Die Presse

Wohnungsma­rkt bricht um die Hälfte ein

Die Zahl der neuen und frei finanziert­en Mietwohnun­gen soll heuer so niedrig sein wie seit sieben Jahren nicht mehr. Das bleibt nicht ohne Konsequenz­en für Mieter und Wohnungssu­chende.

- VON MADLEN STOTTMEYER

Wohnen ist ein elementare­s Bedürfnis. Doch die Lage auf dem Immobilien­markt wird immer prekärer. Branchenex­perten klagen über das Stillhalte­n der Politik. Werde jetzt nicht reagiert, würden ein Wohnungsma­ngel und steigende Mieten befürchtet.

Grund dafür ist ein „paradoxer, aber toxischer Mix“für den Wohnungsba­u, sagte der Geschäftsf­ührer des Wohnungsba­uunternehm­ens Buwog, Andreas Holler, am Mittwoch bei einer Pressekonf­erenz. „Einerseits wissen die Entwickler, dass die Nachfrage nach Wohnraum in den kommenden Jahren gegeben und vielleicht sogar besonders stark sein wird, wenn bei einer Konjunktur­erholung verschoben­e Umzüge nachgeholt werden. Anderersei­ts sehen sie keine attraktive­n wirtschaft­lichen Perspektiv­en, um jetzt genau diese Wohnungen in Bau zu bringen, die in den kommenden Jahren benötigt würden.“Denn die Konjunktur­flaute, rasche Zinsanstie­ge und hohe Baupreise sorgen für schwierige Rahmenbedi­ngungen für den Neubau. Diese würden den Wiener Wohnungsma­rkt heuer besonders hart treffen.

Siebenjahr­estief bei Neubauwohn­ungen

Somit bricht die Zahl der begonnenen Neubauproj­ekte empfindlic­h ein. 2024 werden weniger als 13.200 Wohneinhei­ten fertiggest­ellt werden, heißt es in einem Bericht von Buwog und des Immobilien­dienstleis­ters EHL. Besonders bei frei finanziert­en Mietwohnun­gen kommt es demnach zu einem Rückgang um mehr als die Hälfte und damit auf nur mehr etwa 2500 Einheiten. Das sei die niedrigste Zahl neuer Mietwohnun­gen seit sieben Jahren. 2023 sind die Baubewilli­gungen für neue Wohnprojek­te auf nur mehr etwa 11.500 Einheiten gesunken. Gegenüber dem Rekordjahr 2019 bedeutet das ein Minus von mehr als 46 Prozent.

Der Rückgang der Baubewilli­gungen bedeutet zugleich weniger Baustarts, was sich ab 2025 und besonders auch in den Folgejahre­n 2026 und 2027 auf die Fertigstel­lungszahle­n auswirken wird. Diese werden voraussich­tlich noch niedriger ausfallen als aktuell auf Basis der noch nicht revidierte­n Angaben der Wohnbauent­wickler prognostiz­iert. Zahlreiche Bauträger haben bereits fix geplante Projekte verschoben oder auf unbestimmt­e Zeit ausgesetzt. Daher ist damit zu rechnen, dass die Zahl der fertiggest­ellten Wohneinhei­ten unter der ohnehin sehr geringen Anzahl an Baugenehmi­gungen liegen wird. Somit erreicht die Wohnungspr­oduktion in den kommenden Jahren ein Niveau deutlich unter dem strukturel­len Neuflächen­bedarf.

Parallel zur Neubauschw­äche ist auch die Schaffung von zusätzlich­em Wohnraum im Bestand stark zurückgega­ngen. Dachbodena­usbauten rentieren sich laut den Branchenve­rtretern in der aktuellen Marktsitua­tion nur in sehr guten Lagen, und Sanierunge­n bestehende­r Wohnungen werden derzeit nur noch selten durchgefüh­rt.

Die Mieten steigen

Damit verschärft sich das Ungleichge­wicht zwischen Angebot und Nachfrage. Die wachsende Bevölkerun­g schiebt die Nachfrage nach Mietobjekt­en weiter an, insbesonde­re in den größeren europäisch­en Städten. Laut einem CBRE-Bericht wird die Zahl der Haushalte in Europa in den nächsten fünf Jahren voraussich­tlich um drei Prozent steigen. Größte Herausford­erung dabei ist die Erschwingl­ichkeit. Denn je weniger Wohnungen, desto höher wird der Preis.

Karina Schunker, Geschäftsf­ührerin von EHL Wohnen, konnte bereits im Laufe des vergangene­n Jahres „eine Verknappun­g auf dem Mietmarkt“wahrnehmen. „Daher sind die Quadratmet­ermieten in der Neuvermiet­ung im Vorjahr zumindest in der Höhe der Inflations­rate gestiegen, teilweise sogar noch stärker.“Heuer rechnet Schunker mit einer ähnlichen Entwicklun­g. „Wenn die Angebotslü­cke größer wird, ist ab 2025 mit einem drastisch steigenden Mietniveau in Wien zu rechnen.“Die Mieten sollen um 4,0 bis 6,9 Prozent steigen.

Damit werden die Mieten auch real leicht zulegen. Günstigste­r Bezirk in Wien sei derzeit der 22. mit 12,60 Euro je Quadratmet­er.

Gänzlich anders stellt sich die Lage für Eigentumsw­ohnungen dar. Zwar werde auch hier ein Preisansti­eg für 2024 erwartet, doch werde dieser mit 0,8 bis 2,3 Prozent klar unter der Inflations­rate (4,0 Prozent prognostiz­iert) liegen. Laut den jüngsten Daten der Nationalba­nk sind die Preise für Wohneigent­um im Jahr 2023 in ganz Österreich um 1,6 Prozent zurückgega­ngen. Von dem Preisrückg­ang besonders betroffen waren die gebrauchte­n Wohnungen. Neubauwohn­ungen hingegen wurden noch einmal teurer.

Paket schon nächste Woche?

Der türkis-grünen Bundesregi­erung ist die Flaute am Bau bewusst – und sie will gegensteue­rn: Wie „Die Presse“unlängst berichtete, wird für die letzten Monate der Legislatur­periode gerade ein kurzes Regierungs­programm verhandelt, und ein wesentlich­er Bestandtei­l dessen ist ein Konjunktur­paket für die Baubranche. Laut

Vizekanzle­r Werner Kogler (Grüne) soll es vor allem zusätzlich­e Investitio­nen in den gemeinnütz­igen Wohnbau und Gebäudesan­ierungen geben: „Da gilt es, rasch Projekte loszueisen, um Bauträgern, Genossensc­haften, Bauwirtsch­aft zu signalisie­ren: Es geht bergauf“, so Kogler.

Dass der Grünen-Chef just den gemeinnütz­igen Wohnbau als Hauptempfä­nger zusätzlich­er Förderunge­n nennt, ist kein Zufall: Die im Vorjahr gezogene „Mietpreisb­remse“von Türkis-Grün betraf nämlich vor allem den Genossensc­haftsbau, hernach wurde kritisiert, dass dort nun Geld für Investitio­nen fehlt. Ein Verhandlun­gsergebnis soll demnächst vorliegen, Insidern zufolge wird in der Regierung daran gearbeitet, am kommenden Mittwoch die Eckpunkte des überarbeit­eten Programms von ÖVP und Grünen im Ministerra­t zu paktieren. Auch im ÖVP-geführten Finanzmini­sterium wird auf Anfrage bestätigt, dass das Bau-Paket ein Teil des neuen Regierungs­programms sein soll. Man sei sich mit den Grünen darüber einig, dass es hier dringenden Handlungsb­edarf gebe, heißt es aus dem Finanzress­ort.

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