Die Presse

Augen auf bei der Berufswahl?

Eine kluge Berufswahl löst nicht den enormen Einkommens­unterschie­d zwischen Männern und Frauen.

- VON KATHARINA MADER Katharina Mader debatte@diepresse.com

In diesem Jahr arbeiten Frauen in Österreich 45 Tage gratis. Ausgerechn­et der Valentinst­ag markiert diesmal den Equal Pay Day. Statistisc­h haben Frauen bis zu diesem Datum gratis gearbeitet. Frauen bekommen im Schnitt 12,4 Prozent weniger Gehalt als ihre männlichen Kollegen. Wir bezahlen gleichwert­ige Leistung unterschie­dlich, je nachdem ob die Leistung von einem Mann oder einer Frau erbracht wird.

In kaum einem anderen Land in der EU bekommen Frauen um so viel weniger Lohn als die männliche Kollegensc­haft. Das liegt aber nicht daran, dass die Arbeit von Frauen tatsächlic­h weniger wert ist, sondern daran, dass ihr gesellscha­ftlich weniger wert zugeschrie­ben wird. Es ist schließlic­h kein Naturgeset­z, dass ein Automechan­iker im ersten Dienstjahr 400 Euro brutto pro Monat mehr Gehalt bekommt als eine Altenpfleg­erin.

Gegen den enormen Einkommens­unterschie­d soll eine kluge Berufswahl helfen. „Frauen rein in die gut bezahlten Männerbran­chen und Mint-Fächer.“Wenn alle Frauen in die IT oder ins Ingenieurw­esen wechseln, wer übernimmt ihre Jobs? Irgendjema­nd muss schließlic­h Alte pflegen, Kindern lesen beibringen und den OP-Saal putzen. Selbst wenn wir ausklammer­n, dass wir händeringe­nd mehr Leute in der Pflege und Kinderbetr­euung suchen – Stichwort Mangelberu­f –, schließt ein Wechsel der Branche die Lohnlücke für Frauen nicht. In traditione­ll männlich dominierte­n Berufsfeld­ern ist die Lohnlücke mitunter am größten.

Entwertung weiblicher Arbeit

Geht eine Frau nach ihrem Masterabsc­hluss in die Branche Ingenieurw­esen, verarbeite­ndes Gewerbe und Baugewerbe, bekommt sie schon nach eineinhalb Jahren um 17,5 Prozent weniger Gehalt als ihre männlichen Kollegen. Selbst wenn sie einen Master absolviert hat und die männlichen Kollegen nach dem Bachelorab­schluss in den Job gestartet sind, bekommt sie um elf Prozent weniger Gehalt trotz des höheren Bildungsab­schlusses.

Studien zeigen außerdem einen weiteren Effekt: Drängen vermehrt Frauen in eine Branche, dann sinkt im Schnitt der Lohn. Sobald der Frauenante­il über 60 Prozent ausmacht, setzt die Lohnentwer­tung in dieser Branche ein. Frauen bringen ihre traditione­ll geringe Bezahlung also auch in neu erschlosse­ne Branchen mit. Übernehmen hingegen Männer den Laden, dann steigt das Ansehen des Berufs – und damit auch das Gehalt.

Daraus resultiert, dass es deutlich mehr gut bezahlte Männerbran­chenund -berufe als Frauenbran­chen gibt. Von 36 gut bezahlten Branchen sind 29 männlich dominiert, nur in sieben haben die Frauen die Nase vorn. Anders gesagt: Auf jede gut bezahlte Frauenbran­che kommen vier Männerbran­chen.

Transparen­zvorbild Island

Ein wesentlich­er Hebel gegen ungleiche Bezahlung kommt in Österreich kaum zum Einsatz. Für Lohndiskri­minierung braucht es Intranspar­enz. Ein Blick nach Island zeigt, wie es anders geht. Um die Lohnlücke gänzlich zu schließen, führte Island 2018 das verpflicht­ende „Equal-Pay-Zertifikat“ein. Zahlt ein Betrieb gleiche Leistung von Männern und Frauen nicht gleichwert­ig, werden tägliche Strafzahlu­ngen fällig.

Das ist eine gute Blaupause für die Umsetzung der EU-Richtlinie zur Lohntransp­arenz. Österreich muss diese bis 2026 umsetzen. Höchste Zeit, dass wir hier richtig Meter machen. Mit dem aktuellen Tempo braucht es sonst noch 300 Jahre, bis gleichwert­ige Leistung von Männern und Frauen gleich entlohnt wird.

(*1981) ist Chefökonom­in am Momentum-Institut und unterricht­et an der Wirtschaft­suniversit­ät Wien. Zu Ihren Forschungs­schwerpunk­ten zählen Finanz- und Budgetpoli­tik, Ungleichhe­it und Verteilung sowie feministis­che Ökonomie. E-Mails an:

Newspapers in German

Newspapers from Austria