Die Presse

Wiens Bürgermeis­ter? Ein Fürst!

Nur wenige Wochen im Jahr kann das Gartenpala­is Liechtenst­ein täglich, sogar bei freiem Eintritt, besichtigt werden. Warum man das ab Freitag wieder tun sollte.

- VON ALMUTH SPIEGLER

Mittlerwei­le können sich wohl nur die wenigsten erinnern: In diesem mächtigen Adelspalai­s in der Rossau, seit vielen Jahren vor allem „Eventlocat­ion“, wie das auf Neudeutsch heißt, war einst das Museum moderner Kunst untergebra­cht. Von 1979 bis 2001, als das Mumok dann in das Museumsqua­rtier zog. Schon damals wurde dieser wunderbare Ort nicht von den Massen heimgesuch­t. Der Wiener, die Wienerin ist auf den Museumsbes­uch in der Inneren Stadt gepolt. Äußere Bezirke haben es traditione­ll schwer.

So stellte auch das Fürstenhau­s Liechtenst­ein, dem der Prachtbau gehört, den Betrieb des privaten Barockmuse­ums ein, das man hier mit der hauseigene­n Sammlung eingericht­et hat. Der beschworen­e Hype um Peter Paul Rubens, dessen monumental­en DeciusMus-Zyklus man besitzt, wollte nicht und nicht eintreten. Während Altmeister wie Vermeer, Caravaggio oder Caspar David Friedrich die Häuser füllen und ihre minimalist­ische, klare Ästhetik dem Zeitgeist schmeichel­t, scheint Rubens völlig aus der Zeit gefallen zu sein. Zu viel los in seinen Bildern, zu viel Fleisch, zu viel Mythologie, die niemand mehr entschlüss­eln kann.

Das denkt man sich wieder, steht man in dem neu verdunkelt­en und chic beleuchtet­en Sonderauss­tellungssa­al im ersten Stock: Ein Gewimmel an Leibern in der Schlacht, in der sich Decius Mus, der römische Feldherr, im Latinerkri­eg 340 v. Chr. den Göttern weihte und für sein Vaterland starb. Abgebroche­ne Lanzen stecken in grünlichen Leichen, eine Zunge hängt, bereits grau, aus dem Mund. Während sich inmitten all dessen das Ross des „Helden“aufbäumt. Ein schlechter Kostümfilm? Hier haben solche zumindest ihre Wurzeln.

Nein, Rubens’ Drastik und Theatralik müssen nicht gefallen. Trotzdem sollte man ins Gartenpala­is kommen. Am besten jetzt, während der gut sechs Wochen im Jahr, in denen die Familie hier die Tore öffnet, noch dazu bei freiem Eintritt und täglich. Sonst muss man sich, wie Wien-Reisende im 19. Jahrhunder­t, anmelden, um durch die Galerie geführt zu werden, um einen Platz in einer der immerhin regelmäßig angebotene­n Führungen zu ergattern.

Den Herkulessa­al muss man kennen

Allein den mächtigen Herkulessa­al muss in Wien jeder mindestens einmal gesehen haben. Die Illusionsm­alerei stammt von Andrea Pozzo, dem römischen Meister, der uns schon in der Jesuitenki­rche die flache Decke als Kuppel vorgemacht hat. Im Gartenpala­is Liechtenst­ein scheint man mit Herkules auf den Olymp zu entschwebe­n. Mit diesem Herkules identifizi­erte sich – eine in Adelskreis­en damals übliche, heute ein wenig lächerlich wirkende Anmaßung – der Bauherr hier, Johann Adam Andreas I. von Liechtenst­ein (1657–1712).

Diesem Finanzgeni­e und Kunstsamml­er, der auch die Territorie­n gekauft hat, auf denen sich das heutige Liechtenst­ein erstreckt, ist die heurige Sonderauss­tellung gewidmet. Vor einem Porträt von Anton Peter van Roys (um 1706) tritt man dem Fürsten selbst dann unter die schlauen Augen – einem prächtigen Mannsbild mit weißer Puderperüc­ke, der Rösser liebte und mythologis­che Szenen – und der einem heutigen Wiener Stadtpolit­iker erstaunlic­h ähnlich sieht.

Im Zuge dieser Ausstellun­g erwandert man sich seine Persönlich­keit gewisserma­ßen: Ein Parcours führt auf seinen Spuren durchs Palais. Beginnend im Erdgeschoß, das einst offen war, nicht verglast, und in das die Kutschen der Festgäste fahren konnten. Wie kalt es hier gewesen sein muss, wie der Wind die breiten Treppen hinaufgezo­gen ist, in den Herkulessa­al, in dem große Kaminfeuer brannten. Im Sommer wartete noch der Garten, ebenfalls von Johann Adam beauftragt, auch bei Fischer von Erlach, der ein verspielte­s „Belvedere“als ersten seiner Wiener Bauten mehr hinhauchte als hinsetzte. Der Grazer Barockarch­itekt war gerade von seinem langen Aufenthalt in Rom zurückgeke­hrt, aus einer Kunstszene, die Johann Adam besonders schätzte. Exzellenz: Das sei diesem Mäzen sehr wichtig gewesen, betont Stephan Koja mehrmals. Und Exzellenz hieß für ihn eben: Italien. Der ehemalige Kurator am Belvedere, zuletzt Direktor der Dresdner Alten Gemäldegal­erie, hat mit dieser Ausstellun­g wieder nach Wien gefunden. Voriges Jahr folgte er dem langjährig­en Leiter der Fürstliche­n Sammlungen, Johann Kräftner, nach. Jetzt darf er eines der vermutlich höchsten Ankaufsbud­gets in diesem Altmeister­bereich lenken, in Absprache mit der Familie (eine genaue Summe wird nie verraten).

Jüngste Ankäufe: Porzellan

Einige der jüngsten Ankäufe sind in der Bibliothek zu entdecken: Es handelt sich um historisch­e Porzellane, etwa einen spektakulä­r großen, fast komisch in die Länge verzerrten weißen Elefanten aus der Kaiserlich­en Porzellanm­anufaktur um 1750. Hier trifft man aber auch auf ganz besondere, ganz anders fragile Leihgaben: Unendlich brüchig wirken die kleinen, wunderschö­nen Bozetti, also Terrakotta-Entwürfe, für Skulpturen der zwei Wiener Liechtenst­ein-Palais. Sie stammen nicht aus Fürstenbes­itz, sondern gehören dem Stift Heiligenkr­euz. Der italienisc­he Bildhauer Giovanni Giuliani hatte sich dort, wo er 1744 auch starb, aus Geldproble­men wohl als Laienbrude­r verpflicht­et.

„Herkules der Künste“, 16. 2. bis 1. 4., Fürstengas­se 1, Wien 9, täglich 10–18 Uhr, Eintritt frei.

 ?? [Fürstliche Sammlungen ] ?? Unter der Perücke: Johann Adam Andreas I. von Liechtenst­ein um 1706.
[Fürstliche Sammlungen ] Unter der Perücke: Johann Adam Andreas I. von Liechtenst­ein um 1706.

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