen eine Anerkennun­g

spreche aber die Liste der Berufskran­kheiten.

Und der Gesetzgebe­r habe etwa beim Zeckenbiss auch den Biss extra erwähnt. „Somit sieht offenbar selbst der Gesetzgebe­r das mögliche Unfallerei­gnis nicht im ‚plötzliche­n Eindringen‘ des Virus (FSME) oder der Bakterien (Borreliose) in den Körper, sondern im (unfallarti­gen) Zeckenbiss.“

Im Ergebnis habe der Gesetzgebe­r durch die Erwähnung der Infektions­krankheite­n

und der dazu extra angeführte­n Berufsgrup­pen eine bewusste Einschränk­ung getroffen, meinten die Höchstrich­ter (10 ObS 85/23g). Man könne bei solchen Ereignisse­n deswegen nicht noch allgemein mit dem Unfallbegr­iff argumentie­ren, sofern kein unfallarti­ges Ereignis (Insektenst­ich, Biss, infizierte Nadel) vorliege.

Mangels Dienstunfa­lls erhält die Frau keine Versehrten­rente.

 ?? [APA/Neubauer] ?? Wer Coronaprob­en abnimmt, ist bei einer Infektion rechtlich besser geschützt. Im Sanitätsst­ab zu arbeiten, reicht nicht.
[APA/Neubauer] Wer Coronaprob­en abnimmt, ist bei einer Infektion rechtlich besser geschützt. Im Sanitätsst­ab zu arbeiten, reicht nicht.

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