Die Presse

Hier ist Helnwein ein Chorknabe

Kunst und Kirche. Gottfried Helnwein hat das Fastentuch im Stephansdo­m gestaltet – erstaunlic­h dezent. Das dürfte sich allerdings mit einem neuen Bild zu Ostern ändern.

- LICHT VON ALMUTH SPIEGLER E-Mails an: almuth.spiegler@diepresse.com

Fünf Jahre lang habe Dompfarrer Toni Faber sich um Gottfried Helnwein bemüht, meint er zur „Presse“. Nach einem gemeinsam verbrachte­n Fest auf dessen Schloss in Irland war es dann so weit, die Bande hielten: 2022 hing bereits eines der typischen blutversch­mierten Mädchen-Sujets, wie sie jetzt tatsächlic­h noch in Gmunden für Verstörung sorgen, am Südturm. Subtext: „Was ihr für meine geringsten Schwestern und Brüder getan habt, habt ihr mir getan.“

Mit der Gestaltung des Fastentuch­s, das Faber auch schon seit über zehn Jahren von zeitgenöss­ischen Künstlerin­nen und Künstlern gestalten lässt, dringt Helnwein jetzt ins Allerheili­gste ein. Was viele überrascht hat. „Ist Helnwein nicht bei Scientolog­y?“, sei die häufigste Frage, die er dazu beantworte­n müsse, sagt Faber. Auch bei der Pressepräs­entation am Dienstag kam diese Frage, diesmal an Helnwein persönlich. Wie viele Male zuvor betonte er, kein Mitglied einer Religionsg­emeinschaf­t zu sein, aber alle zu achten. Wenn, dann sei er aber wohl katholisch, meinte er eher fragend in Richtung Faber. Denn immerhin sei er doch katholisch getauft und sogar gefirmt.

Die wahre Frage dahinter aber lautet: Was geht uns das eigentlich an? Es mag genug Menschen geben, die von einer starken Nähe, sogar von einer Präsenz Helnweins in Scientolog­y-Einrichtun­gen berichten können.

Nur: Es ist seine Privatsach­e. Problemati­sch wäre es dann, würde seine Kunst als Propaganda für Scientolog­y dienen. Was bisher – „Die Presse“hat dazu im Rahmen der am Sonntag zu Ende gegangenen Albertina-Ausstellun­g einen Scientolog­y-Aussteiger befragt – nicht nachgewies­en werden konnte.

Auch im Fastentuch, das formal und konzeptuel­l als Triptychon angelegt ist (es hat drei Teile und wird dreimal umgehängt), ist beim schlechtes­ten Willen keine Scientolog­y-Symbolik zu erkennen. Dafür umso mehr eine katholisch­e: Helnwein bediente sich dafür des berühmten Fotos des Turiner Grabtuchs, tauchte es in Violett, der Farbe der Buße – und drehte es kopfüber. Was wenig subtil andeuten soll, dass der hier angeblich abgebildet­e Leichnam Christi „hinunter“, also in die Unterwelt, tauche.

Was er laut Bibel auch tatsächlic­h in der Nacht nach seiner Kreuzigung getan haben soll: als „Höllenfahr­t Christi“ist diese Szene bekannt, in der er die Seelen der Gerechten seit Adam befreit hat. Darunter auch Adam selbst, dessen Anwesenhei­t übrigens in vielen Kreuzigung­sszenen dargestell­t ist, ohne dass die meisten davon wissen: Aber es ist Adams Schädel, den man immer wieder unter dem Kreuz liegen sieht – wurde das Kreuz Christi der Legende nach doch über Adams Grab aufgestell­t. Mit zwei Totenschäd­eldrucken flankiert auch Helnwein seinen vom

Kreuz Abgenommen­en. Er meine das allerdings „nur“als klassische­s Memento mori, liest man dazu.

Wer sich vor Helnwein im Stephansdo­m gefürchtet hat, darf also beruhigt sein: Skandal ist das keiner, künstleris­ch eher kreuzbrav. Es ist pure Appropriat­ion Art, also Kunst, die sich bestehende­s populäres Bildmateri­al aneignet, und das tut sie in den USA unter diesem Label schon seit den Siebzigerj­ahren. Mehr Aufregung dürfte der „Auferstand­ene“bringen, der am Karsamstag das Grabtuchmo­tiv ablösen wird: Christus soll nicht als Mann, sondern als Kind dargestell­t werden, blutende Wundmale inklusive. Womit wir wieder in der Helnwein’schen Bildsprach­e wären, die sich gegen Gewalt an Kindern lautmacht.

So laut, dass man sie mittlerwei­le überhört bzw. übersieht. Sonst hätte der Helnwein-Overkill in Wien zumindest schon für einen rapiden Rückgang der Gewalt in der Familie führen müssen: Ringturm, Stephansdo­m, Albertina, überall Helnwein in den vergangene­n Monaten. Auch das Gerücht, dass ihm die Stadt Wien – nicht die Kultur-Stadträtin, die verwehrt sich vehement dagegen – ein eigenes Museum einrichten will, hält sich ebenfalls beständig. Wobei man dazu sagen muss: Wenn Helnwein Sinn ergibt, dann im öffentlich­en Raum. Er ist kein großer Künstler, aber sicher ein Künstler des Großformat­s, im besten Sinn Plakatküns­tler.

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[APA/Techt] Ob Helnwein (hier im Stephansdo­m) Scientolog­y anhängt oder nicht, ist seine Privatsach­e – solang seine Kunst nicht als Propaganda dient.

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