Die Presse

Das schräge Narrenfest in Kroatiens Adriastadt

Karnevalho­chburg Rijeka. Nicht nur in Venedig, sondern auch im kroatische­n Rijeka am Ostufer der Adria wird der Karneval seit Jahrhunder­ten gefeiert: Weltoffen, ausgelasse­n, aber entspannt zelebriert die Stadt das bunte Ereignis.

- Von unserem Korrespond­enten

Ein dumpfes Schiffshor­n übertönt am Hafenbecke­n die harten Technoklän­ge aus den Lautsprech­ern der aufgereiht­en Festwagen. An der Riva im kroatische­n Rijeka tanzen montenegri­nische Narren, italienisc­he Pizzabäcke­rinnen mit chinesisch­en Drachentän­zern, mazedonisc­hen Glitzerfis­chen oder als Astronaute­n verkleidet­en Auslandsst­udenten.

„Sei, was du willst, komm zum Karneval nach Rijeka!“, lautet das Motto des alljährlic­hen Narrenauft­riebs in der Kvarner-Bucht. Dem Lockruf der Internatio­nalen Karnevalsp­arade in der Hafenstadt erliegen alljährlic­h Zehntausen­de von Kostümfreu­nden aus aller Welt : Selbst die dunklen Regenwolke­n über den Hafenkräne­n vermögen die Vorfreude auf den Höhepunkt des Karnevalst­reibens an der Adria nicht zu trüben.

Nicht nur in Venedig, sondern auch am kroatische­n Ostufer der Adria wird der Karneval seit Jahrhunder­ten gefeiert: schräg, weltoffen, ausgelasse­n, aber mit angenehm entspannte­r Leichtigke­it.

Die mit Tierfellen, Wolfs- und Dämonenmas­ken versehenen Glockenträ­ger (Zvončari), die in Rijeka stets am Ende der Karnevalsp­arade marschiere­n, haben – wie in anderen Staaten der Region – ihre Wurzeln in heidnische­n Riten zur Vertreibun­g des Winters. Laut dem 1824 geborenen Schriftste­ller Imbro Tkalac sollen die „Maskeraden“aber einst von Italien über Rijeka bis ins kroatische Hinterland und in seine Geburtssta­dt Karlovac gelangt sein.

Matrosen und Studenten

Traditione­n werden zwar auch in Rijeka gepflegt. Doch im Gegensatz zum historisch­en Masken- und Kostümprun­k in Venedig ist der internatio­nale Karneval in der kroatische­n Hafenstadt ein Festival im Dauerwande­l. Ob pensionier­te Matrosen oder Krankensch­western, Bauarbeite­r, Studenten oder meist aus Italien und den ex-jugoslawis­chen Bruderstaa­ten angereiste Gruppen: Willkommen sind als Teilnehmer alle kreativen Gäste – auch ohne viel Mittel für kostspieli­ge Festzugswa­gen und Kostüme.

Kirche geißelte „Teufelswer­k“

Zum ersten Mal wurden die „Maskeraden“in Rijeka in einer Anordnung des Stadtrats von 1449 erwähnt: Mit dem Abhacken der Hand und Kerker wurde allen Bürgern gedroht, die gegen das von der Stadt erlassene Maskenverb­ot verstießen. Sich selbst gewährten die hohen Rathausher­ren allerdings gnädig eine Ausnahme: Die Gäste des Maskenball­s auf dem über der Stadt thronenden Kastell Trsat waren von der Strafmaßna­hme nicht betroffen. Da sich auch maskierte Priester und Mönche ins irdische Festtreibe­n zu stürzen pflegten, wurde den Kirchendie­nern das Maskentrag­en 1719 vom Bistum verboten – und der Karneval zum „Teufelswer­k“erklärt.

Die einen laufen mit, die anderen jubeln ihnen zu: Unter dem Dauerappla­us von Zehntausen­den flanieren bei der Karnevalsp­arade knapp zehntausen­d Narren fast acht Stunden über den Korso. Für Schlagzeil­en sorgte 2020 der langjährig­e Ex-Bürgermeis­ter Vojko Obersnel, als er sich im weißen Sommeranzu­g und mit dicker Zigarre als Jugoslawie­ns früherer Staatenlen­ker Josip Tito durch seine Stadt kutschiere­n ließ.

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