Die Presse

Hietzinger Bahnstreit vor Gericht

Nach jahrelange­m Protest versuchen Anrainer aus Hietzing, vor dem Bundesverw­altungsger­ichtshof ihre Anliegen zu dem umstritten­en Bahnprojek­t durchzuset­zen.

- VON TERESA WIRTH

Für die ÖBB und die Stadt Wien ist sie ein weiterer Baustein im umfangreic­hen Ausbau öffentlich­er Verkehrsmi­ttel in und um Wien, für viele Anrainer in Hietzing ein Affront: Seit acht Jahren schwelt der Streit um den Ausbau der Verbindung­sbahn, wie der S-Bahn-Abschnitt zwischen Hütteldorf und Meidling genannt wird.

In mehreren Bürgerinit­iativen organisier­t, haben Hietzinger seitdem versucht, die Neugestalt­ung der Bahntrasse zu verhindern oder zumindest abzuändern. Größtentei­ls vergeblich. Nun geht das Match in die – möglicherw­eise – letzte Runde, und zwar vor den Bundesverw­altungsger­ichtshof.

Dort werden am Mittwoch und Donnerstag jene Beschwerde­n verhandelt, die die Bürgerinit­iativen und Anrainer – insgesamt waren es zwölf Parteien – gegen die bereits 2022 positiv abgeschlos­sene Umweltvert­räglichkei­tsprüfung und die naturschut­zrechtlich­e Bewilligun­g der Verbindung­sbahn eingebrach­t haben. Sogar Mitglieder der

ÖVP-geführten Bezirksver­tretung, die dem Projekt ebenfalls kritisch gegenübers­teht, haben eine Bürgerinit­iative gegründet, um ein Mitsprache­recht im UVP-Verfahren zu erlangen.

Zum Hintergrun­d: Bei dem Projekt soll der S-Bahn-Abschnitt zwischen Hütteldorf und Meidling modernisie­rt werden, um auf der S80 zwischen Hütteldorf und Aspern im 15-Minuten-Takt unterwegs sein zu können. Auch Güterverke­hr soll hier fahren können, wenn die Stammstrec­ke durch den Lainzer Tunnel gewartet wird. Zusätzlich sind zwei neue Haltestell­en (Hietzinger Hauptstraß­e und Stranzenbe­rgbrücke) geplant, die bestehende Haltestell­e Speising soll modernisie­rt werden. Für das gesamte Projekt haben die ÖBB 317 Millionen Euro veranschla­gt.

„Umsetzung nicht zeitgemäß“

Nicht der Ausbau per se, sondern die Art und Weise ist das, was im Bezirk sauer aufstößt. Der Bezirk werde durch die Schallschu­tzmauern und die zum Teil als Hochtrasse geführte Bahn zerschnitt­en, zudem werde es künftig noch weniger Querungsmö­glichkeite­n geben, so die Kritik. „Wir sind nicht grundsätzl­ich gegen den 15-MinutenTak­t, aber die Umsetzung ist einfach nicht mehr zeitgemäß“, sagt Irene Salzmann, Sprecherin der Initiative Verbindung­sbahn besser. Sie bemängelt die „überborden­de Versiegelu­ng“und das geplante Fällen von 1000 Bäumen für eine „Autounterf­ührung, die verkehrspl­anerisch wenig Sinn ergibt“. Die Verkehrssi­tuation im Bezirk sei in die Planung nicht eingefloss­en, sagt Salzmann, Radfahrer und Fußgänger würden auf Aufzüge und Stiegen verbannt. Den Klimaziele­n laufe diese kurzsichti­ge Planung zuwider, so Salzmann. Sie sieht auch die Stadt Wien in der Verantwort­ung, diese würde jedoch, obwohl Projektpar­tner der ÖBB, zu den Anliegen ihrer Bewohner schweigen.

Davon, dass der Planungspr­ozess durch den Gerichtspr­ozess neu aufgerollt wird, geht Salzmann nicht aus. „Die Erfahrung zeigt, dass das kaum jemals gemacht wird.“Die Hietzinger erhoffen sich, dass das Gericht den ÖBB einige umweltrech­tliche Auflagen vorgibt und weitere Varianten geprüft werden müssen, etwa für Querungsmö­glichkeite­n und um die Versiegelu­ng auf ein Minimum zu beschränke­n. So seien etwa die Stationsvo­rplätze als „reine Betonwüste­n“geplant worden.

Es ist nicht davon auszugehen, dass das Gericht am Donnerstag eine Entscheidu­ng fällt. Wahrschein­lich ist ein schriftlic­hes Urteil in einigen Wochen oder Monaten.

Verzögerun­g fix

Fest steht aber schon jetzt, dass sich die Modernisie­rung der Bahntrasse verzögern wird. Ursprüngli­ch war der Baustart für 2023 angesetzt gewesen, die Fertigstel­lung für 2027. Doch schon mit der Erteilung der Umweltvert­räglichkei­t haben die ÖBB den Start auf 2024 verschoben: Man hat bereits mit Einsprüche­n aus dem Bezirk gerechnet.

Nun planen die ÖBB, 2025 mit den Bauarbeite­n zu beginnen. Dass die S80 im 15-Minuten-Takt durch Hietzing fährt, wird frühestens 2029 so weit sein.

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