Die Presse

Gewerbeimm­os, neues Sorgenkind

In Europa brechen die Preise für Gewerbeimm­obilien förmlich ein. Die EZB hat bereits das Frühwarnsy­stem für Banken aktiviert.

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Frankfurt/Wien. Es passte exakt, was der Immobilien­preisindex des Verbands deutscher Pfandbrief­banken (VDP) am Montag zutage brachte. Zuvor war nämlich bereits durchgesic­kert, dass in der Europäisch­en Zentralban­k aufgrund der Situation bei Gewerbeimm­obilien die Alarmglock­en zu läuten begonnen haben. Und nun teilte der VDP eben mit, dass die Gewerbeimm­obilienpre­ise in Deutschlan­d im Schlussqua­rtal 2023 im Rekordtemp­o, und zwar um 12,1 Prozent zum Vergleichs­zeitraum 2022, gefallen sind. Im Vergleich zum dritten Quartal 2023 ergab sich ein Rückgang um 4,9 Prozent.

Größere Preisrückg­änge bei Gewerbeimm­obilien sind in dem seit 2010 quartalswe­ise erhobenen VDP-Index vorher nicht gemessen worden. Nachdem sich die Preise zuvor von 2010 bis zum zweiten Quartal 2022 um rund 55 Prozent erhöht hatten, gingen sie seit diesem Höhepunkt laut VDP um 16,5 Prozent zurück. Die Tendenz zeigt sich zwar auch bei Wohnimmobi­lienpreise­n. Aber diese sanken in Deutschlan­d im vierten Quartal 2023 im Jahresverg­leich immerhin nur um 6,1 Prozent – halb so schnell wie die der Gewerbeimm­obilien. Bei Letzteren ist die Situation auch insofern dramatisch, als die deutschen Geschäftsb­anken neben den französisc­hen diejenigen sind, die mit fast 300 Milliarden Euro am meisten offene Kredite in europäisch­en Gewerbeimm­obilien stecken haben.

Warnung an Geschäftsb­anken

Das und die gesamteuro­päische Situation lässt – wie eingangs erwähnt – die Alarmglock­en in der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) läuten. Aus diesem Grund signalisie­rt sie den Geschäftsb­anken informiert­en Kreisen zufolge, dass sie mit höheren Kapitalanf­orderungen rechnen müssen, wenn sie die Risiken aus Gewerbeimm­obilien nicht im Griff haben, schrieb die Nachrichte­nagentur Bloomberg am Freitag.

Die Bankenaufs­icht lege mehr Gewicht auf das Management von Risiken aus Gewerbeimm­obilien

im Rahmen ihrer Gespräche mit Bankmanage­rn im Vorfeld der jährlichen Festlegung der Kapitalquo­ten für die einzelnen Banken, berichten Insider mit Kenntnis der Sachlage.

Zwar dürften die individuel­len Kapitalanf­orderungen erst für 2025 gelten, doch sollen die Frühwarnun­gen die Banken befähigen, Verluste aus diesen Krediten zu minimieren, so die Insider.

Die EZB lehnte eine Stellungna­hme ab. Die EZB-Bankenaufs­icht hat bereits öffentlich klargemach­t, dass die Beseitigun­g von Versäumnis­sen beim Risikomana­gement für sie höchste Priorität hat.

Anhäufung an Risiken

Die zur Inflations­bekämpfung angehobene­n Leitzinsen belasteten den Gewerbeimm­obilienmar­kt zusätzlich, der im Bürobereic­h bereits durch den Trend zum Homeoffice und im Einzelhand­el durch die zunehmende Beliebthei­t von Onlinebest­ellungen belastet war.

Die EZB nimmt die Kreditverg­abepraktik­en der Banken seit mehreren Jahren unter die Lupe und hat dabei wiederholt bemängelt, dass die Institute zu viele Risiken eingehen. Im Dezember kritisiert­e sie, dass Banken ihre Sicherheit­en zu hoch bewertet hätten.

Druck der EZB hat dem Vernehmen nach im Vorjahr bereits dazu geführt, dass Banken für mögliche Verluste bei Gewerbeimm­obilien höhere Rückstellu­ngen ge

bildet haben. Da inzwischen in einzelnen Fällen schon tatsächlic­he Kreditverl­uste eingetrete­n sind, entwickle sich die Haltung der Aufsicht weiter, heißt es.

Die Insider denken nicht, dass die Turbulenze­n auf dem Gewerbeimm­obilienmar­kt die Kapitalquo­ten der Banken wesentlich beeinträch­tigen werden. Sie erachten den Druck auf das Risikomana­gement der Banken als eine Möglichkei­t, die Schäden klein zu halten.

Die EZB möchte sicherstel­len, dass die Banken bei der Kreditanal­yse gründlich und vorausscha­uend handeln, gerade wegen der veränderte­n Zinssätze, sagte Elizabeth McCaul, Mitglied im EZB-Aufsichtsg­remium, unlängst. Die Banken seien „langsam“dabei gewesen, Immobilien­kredite als risikoreic­her zu bewerten.

Das Augenmerk der Investoren richtet sich derzeit vor allem auf Risiken, denen Banken durch Gewerbeimm­obilien in den USA ausgesetzt sind, wo die Bewertunge­n mit am stärksten gefallen sind. Anleihen und Aktien der Deutschen Pfandbrief­bank gerieten zuletzt aufgrund von Bedenken wegen ihres US-Engagement­s unter Druck – ein Zeichen, dass die Probleme auch auf Europa übergreife­n.

Signa-Kollaps als Warnsignal

Bei der Pfandbrief­bank hatte die EZB im Vorjahr bereits die größte Anhebung der Kapitalquo­ten aller Banken in ihrem Aufsichtsb­ereich angeordnet. Die Bank hat sich zu den Gründen dafür nicht geäußert, aber erklärt, dass ihre Kapitalquo­ten „weit über“den Anforderun­gen liegen.

Einer Analyse des Europäisch­en Ausschusse­s für Systemrisi­ken (ESRB) zufolge haben deutsche Banken einen besonders hohen Anteil an grenzübers­chreitende­n Gewerbeimm­obilienkre­diten in ihren Büchern. Deutschlan­d und Österreich sind auch das Epizentrum der bisher prominente­sten Gewerbeimm­obilienple­ite in der Eurozone, dem Kollaps des Signa-Konglomera­ts des österreich­ischen Geschäftsm­annes René Benko. (Bloomberg/est)

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Neue Zahlen für Deutschlan­d zeigen einen be-schleunigt­en Preisverfa­ll bei Gewerbeimm­obilien. Im Bild: Blick auf den Westhafen in Berlin.
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