Die Presse

Die Faschisten der Nordkurve

Die Società Sportiva ist ein Traditions­klub, dessen Ultras im rechten Lager auffallen und den „Duce“verehren. Auch heute in der Champions League.

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Ein Champions-League-Achtelfina­le gegen einen mittelmäßi­gen Verein der italienisc­hen Serie A – auf dem Papier scheint Lazio Rom für den FC Bayern eine unscheinba­re Aufgabe. Abseits der aktuellen sportliche­n Krise der Münchner hat das Hinspiel am Mittwochab­end (21 Uhr, Sky) allerdings auch einen anderen, weitaus brisantere­n Hintergrun­d: Die Anhängersc­haft von Lazio gilt seit Jahrzehnte­n in Europas Fußball als radikal, das Epizentrum der rechten Krawallmac­her ist die Nordkurve im Stadio Olimpico. Dort stellen die „Ultras“ihre Verehrung für den Faschismus offen zur Schau.

Die Società Sportiva (abgekürzt S.S.) wurde 1900 gegründet. Anfangs hatte sie eine bürgerlich­konservati­ve, später eine klar faschistis­che Anhängersc­haft. Auch Diktator Benito Mussolini (1883– 1945) hatte einen Vereinsaus­weis. Heute ist das längst Vergangenh­eit, aber noch immer wird bei Spielen der rechte Arm zum saluto romano (Römischen Gruß) gestreckt. In Deutschlan­d und Österreich ist der Hitler-Gruß verboten, bei Lazio gilt er als Folklore.

Schrei nach Mussolini

Aus der Nordkurve ist nach Toren der Ruf nach dem „Duce“(„Führer“) nicht zu überhören. Besonders bejubelt wurde bis vor Kurzem ein Profi namens Romano Floriani Mussolini, der Urenkel des Diktators. Der 21-Jährige wurde aber, aus sportliche­n Gründen, an den Drittligis­ten Pescara ausgeliehe­n. Rund ums Stadion finden sich unaufhalts­am Schmierere­ien mit der Abkürzung SS in Runenschri­ft. Der harte Kern der rechten Szene besteht aus Tausenden der „irriducibi­li“, der „Unbeugsame­n“.

Besonders erbittert ist die Konkurrenz zu AS Roma, der zweite Hauptstadt­klub gilt politisch als links. Da zeigt man weder Scheu noch Menschlich­keit : 1999 hielt man dem Gegner ein 18 Meter langes Transparen­t entgegen: „Auschwitz ist eure Heimat, die Öfen euer Zuhause“. Auch 2024 war der bislang traurige Höhepunkt das Derby. Wieder streckten Lazios Fans den Arm in die Höhe. AS-Stürmer Romelu Lukaku wurde mit Affenlaute­n verunglimp­ft. Nach dem Spiel machten beide Lager Jagd aufeinande­r. Beim Überfall auf ein Lokal wurde ein 31-Jähriger durch einen Stich in den Unterleib schwer verletzt. 16 Hooligans bekamen Stadionver­bot. Lazio musste ein Ligaspiel vor halb leeren Rängen austragen.

Vorfälle sind programmie­rt

Solche Szenen sind keineswegs nur auf das Derby begrenzt. Bei US Lecce wurde der französisc­he ExWeltmeis­ter Samuel Umtiti kürzlich so schlimm rassistisc­h beleidigt, dass das Spiel vor dem Abbruch stand. Umtiti verließ den Platz unter Tränen. Auch im Europacup gibt es fortlaufen­d Eklats. In Glasgow marschiert­en Römer erhobenen Armes durch die Fußgängerz­one. In Marseille prügelten sich Hunderte mit Olympique-Anhängern. Daraufhin verbot das französisc­he Innenminis­terium allen Lazio-Anhängern die Einreise zum nächsten Spiel; wegen deren Gewaltbere­itschaft, der „Gewohnheit, faschistis­che Chöre anzustimme­n und den Nazi-Gruß zu zeigen“. Auch Eintracht Frankfurt und Werder Bremen machten bei Aufeinande­rtreffen auf europäisch­er Ebene schon unangenehm­e Erfahrunge­n. Die Antwort von Lazio-Ultras auf die Uefa-Aktion „Zusammen gegen Rassismus“: der rechte Arm.

Die Klubführun­g hat sich davon immer wieder distanzier­t, bislang ohne große Wirkung. Auch die Gründung einer Fangruppe gegen rechts namens Dissidenti brachte nicht viel. Trotzdem darf man natürlich nicht alle Hellblauen unter Verdacht stellen. Die prominente TV-Journalist­in Giovanna Botteri sagt beispielsw­eise: „Ich bin LazioAnhän­gerin. Aber ich bin weder Faschistin noch gewalttäti­g.“

Was passiert gegen Bayern?

Mit Spannung wird nun auf das Spiel gegen die Bayern gewartet, einen Verein, der seinen langjährig­en jüdischen Präsidente­n, Kurt Landauer (1884–1961), vor einiger Zeit zum Ehrenvorsi­tzenden machte und das eigene Verhalten in den Nazi-Jahren wissenscha­ftlich aufarbeite­n ließ. Beim jüngsten Aufeinande­rtreffen mit Lazio blieb alles friedlich. Die Achtelfina­le im Frühjahr 2021 fanden allerdings coronabedi­ngt praktisch vor leeren Rängen statt. Mittwochab­end wird das Stadio Olimpico wieder gut besetzt sein – vor allem die Nordkurve. (fin/DPA)

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