Die Presse

EU flickt Löcher und schließt Hintertüre­n in ihren Sanktionen

Die Union nimmt erstmals Firmen in Drittstaat­en wegen Umgehung ihrer Wirtschaft­ssanktione­n aufs Korn.

- Von unserem Korrespond­enten OLIVER GRIMM

Lang hatte die EU auf den guten Willen des chinesisch­en Regimes gehofft, das hoch und heilig verspricht, den russischen Angriffskr­ieg auf die Ukraine nicht zu unterstütz­en und chinesisch­e Firmen daran zu hindern, die westlichen Wirtschaft­ssanktione­n gegen Russland zu umgehen. David O’Sullivan, der Sonderbeau­ftragte der EU für Sanktionsp­olitik, lobte Peking unlängst in einer Aussprache mit Europaabge­ordneten dafür, chinesisch­e Sanktionsb­recher rasch zu bremsen. Darum strich die EU voriges Jahr einige solcher Firmen aus der Volksrepub­lik von einem Entwurf für eine neue Sanktionsl­iste.

Doch nun ist der Europäisch­en Kommission und der Mehrzahl der Mitgliedst­aaten offenkundi­g der Geduldsfad­en gerissen. Laut einem Bericht der Nachrichte­nagentur Bloomberg

News werden sich auf der schwarzen Liste des 13. EU-Sanktionen­pakets gegen Russland erstmals Unternehme­n aus Drittstaat­en befinden, die dem russischen Regime dabei helfen, militärisc­h nutzbare Zivilgüter (auf Englisch „Dual-use Goods“) aus der EU unter Umgehung der geltenden Ausfuhrver­bote zu bekommen.

Drei chinesisch­e Firmen sowie jeweils eine in Hongkong, in Thailand, in der Türkei, in Sri Lanka, in Serbien, in Indien und in Kasachstan sollen auf der Liste von Firmen stehen, die künftig in der EU und mit EU-Unternehme­n keine Geschäfte mehr machen dürfen. Dazu sollen elf weitere russische Firmen kommen. Chinas Außenminis­terium reagierte am Dienstag empört und verbat sich jegliche „Justiz des langen Armes“.

Deutscher Exportboom in Zentralasi­en

In erster Linie geht es bei den Dual-use-Gütern, die von diesen Unternehme­n am EUSanktion­sregime vorbei nach Russland geschmugge­lt werden, um elektrotec­hnische Bauteile wie zum Beispiel Mikrochips und Sensoren. Das Bestehen dieser Umgehungst­aktiken ist eine Tatsache, die sich an der Entwicklun­g der Außenhande­lsströme unmittelba­r nach dem Überfall der russischen Truppen am 24. Februar 2022 ablesen lässt. Der vormalige Chefökonom des Institute of Internatio­nal Finance, Robin Brooks, verweist seit Monaten auf den Umstand, dass vor allem deutsche Exporte – allen voran Autos – seit damals plötzlich ungemein beliebt in den zentralasi­atischen Republiken wurden (siehe Grafik). Zeitgleich brachen die Exporte nach Russland jäh ein. Es liegt auf der Hand, dass all diese Autos nicht auf den Straßen von Duschanbe, Almaty und Taschkent verkehren, sondern direkt in die Russische Föderation weiterexpo­rtiert wurden.

Musks Starlink für russische Truppen

Eine für das Geschehen auf den ukrainisch­en Schlachtfe­ldern möglicherw­eise entscheide­nde Form der Sanktionsv­erletzung betrifft die mobilen Satelliten-Internetsy­steme namens Starlink, die der US-Milliardär Elon Musk vertreibt. Die ukrainisch­en Truppen setzen sie legal seit Kriegsbegi­nn ein.

Seit voriger Woche kursieren in ukrainisch­en Telegram-Gruppen Meldungen, wonach russische Kampfverbä­nde an der Front im Donbass plötzlich ebenfalls über Starlink-Einheiten verfügten und mit deren Hilfe die ukrainisch­en Verteidige­r noch präziser dezimierte­n. Legal kann das russische Verteidigu­ngsministe­rium sie nicht erworben haben.

Am Dienstag verkündete der Sprecher des ukrainisch­en Militärnac­hrichtendi­enstes, Andrii Jusow, dass in Russland StarlinkSy­steme auf privaten Plattforme­n vertrieben werden. Die Geräte würde über arabische Staaten, allen voran über Dubai, nach Russland eingeführt.

Musk erklärte, „nach bestem Wissen“seien keine Starlink-Geräte direkt oder indirekt nach Russland verkauft worden.

China ist strikt gegen illegale Sanktionen auf Grundlage der Zusammenar­beit mit Russland.

Chinesisch­es Außenminis­terium

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