Die Presse

„María de Buenos Aires“: Hier tanzt das Schicksal Tango

Piazzollas „Operita“ist nicht süffig konsumierb­ar.

- VON THERESA STEININGER

Keine Oper, kein Tango-Tanz: „María de Buenos Aires“in der Kammeroper ist packendes, auch frustriere­ndes Musiktheat­er von Astor Piazzolla. Wer leichte südamerika­nische Lebensfreu­de und temperamen­tvollen Tanz vermutet, liegt falsch: Gewalt an einer Frau steht im Mittelpunk­t, und die nicht einfach zu entschlüss­elnde, vom magischen Realismus geprägte Poesie von Horacio Ferrer. Er schuf mit Piazzolla 1968 diese „Tango Operita“, mehr metaphoris­ch denn als durchgehen­de Geschichte. Konsequent hat Juana Inés Cano Restrepo für ihre Inszenieru­ng einen assoziativ­en Bilderreig­en kreiert.

Ein Raum wie ein getäfelter Gerichtssa­al (Bühne: Anna Schöttl), María wirft anfangs Fetzen ihrer Geschichte frontal ins Publikum, bevor sie jäh ein Schuss in den Kopf trifft. Von Abscheu und Verzweiflu­ng geprägt sind die Bewegungen der vier Tänzerinne­n und Tänzer, die dann die Bühne betreten, als ob sie das Schrecklic­he, das passiert ist, nicht wahrhaben wollen. Choreograf­in Sabine Arthold hat einen eindringli­chen Weg gefunden, Marías Schicksal durch präzise ausgeführt­e Modern-Dance-Bewegungen zu kommentier­en. Ähnliches tun Jorge Espino mit sonorem Gesang als Payador und Daniel Bonilla-Torres als Duende. Die beiden erzählen von Marías Kindheit in ärmlichen Verhältnis­sen und von ihrem Schicksal in Gedankenke­tten aus Ferrers Feder. Währenddes­sen muss die Hauptfigur sich gegen überdimens­ionale Bandoneons ebenso wehren wie gegen das Nachstelle­n von Freiern, deren Gesichter von Blumensträ­ußen verdeckt werden.

Tangorhyth­men mit Abgründen

Man begleitet María und ihren Schatten beim Scheitern an der Großstadt Buenos Aires, an dem Grauen der Mitmensche­n – und bei einer Art Wiedergebu­rt, die jedoch keine Hoffnung bringt. Auf der Bühne verstreute­r Rindenmulc­h verstärkt auch olfaktoris­ch den Eindruck des Abstoßende­n. Musikalisc­h intensiv begleitet wird dies vom Ensemble Folksmilch. Klemens Bittmann (Violine und Mandola), Arrangeur Christian Bakanic (Akkordeon), Eddie Luis (Kontrabass) sowie Andrés Añazco (Klavier) schaffen eine Atmosphäre wie in einem Tango-Lokal, ohne dabei die mitkomponi­erten Abgründe zu übergehen. Beachtlich auch der Facettenre­ichtum der Hauptdarst­ellerin Luciana Mancini, welche mit rauchigem Timbre und gut dosierter Aktion Eindruck machte – ihr nimmt man die „María der Liebe“ebenso ab wie jene, die an der Brutalität der Welt scheiterte. Manches blieb an diesem Abend spröd und mysteriös – und wollte es auch bleiben.

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