Wohnungsmarkt bricht um die Hälfte ein
Die Zahl der neuen und frei finanzierten Mietwohnungen soll heuer so niedrig sein wie seit sieben Jahren nicht mehr. Das bleibt nicht ohne Konsequenzen für Mieter und Wohnungssuchende.
Wohnen ist ein elementares Bedürfnis. Doch die Lage auf dem Immobilienmarkt wird immer prekärer. Branchenexperten klagen über das Stillhalten der Politik. Werde jetzt nicht reagiert, würden ein Wohnungsmangel und steigende Mieten befürchtet.
Grund dafür ist ein „paradoxer, aber toxischer Mix“für den Wohnungsbau, sagte der Geschäftsführer des Wohnungsbauunternehmens Buwog, Andreas Holler, am Mittwoch bei einer Pressekonferenz. „Einerseits wissen die Entwickler, dass die Nachfrage nach Wohnraum in den kommenden Jahren gegeben und vielleicht sogar besonders stark sein wird, wenn bei einer Konjunkturerholung verschobene Umzüge nachgeholt werden. Andererseits sehen sie keine attraktiven wirtschaftlichen Perspektiven, um jetzt genau diese Wohnungen in Bau zu bringen, die in den kommenden Jahren benötigt würden.“Denn die Konjunkturflaute, rasche Zinsanstiege und hohe Baupreise sorgen für schwierige Rahmenbedingungen für den Neubau. Diese würden den Wiener Wohnungsmarkt heuer besonders hart treffen.
Siebenjahrestief bei Neubauwohnungen
Somit bricht die Zahl der begonnenen Neubauprojekte empfindlich ein. 2024 werden weniger als 13.200 Wohneinheiten fertiggestellt werden, heißt es in einem Bericht von Buwog und des Immobiliendienstleisters EHL. Besonders bei frei finanzierten Mietwohnungen kommt es demnach zu einem Rückgang um mehr als die Hälfte und damit auf nur mehr etwa 2500 Einheiten. Das sei die niedrigste Zahl neuer Mietwohnungen seit sieben Jahren. 2023 sind die Baubewilligungen für neue Wohnprojekte auf nur mehr etwa 11.500 Einheiten gesunken. Gegenüber dem Rekordjahr 2019 bedeutet das ein Minus von mehr als 46 Prozent.
Der Rückgang der Baubewilligungen bedeutet zugleich weniger Baustarts, was sich ab 2025 und besonders auch in den Folgejahren 2026 und 2027 auf die Fertigstellungszahlen auswirken wird. Diese werden voraussichtlich noch niedriger ausfallen als aktuell auf Basis der noch nicht revidierten Angaben der Wohnbauentwickler prognostiziert. Zahlreiche Bauträger haben bereits fix geplante Projekte verschoben oder auf unbestimmte Zeit ausgesetzt. Daher ist damit zu rechnen, dass die Zahl der fertiggestellten Wohneinheiten unter der ohnehin sehr geringen Anzahl an Baugenehmigungen liegen wird. Somit erreicht die Wohnungsproduktion in den kommenden Jahren ein Niveau deutlich unter dem strukturellen Neuflächenbedarf.
Parallel zur Neubauschwäche ist auch die Schaffung von zusätzlichem Wohnraum im Bestand stark zurückgegangen. Dachbodenausbauten rentieren sich laut den Branchenvertretern in der aktuellen Marktsituation nur in sehr guten Lagen, und Sanierungen bestehender Wohnungen werden derzeit nur noch selten durchgeführt.
Die Mieten steigen
Damit verschärft sich das Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage. Die wachsende Bevölkerung schiebt die Nachfrage nach Mietobjekten weiter an, insbesondere in den größeren europäischen Städten. Laut einem CBRE-Bericht wird die Zahl der Haushalte in Europa in den nächsten fünf Jahren voraussichtlich um drei Prozent steigen. Größte Herausforderung dabei ist die Erschwinglichkeit. Denn je weniger Wohnungen, desto höher wird der Preis.
Karina Schunker, Geschäftsführerin von EHL Wohnen, konnte bereits im Laufe des vergangenen Jahres „eine Verknappung auf dem Mietmarkt“wahrnehmen. „Daher sind die Quadratmetermieten in der Neuvermietung im Vorjahr zumindest in der Höhe der Inflationsrate gestiegen, teilweise sogar noch stärker.“Heuer rechnet Schunker mit einer ähnlichen Entwicklung. „Wenn die Angebotslücke größer wird, ist ab 2025 mit einem drastisch steigenden Mietniveau in Wien zu rechnen.“Die Mieten sollen um 4,0 bis 6,9 Prozent steigen.
Damit werden die Mieten auch real leicht zulegen. Günstigster Bezirk in Wien sei derzeit der 22. mit 12,60 Euro je Quadratmeter.
Gänzlich anders stellt sich die Lage für Eigentumswohnungen dar. Zwar werde auch hier ein Preisanstieg für 2024 erwartet, doch werde dieser mit 0,8 bis 2,3 Prozent klar unter der Inflationsrate (4,0 Prozent prognostiziert) liegen. Laut den jüngsten Daten der Nationalbank sind die Preise für Wohneigentum im Jahr 2023 in ganz Österreich um 1,6 Prozent zurückgegangen. Von dem Preisrückgang besonders betroffen waren die gebrauchten Wohnungen. Neubauwohnungen hingegen wurden noch einmal teurer.
Paket schon nächste Woche?
Der türkis-grünen Bundesregierung ist die Flaute am Bau bewusst – und sie will gegensteuern: Wie „Die Presse“unlängst berichtete, wird für die letzten Monate der Legislaturperiode gerade ein kurzes Regierungsprogramm verhandelt, und ein wesentlicher Bestandteil dessen ist ein Konjunkturpaket für die Baubranche. Laut
Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) soll es vor allem zusätzliche Investitionen in den gemeinnützigen Wohnbau und Gebäudesanierungen geben: „Da gilt es, rasch Projekte loszueisen, um Bauträgern, Genossenschaften, Bauwirtschaft zu signalisieren: Es geht bergauf“, so Kogler.
Dass der Grünen-Chef just den gemeinnützigen Wohnbau als Hauptempfänger zusätzlicher Förderungen nennt, ist kein Zufall: Die im Vorjahr gezogene „Mietpreisbremse“von Türkis-Grün betraf nämlich vor allem den Genossenschaftsbau, hernach wurde kritisiert, dass dort nun Geld für Investitionen fehlt. Ein Verhandlungsergebnis soll demnächst vorliegen, Insidern zufolge wird in der Regierung daran gearbeitet, am kommenden Mittwoch die Eckpunkte des überarbeiteten Programms von ÖVP und Grünen im Ministerrat zu paktieren. Auch im ÖVP-geführten Finanzministerium wird auf Anfrage bestätigt, dass das Bau-Paket ein Teil des neuen Regierungsprogramms sein soll. Man sei sich mit den Grünen darüber einig, dass es hier dringenden Handlungsbedarf gebe, heißt es aus dem Finanzressort.