Operntexte sollen bewegen
„Worum geht’s?“Wie wichtig ist es im Musiktheater, das zu wissen?
Leidenschaftliche Reaktionen bekam der jüngste „Musiksalon“-Podcast, in dem es wieder einmal um die Frage geht, wie sinnvoll die komplette Umstellung des Opernrepertoires auf Originalsprache ist. Da schreibt ein Hörer: „Tatjanas Briefszene in Tschaikowskys ,Eugen Onegin‘ auf Russisch lässt mich kalt. Wie anders ist es auf Deutsch.“Ich kontere dann gern mit meinem Lieblingsbeispiel: Wie kalt ist es mir immer über den Rücken gelaufen, wenn die Küsterin am Ende des zweiten Akts von Janáčeks „Jenufa“aufschrie: „Grad, als hätt’ der Tod hier hereingegrinst!“
Längst heißt es auch in der Staatsoper „Jako by sem smrt načuhovala“, und man bildet sich – vielleicht vergangenheitsverklärend – ein, der Paukist fährt dann mit seinem Solo nicht mehr so markerschütternd drein wie ehedem. Sicher ist, heute müssen junge Opernfreunde die Texte auf den Übertiteln oder im Untertitelsystem mitlesen, um zu wissen, was gerade geschieht.
Vielleicht ist die Handygeneration, die ohnehin ununterbrochen irgendetwas auf einem Display liest oder schreibt, gar nicht irritiert davon. Sie wird aber nie etwas von der Faszination des unmittelbaren Musiktheatererlebnisses mitbekommen. Jedenfalls erinnert die Tatsache, der dieser Podcast seine Entstehung verdankt, an die vertrackte Situation unserer Opernszene. Hat die Kulturpolitik den Direktionen von Volks- und Staatsoper eigentlich den Auftrag erteilt, in Zusammenarbeit ein möglichst breit gefächertes Repertoire aufzustellen? Bundestheater sollten ja wohl die Entdeckerfreude eines neuen Publikums wecken, indem sie wichtige Werke erstens erkennbar, zweitens (Text) verständlich aufbereiten.
Werke wie „Salome“, „Tosca“, oder „Turandot“auch im Haus am Gürtel zu spielen hat im Sinne der Repertoire-Bandbreite gar keinen Sinn. Schon gar nicht, wenn man die italienischen Stücke, die ebenso am Ring zu sehen sind, auch auf Italienisch gibt. Gewiss möchte man, um das aktuelle Beispiel zu nennen, die wichtigsten Sänger der Welt in Puccini-Opern an der Staatsoper erleben – um diese glamourösen Gastspiele zu ermöglichen, hat Herbert von Karajan ja einst die Werke in der Originalsprache einstudieren lassen.
Aber die berührende Handlung einer „Bohème“erschließt sich für den Einsteiger nur, wenn die vielen Pointen wie im Sprechtheater auch verständlich sind. Dafür war früher die Volksoper zuständig. Heute muss, pardon: darf man ins Badener Stadttheater pilgern, wo ja auch die Operettentradition hochgehalten wird. „Die Bohème“heißt es dort auch an den kommenden Wochenenden. Baden reichert Wiens Repertoire sinnvoll an…
„Jako by sem smrt načuhovala“packt mich nicht wie „Grad, als hätt’ der Tod hier hereingegrinst“.