Das rasante Überholmanöver des Auserwählten
Ferdinand Habsburg steigt als Werkfahrer von Alpine in die Topklasse der Langstrecke auf. Ein „Presse“-Gespräch über Auswahlverfahren und Ambitionen.
Wer Ferdinand Habsburg derzeit begegnet, trifft einen fröhlichen jungen Menschen. Nicht nur bestens gelaunt, sondern auch voller Energie und Tatendrang. „Jetzt weiß ich, dass meine Entscheidung damals richtig war. Jetzt bin ich angekommen“, sagt er. Welche Entscheidung? Und wo angekommen?
Die Antwort liegt im Rückblick: Ende 2018 wechselte er vom Formelsport in die DTM und zwei Jahre später zur Langstrecke.
Schon im ersten Jahr mit einem kleineren Prototyp (LMP2) wurde er Weltmeister und gewann die 24 Stunden von Le Mans. Nach zwei weiteren Jahren mit Rennsiegen, aber ohne Titel im Team WRT wurde er schon länger vom künftigen AlpineWerkteam beobachtet. „Von der Formel 3 und dann DTM auf die Langstrecke zu wechseln, war Risiko, aber es zahlte sich aus. Nach der Formel 3 wäre es zu teuer geworden. Damit wurde mein Ziel die oberste Kategorie auf der Langstrecke, also die aktuelle HypercarKlasse. Und in der bin ich nun angekommen.“Vergangene Woche wurde er wie das gesamte WECund Formel-1-Aufgebot von Alpine im Werk Enstone nahe Oxford offiziell vorgestellt.
50 Kandidaten
Habsburg fährt ab dem Saisonauftakt im World Endurance Championship am 2. März auf dem Losail-Kurs von Katar in der Topklasse. Die heuer mit Weltmeister Toyota, Peugeot, Ferrari, Porsche, Cadillac und den Neueinsteigern Alpine, BMW, Lamborghini und IsottaFraschini ein Herstelleraufkommen wie noch nie aufzuweisen hat. Dass die Franzosen aus dem Renault-Imperium auf den gebürtigen Salzburger aufmerksam wurden, zeichnete sich schon beim WEC-Finale 2022 in Bahrain ab. Habsburg bestätigt: „Wir waren schon damals einig, es ging um den Vertrag. Der wurde dann im März 2023 unterschrieben.“
Und wie kam Alpine – neben Ferrari einer von zwei Autobauern, die Formel 1 und WEC bestreiten – auf den Österreicher? Der 26-Jährige war darüber selbst erstaunt: „Alpine hat sich meine Karriere genau angeschaut. Die wussten über jedes Rennen, jedes Überholmanöver, alle Rundenzeiten Bescheid. Sie führten Buch über rund 50 Kandidaten, die alle durchleuchtet wurden. Ich hatte keine Ahnung, dass ich so unter der Lupe bin. Dass ich jetzt hier angekommen bin, ist eine Bestätigung meiner Entscheidung, diesen Weg zu gehen.“
Habsburg nennt die Verhandlungen mit Alpine „geradlinig“: „Sie wussten, was ich will, und ich wusste, was sie wollen. Es hakte ein wenig bei Details. Mit einem Werkvertrag wird es schwierig, persönliche Sponsoren mitnehmen zu können. Ich kämpfte nicht wegen des Honorars, sondern aus Loyalität zu jenen, die mir seit Jahren geholfen haben. Schließlich wurden AVL und Remus akzeptiert, ohne die meine Karriere nicht weitergegangen wäre.“
Und was ändert sich für den mittlerweile routinierten Endurance-Piloten ohne Erfahrung im Hypercar oder in einem Werkteam? „In der LMP2 hatten wir, wenn’s hoch herging, vier Ingenieure pro Auto. Dann kam ich zum ersten Test mit dem Alpine A424, und es waren 60 Techniker da. Ich brauchte eine halbe Stunde, bis ich jedem die Hand geschüttelt hatte. Da wusste ich, jetzt bist du Werkfahrer. Das Team hat auch auf der Langstrecke F1-Niveau.“
‘‘ Mir ist Rennfahren und Gewinnen wichtig, aber mir ist auch ein glückliches Leben wichtig.
Ferdinand Habsburg
Aufholbedarf
Kein Wunder, denn es profitiert von Synergien mit den F1-Kollegen: „Wir bekommen Impulse. Viele unserer Spezialisten, z. B. im Hybridsystem, kamen aus der F1Abteilung. Es macht sich auch jetzt noch das Wissen aus dem früheren Formel-E-Engagement be
merkbar.“Doch zu den Erwartungen in dieser Saison gibt sich Habsburg bei aller Euphorie realistisch. Schließlich sei Alpine wie Lamborghini ein „Neuling ohne Hypercar-Erfahrung“. „Ich wäre sehr überrascht, wenn wir gleich in den ersten Rennen mithalten könnten.“Habsburg sieht bei der Konkurrenz ein Jahr oder mehr Vorsprung.
„Es wäre naiv zu glauben, dass wir auf Anhieb ganz vorn sein können. Wir haben mit Oreca ein Chassis eines höchst erfahrenen Konstrukteurs, unser Motor war in den Tests verlässlich. Wir müssen jetzt alles zusammenführen. In der zweiten Saisonhälfte sollten wir näher dran sein.“
Mit den Teamkollegen ist er hochzufrieden. Charles Milesi war schon ein Partner im 2021er-WRT, Paul-Loup Chatin kennt er als Konkurrenten. Der einzige andere Neuzugang im Alpine-Kader ist Mick Schumacher, der mit den Routiniers Nicolas Lapierre und Mathieu Vaxivière antritt – und parallel zu den acht WEC-Rennen Reservist bei Mercedes in der Formel 1 bleibt.
Inspiriert von Fernando Alonso
Warum Habsburg den Langstreckenrennsport liebt? „Das Schöne ist das Teamgefühl. Zu dritt zu gewinnen und zu feiern ist einfach schöner als allein. Dieses Teilen gibt mir Kraft und Motivation, und dadurch fahre ich auch besser. Mir ist Rennfahren und Gewinnen wichtig, aber mir ist auch ein glückliches Leben wichtig. Das erreiche im Ausdauersport eher. Das war mir früher nicht bewusst.“
Der Bezug zu Alpine bzw. Renault reduziert sich auf die Kindheit: Da begann er sich für Motorsport zu interessieren, als Fernando Alonso im Renault F1Weltmeister wurde und er sogar einmal eine Autogrammkarte ergatterte. Sprachprobleme im französischen „Nationalteam“erwartet er als „Gastarbeiter“keine: „Rennsprache ist ja Englisch. Ich spreche kein Französisch.“Und mit einem Augenzwinkern fügt er an: „Meine Eltern können beide Französisch, sie lehrten es mich aber nicht, weil sie es als Geheimsprache für sich behalten wollten.“