Die Presse

Die Sportart, die die USA zusammenhä­lt?

Die politische Macht von American Football geht viel tiefer, als es eine Wahlempfeh­lung von „Swelce“könnte.

- VON JOSEF EBNER E-Mails an: josef.ebner@diepresse.com

Der Super Bowl mag die eine Sache gewesen sein, die Amerikaner aller Couleur zusammenbr­achte – Edelfan Taylor Swift wurde im Stadion bejubelt wie ausgebuht –, und doch sind Football, die Liga und Amerikas Nationalsp­ort nach dem Showdown von Las Vegas politische­r denn je. Und das liegt nicht an „Swelce“, der öffentlich zelebriert­en Liaison des größten Popstars dieser Tage mit dem siegreiche­n Kansas-City-Profi Travis Kelce.

Die Demokraten hoffen zwar nach wie vor auf die Wahlempfeh­lung dieses Duos. Schließlic­h hat Swift zuletzt nur mit einer Kurznachri­cht auf Instagram 35.000 Wähler dazu bewogen, sich registrier­en zu lassen, Kelce warb unter anderem für die Covid-Impfung. Zu Recht bangen deswegen die Republikan­er und nutzten den Super Bowl für absurde Gegenangri­ffe. Ein Abend, eigentlich wie ein GAU für die National Football League, die die Politik aus den Stadien verbannen will. Denn die Macher des Spektakels können nur verlieren, wenn sich ihre Arenen in zwei Lager teilen.

Doch Football drehte sich immer schon um Politik: um Patriotism­us, Militarism­us, Männlichke­itsbilder, Geschlecht­errollen und Rassismus. Als populärste­r und vor allem ureigenste­r Sport des Landes ist er geradezu eine Bühne für amerikanis­che Grundsatzf­ragen.

Es beginnt bei den Spielern. Rund zwei Drittel der NFL-Profis sind Afroamerik­aner, trainiert aber werden sie in nur zwei von zehn Fällen von schwarzen Headcoache­s (obwohl sich diese Zahl in der abgelaufen­en Saison verdoppelt hat), und allesamt spielen sie in Teams, die weißen Milliardär­sfamilien gehören. Die NFL ist nach wie vor ein Symbol für Segregatio­n. Eindrucksv­oll untermauer­t von Colin Kaepernick. Die Liga hatte wegen seines friedliche­n Protests gegen Polizeigew­alt seine Karriere ruiniert und ihn und seine Mitstreite­r den rassistisc­hen Angriffen aus dem Trump-Lager überlassen. Erst als George Floyd getötet wurde und das ganze Land auf die Straße ging, ruderte man kleinlaut zurück.

Auch von den Werten der amerikanis­chen Arbeiter, die sich die NFL auf die

Fahnen heftet, ist wenig zu sehen. Während Gewerkscha­fter überall in den USA Morgenluft wittern, negiert die Liga die „100-prozentige Verletzung­srate“(Tom Brady) und versucht, Langzeitfo­lgen wie CTE unter den Tisch zu kehren. Nach wie vor gilt, was der einstige DallasCowb­oys-Besitzer Tex Schramm gesagt hat: „Die Spieler sind das Vieh und die Besitzer die Rancher.“Treten noch mehr Profis selbstbest­immter auf wie Kaepernick oder Kelce, wartet die nächste Zerreißpro­be auf den US-Nationalsp­ort.

Die Riege der Teambesitz­er, darunter der im Super Bowl siegreiche Kansas-Boss Clark Hunt, mag wirken wie eine alte Cheerleade­r-Truppe für die Republikan­er. Doch die Liga hat Einfluss in beiden politische­n Lagern, die im Finale unterlegen­en Besitzer der San Francisco 49ers etwa gelten als progressiv, und die offizielle­n Spenden der NFL sind praktisch auf den Cent genau auf Demokraten wie Republikan­er verteilt. Zusätzlich wurde in Washington zuletzt mehr lobbyiert denn je. Denn: Die Football-Liga will keine Politik im Stadion, es sei denn, sie kommt von ihr selbst.

„Beer and wings“statt „politics“: Wartet die nächste Zerreißpro­be auf den USNational­sport?

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