Neue Spielregeln für’s Bauen
Ein Jahr dauerte die Entwicklung der Wiener Bauordnung. Sie soll die Dekarbonisierung erleichtern und die Erhaltung älterer Bausubstanz fördern.
Seit Ende 2023 hat Wien eine neue Bauordnung. Sie soll vor allem die Verwirklichung der Klimaziele erleichtern. So etwa gibt es einfachere und schnellere Verfahren für den Umstieg auf erneuerbare Energie. Erdwärmesonden sind nun bewilligungsfrei. Für die Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen an einem Gebäude sind Ausnahmen vom Bebauungsplan zulässig. Eine Reihe anderer Maßnahmen unterstützt ebenfalls die Dekarbonisierung. Beispielsweise wurde die Pflicht zur Errichtung von Solar- oder Fotovoltaikanlagen im Neubau erweitert. Outdoorparkplätze mit mehr als fünf Abstellplätzen müssen jetzt mit Bäumen bepflanzt und mit E-Ladepunkten ausgestattet werden. Ebenfalls rechtlich erleichtert wurde die Begrünung von Dächern und Fassaden.
Altbauten besser schützen
Ein weiterer Fokus der neuen Bauordnung liegt auf besserem Schutz von Altbauten. Für die Entscheidung, ob ein vor 1945 errichtetes Bauwerk abgerissen oder saniert werden soll, ist nun die Beurteilung durch einen von der Behörde bestellten Gutachter erforderlich. Bei der wirtschaftlichen Zumutbarkeit einer Sanierung werden keine Kosten mehr berücksichtigt, die durch unterlassene Instandhaltungsmaßnahmen entstanden sind. Damit will man der gezielten Vernachlässigung von Gebäuden einen Riegel vorschieben. Strengere Regeln bringt die neue Bauordnung für Kurzzeitvermietungen von Wohnraum – Stichwort Airbnb – und die Errichtung von Einkaufszentren.
In die Erarbeitung der neuen Bauordnung, die ein Jahr dauerte, waren alle Stakeholder eingebunden. Auch die WK Wien war mit ihren Experten von Anfang an dabei und konnte Wichtiges für die Wirtschaft erreichen. So wurde verhindert, dass die Vorschriften für die gärtnerische Gestaltung von Freiflächen betriebliche Außenflächen erfassen, die häufig als Lager- oder Rangierfläche gebraucht werden. Abwenden konnte die WK Wien auch Verschärfungen im Zusammenhang mit dem Erhalt des Stadtbildes und die Ausweitung der Schutzzonenregelung auf alle Gründerzeithäuser. Beides hätte nahezu alle Bau- und Umbauarbeiten an Gründerzeitbauten und in Schutzzonen unmöglich gemacht.
Mario Watz, Innungsmeister des Wiener Baugewerbes, begrüßt diesen Schritt: „Die Sanierung von Bestandsgebäuden zählt zu den Kernkompetenzen des Wiener Baugewerbes.“Die Erhaltung von Gebäuden schone Ressourcen, betont Watz, aber die ambitionierten Klimaziele stellen alle am Baugeschehen Beteiligten vor neue Herausforderungen. Ihre Umsetzung werde vieler neuer oder angepasster Vorgangsweisen bedürfen. Das Baugewerbe sei sich seiner wichtigen Rolle zur Erreichung der Klimaziele bewusst. „Wünschenswert wären flankierende Förder- und Unterstützungsmaßnahmen seitens der öffentlichen Hand, um Auftraggebern das Sanieren zu erleichtern“, betont der Innungsmeister.
Die neue Wiener Bauordnung bringt auch eine wichtige Kompetenzerweiterung für Baumeister. Wie bisher bereits Ziviltechniker und gerichtlich beeidete Sachverständige dürfen jetzt auch Baumeister Bauwerksbücher erstellen. Diese von der WKW erreichte Kompetenzerweiterung schafft ein neues Betätigungsfeld für planerisch tätige Baumeister. Die Bücher – sie beinhalten alle aus Sicherheitsgründen regelmäßig zu überprüfenden Bauteile – sollen bis 2030 für alle Gebäude verpflichtend sein.
Bau prägt das Stadtbild
Die Bauordnung und die Veränderung von Technik und Zeitgeist prägen das Stadtbild, betont Watz. Er ist überzeugt, dass Wien durch intelligente Planung weiterhin eine lebens- und liebenswerte Stadt bleiben wird – „an manchen Ecken mit modernem Baustil, an anderen klassisch. Wir Baumeisterinnen und Baumeister werden auf alle Fälle unseren Beitrag leisten.“