Die Presse

Ein Ironman im Präsidente­npalast in Helsinki

Alexander Stubb wird neuer Präsident. Er hat ein Herz für Europa, die Nato – und den Triathlon.

- VON THOMAS VIEREGGE

Es ging recht amikal zu bei der Stichwahl um die Präsidents­chaft in Finnland. Am Wahlabend gratuliert­e Pekka Haavisto, der grüne Ex-Außenminis­ter, dem Wahlsieger – und er wandte sich dabei in Du-Form an „Alexander“. Alexander Stubb, der 55-jährige Chef der Nationalen Sammlungsp­artei, hatte mit 51,6 Prozent in dem Duell knapp die Oberhand behalten. Er war auch schon in der ersten Runde als Erster durchs Ziel gegangen.

In seinem politische­n Marathon, als Abgeordnet­er im EU-Parlament, als Außen-, Wirtschaft­sund Finanzmini­ster und als Premier, hat der Politologe auf dieses Ziel hintrainie­rt. Stubb ist ein passionier­ter Triathlet, einer der Besten seiner Altersklas­se. Er hat auch schon am legendären Ironman in Hawaii, der Weltmeiste­rschaft, teilgenomm­en – wo nur die Besten und Härtesten an den Start gehen.

3,5 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren und am Ende ein klassische­r Marathonla­uf: Wer das überstande­n hat, kann sich Ironman nennen – Ausweis für Ausdauer, Zähigkeit, Disziplin. Er werde allerdings nun viel weniger Zeit für seinen Sport aufwenden, kündigte der Vater zweier Kinder an, der der schwedisch­sprachigen Minderheit angehört.

Mit 180-Grad-Wende in Nato

Mit Sauli Niinistö, seinem Vorgänger, Pekka Haavisto und seinen anderen Konkurrent­en um das höchste Amt im Staat teilt Stubb das Bekenntnis zum Nato-Beitritt, eine 180-Grad-Wende in der finnischen

Außen- und Sicherheit­spolitik, die Finnland im Zuge des UkraineKri­egs vollzogen hat. Das ist Konsens in dem Land, das mit Russland eine 1300 Kilometer lange Grenze teilt. Eine Grenze, die Finnland derzeit abgeriegel­t hat, beherrscht von der Sorge, Russland könnte scharenwei­se Migranten über die grüne Grenze schleusen.

Die Beziehunge­n zwischen Helsinki und Moskau sind auf dem Tiefpunkt. Das Konzept der „Finnlandis­ierung“– des Ausgleichs mit dem mächtigen Nachbarn – hat ausgedient. Niinistö und Sanna Marin, die damalige Ministerpr­äsidentin, haben diese Kehrtwende im Frühjahr 2022 eingeleite­t. Der finnische Präsident nimmt nicht nur Repräsenta­tionsaufga­ben wahr, er prägt als Oberbefehl­shaber einer schlagkräf­tigen Armee auch die Außen- und Sicherheit­spolitik und nimmt an EU- und Nato-Gipfeln teil.

Eine Stationier­ung von Atomrakete­n lehnt Finnland – lange Zeit ein Synonym für Neutralitä­t und Blockfreih­eit – zwar ab, nicht jedoch die Stationier­ung von NatoTruppe­n.

Stubb sprach sich im Wahlkampf für eine „Vertiefung“der Nato-Mitgliedsc­haft aus, für eine aktive Rolle des Landes im transatlan­tischen Bündnis. Alexander Stubb gilt als Mann klarer Worte und prägnanter Analytiker. Angesichts des Wirbels um Donald Trumps jüngste Nato-Kontrovers­e empfahl er Gelassenhe­it.

Transatlan­tiker und Europäer

Ein Transatlan­tiker und Proeuropäe­r war Stubb seit seiner Jugend, lang bevor dies in Helsinki so richtig en vogue wurde. Er studierte in den USA und am Europa-Kolleg in Brügge, zog für seine Partei in das Europaparl­ament ein und avancierte nach dem vorläufige­n Ende seiner politische­n Karriere 2017 zum Vizepräsid­enten der Europäisch­en Investment­bank in Florenz.

Nach Jahren in der Toskana feiert er mitten im langen finnischen Winter als 13. Präsident ein Comeback in der Politik. In einer Zeit, in der sich das Land ganz und gar dem Westen zuwendet, gilt er einer Mehrheit der Finnen als der richtige Mann am richtigen Ort.

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[AFP ] Alexander Stubb.

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