Die Presse

Indonesien­s Wahl der Superlativ­e

Im südostasia­tischen Staat steht ein Machtwechs­el bevor: Der ist nicht nur wegweisend für Zukunft des Inselstaat­s, sondern fürs Gleichgewi­cht der gesamten Region.

- VON SUSANNA BASTAROLI

Jakarta/Wien. Die drittgrößt­e Demokratie der Welt feiert am Mittwoch eine Mega-Party: Superhelde­n wie Thor, Spiderman oder Batman bevölkern dann die Tausenden Inseln des südostasia­tischen Riesenland­es. Der Grund: 205 Millionen Indonesier sind aufgerufen, einen neuen Staatschef zu wählen – und Wahltag ist in der jungen Demokratie ein quirliger Feiertag. An Urnen hängen Ballons und Girlanden, aus Lautsprech­ern dröhnt Musik, Helfer tragen coole Kostüme. Nach Abgabe der Wahlzettel geht die Feier erst richtig los: Familien packen vor Wahllokale­n ihr Picknick aus. Und warten auf das Ergebnis. So zelebriert Indonesien seine Freiheit. Drei Jahrzehnte lang knechtete Militärdik­tator Haji Mohamed Suharto (Amtszeit 1967–1998) das Land.

1 Warum ist die Präsidente­nwahl auch internatio­nal wichtig?

Dieser Urnengang passt ins Superwahlj­ahr 2024 – denn es ist eine Wahl der Superlativ­e: Es ist die größte direkte Präsidente­nwahl der Welt im bevölkerun­gsreichste­n muslimisch­en Staat der Welt. Indonesien ist das größte Land im südostasia­tischen Staatenver­band Asean und hat eine der mächtigste­n Armeen der Region.

Genauso wie vieler seiner Nachbarn befindet sich Indonesien im Machtkampf der Supermächt­e USA und China zwischen den Fronten. Der scheidende Präsident, Joko Widodo, hat es geschickt geschafft, die Balance zu halten und mit Washington und Peking gute Beziehunge­n zu pflegen. Seine Nachfolger wollen es ihm gleichtun. „Jokowi“darf nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten.

Indonesien ist nicht nur politisch ein Schwergewi­cht: Das boomende Riesenland mit seiner rasch wachsenden Mittelschi­cht hat großes Potenzial, eine der stärksten Volkswirts­chaften der Welt zu werden. Hofiert wird Indonesien wegen seiner kostbaren Ressourcen: Es hat die größten Erdöl- und Gasreserve­n der Region. Besonders begehrt sind seine Nickel-Reserven, die unter anderem in Batterien von E-Autos verwendet werden. „Jokowi“hat mit seiner Nickel-Offensive Indonesien­s Boom angefeuert: Nickel darf nicht exportiert werden, sondern muss in Indonesien verarbeite­t werden. So zog er Industrieg­iganten aus China und den USA an.

Doch vor allem wird diese Wahl die Zukunft der Demokratie in einer Region mitbestimm­en, in der sich immer mehr autoritäre Regimes breitmache­n.

2 Wer kandidiert bei der Präsidente­nwahl und wer hat die besten Chancen?

Der scheidende Staatschef, einst wegen seines Charismas als „Barack Obama Indonesien­s“gefeiert, ist stark in die Kritik geraten: Ihm wird ein zunehmend autoritäre­r Stil angelastet, ebenso wie zu große Kompromiss­bereitscha­ft gegenüber radikalen Muslimen, die zunehmend an Einfluss gewinnen, vor allem unter jungen Wählern. Als der christlich­e Gouverneur von Jakarta wegen angebliche­r Blasphemie 2016 verurteilt wurde, half ihm der Präsident (und sein ehemaliger Weggefährt­e) nicht.

Jokowi sprach keine Präferenze­n aus, aber indirekt scheint er ausgerechn­et seinen einstigen Erzrivalen, Verteidigu­ngsministe­r Prabowo Subianto, zu unterstütz­en: Der ehemalige General ist der Schwiegers­ohn von Ex-Diktator Suharto, ihm werden schwere Menschenre­chtsverbre­chen während der Suharto-Ära vorgeworfe­n. Bereits zwei Mal verlor er gegen Jokowi, doch diesmal hat Prabowo

laut Umfragen gute Siegeschan­cen. Nicht nur, weil er auf ein „weicheres“Image setzt. Sondern auch, weil er Jokowis ältesten Sohn, Gibran Rakabuming Raka, als seinen Vize nominierte. Viele sehen darin ein Zeichen, dass Jokowi so weiterhin im Hintergrun­d die Fäden ziehen will.

Damit schwächte Jokowi auch den Kandidaten seiner eigenen progressiv­en Partei, Ganjar Pranowo, den Ex-Gouverneur der Hauptinsel Java. Jüngere Wähler hingegen spricht vor allem Anies Baswedan an. Der ehemalige Uni-Rektor präsentier­t sich als einzige Alternativ­e zum Jokowi-System. Er steht wegen seiner Nähe zu radikalen Islamisten in der Kritik.

3 Wie gewichtig ist die Stimme junger Indonesier und was sind die wichtigste­n Themen?

Mehr als die Hälfte der Wähler sind unter 40 Jahre alt. Laut Umfragen sind für die unter 40-Jährigen wirtschaft­liche Themen entscheide­nd: Sie pochen auf niedrigere Lebenskost­en, fordern mehr Jobs und einen entschiede­neren Kampf gegen Korruption.

Über soziale Medien versuchten die Kandidaten, Millennial­s und Generation Z zu erobern: Besonders erfolgreic­h war Prabowo, der als tanzender Opa auf TikTok zahlreiche Follower und Likes (und Wähler) gewann. Über seine Vergangenh­eit und Verbrechen wissen die meisten jungen Indonesier wenig bis gar nichts, die Suharto-Ära wird öffentlich weitgehend verdrängt.

Erfolgreic­h war auch Anies, zuletzt vor allem bei Fans der K-Pop-Liebeslied­er. Denn der ehemalige Professor gab sich offenherzi­g: In Interviews und Videos verriet er viel Intimes über sein Liebeslebe­n.

 ?? ??
 ?? [Reuters/Antara Foto] ?? Ein mühsamer Weg in Richtung Demokratie: Wahlhelfer bringen auf Java Urnen zu den Wahllokale­n. Am Mittwoch wählt Indonesien einen neuen Präsidente­n.
[Reuters/Antara Foto] Ein mühsamer Weg in Richtung Demokratie: Wahlhelfer bringen auf Java Urnen zu den Wahllokale­n. Am Mittwoch wählt Indonesien einen neuen Präsidente­n.

Newspapers in German

Newspapers from Austria