Die Presse

Warum Mayorkas der ideale Prügelknab­e der Republikan­er ist

Republikan­er wollen Heimatschu­tzminister des Amtes entheben. Es geht um Migration – und Wahlkampf.

- Von unserer Korrespond­entin ELISABETH POSTL

New York/Washington, D. C. Es war ein kleines bisschen peinlich. Zwei Anläufe hatten die Republikan­er im Kongress gebraucht, um ihren politische­n Schlachtpl­an umzusetzen. Und auch am Montag blieb es bis zum Schluss unsicher. Mit 214 zu 213 Stimmen leiteten sie dann doch ein Amtsentheb­ungsverfah­ren gegen Alejandro Mayorkas ein.

Es ist das erste Mal in 150 Jahren, dass ein Minister der US-Regierung sich einer derartigen Klage ausgesetzt sieht. Mayorkas, argumentie­ren die Republikan­er, habe sich „willentlic­h“geweigert, Bundesgese­tze umzusetzen. Zur Einwanderu­ng, um genau zu sein. Mayorkas ist Präsident Joe Bidens Innenminis­ter. Und die Republikan­er versuchen mit ihrer Amtsentheb­ungsklage, das Migrations­thema auszuschla­chten.

Es ist nämlich so: Geht es nach den Wählern, haben die USA ein Einwanderu­ngsproblem. Die anstehende Präsidents­chaftswahl wird sich unter anderem darum drehen. Niemand besetzt das Thema besser als Ex-Präsident Trump, der zum zweiten Mal gegen Biden antritt – und diesmal siegreich sein will. Trump rezitiert bei seinen Wahlkampfv­eranstaltu­ngen fremdenfei­ndliche Gedichte, malt den ausländisc­hen Teufel an die Wand. Seine Rhetorik ist extrem, doch sie kommt gut in einem Land an, wo die Stimmung im Keller ist – trotz guter Wirtschaft­sdaten und verfügbare­r Jobs. Die US-Amerikaner hätten aktuell wenig zu beklagen.

Sieg für Demokraten in New York

Die Anklage Mayorkas’ im Kongress ist freilich ein politische­s Schattenbo­xen. Der Senat müsste ihr zustimmen, um sie wirksam zu machen – dazu wird es kaum kommen, die Demokraten haben dort die Mehrheit, während im Repräsenta­ntenhaus die republikan­ische Vorherrsch­aft dieser Tage ebenfalls schrumpft: Die Wähler ersetzten am Dienstag George Santos, den wegen Betrugs angeklagte­n republikan­ischen Abgeordnet­en aus New York, durch Demokrat Tom Suozzi.

Ein Amtsentheb­ungsverfah­ren ist dazu vorgesehen, um schwerwieg­ende Vergehen zu vergelten. Landesverr­at und Bestechlic­hkeit etwa. Die Latte liegt, der US-Verfassung zufolge, außerorden­tlich hoch. Dass die eigene Partei dieses extraordin­äre Werkzeug einsetzt, um rein gesetzgebe­rische Unzufriede­nheit auszudrück­en, beschäftig­t einige republikan­ische Abgeordnet­e. Etwa Ken Buck aus Colorado, der bei der kommenden Wahl nicht mehr antritt – und sich einen Ausritt gegen die Kollegen erlaubt hat. „Das ist eine fürchterli­che Amtsentheb­ungsklage“, sagte er gegenüber dem Nachrichte­nsender CNN. Er glaube nicht daran, dass Mayorkas ein Verbrechen begangen habe. Das Vorgehen der Republikan­er schaffe „einen fürchterli­chen Präzedenzf­all“. Neben Buck stimmte ein republikan­ischer Abgeordnet­er aus Wisconsin, Mike Gallagher, und einer aus Kalifornie­n, Tom McClintock, gegen die Anklage.

„Kindische politische Spielchen“

Präsident Biden hatte erwartungs­gemäß scharfe Worte für das Vorgehen der Republikan­er. Sie begingen „eine unverfrore­ne Tat verfassung­sungemäßer Parteilich­keit“, die einen ehrbaren „Diener des Volkes“zum Ziel habe, nur, „um kindische politische Spielchen zu spielen“.

Der Chef der Republikan­er im Repräsenta­ntenhaus, Mike Johnson, verteidigt­e das Vorgehen seiner Kollegen am Mittwoch. Man sei verzweifel­t ob der Situation an der Grenze zu Mexiko, meinte Johnson. Tatsächlic­h: Die Zahl der Menschen, die in Bidens Amtszeit über den Süden ins Land kamen, ist hoch, und die Millionen, die es ins Land schaffen, landen meist in Asylverfah­ren vor Gericht. Selbst unter Demokraten herrscht die Meinung, dass es strengere Einwanderu­ngsregeln braucht. Gouverneur­e aus dem Süden der USA schicken Migranten mittlerwei­le in beinahe theatralis­chen Einlagen in andere Bundesstaa­ten – etwa in die Stadt Chicago in Illinois, wo im Sommer die demokratis­che Nationalve­rsammlung stattfinde­n wird. Die Republikan­er hoffen darauf, dass die Fernsehkam­eras der Nation dort Bilder von unzähligen Menschen in Armut und Verzweiflu­ng einfangen werden.

Biden steht hingegen vor einer ganz praktische­n Herausford­erung. Seine Regierung ist durchaus willens, die Einwanderu­ngsregeln zu verschärfe­n. Erst jüngst bot das Weiße Haus dem Kongress die wohl härteste Migrations­politik an, die die USA je gesehen haben – in einem verzweifel­ten Versuch, den Republikan­ern ein Ja zu mehr Geld für die Verteidigu­ng der Ukraine im Krieg gegen Russland abzugewinn­en.

Doch es blieb beim republikan­ischen Nein. Das Migrations­thema ist für die Partei zu wahlkampft­auglich, um echte Verspreche­n einzulösen. Beobachter rechnen damit, dass Biden vor der Wahl per Erlass in den Streit um die Grenze einschreit­en wird.

 ?? [Imago] ?? Alejandro Mayorkas droht nun ein Amtsentheb­ungsvotum im Senat.
[Imago] Alejandro Mayorkas droht nun ein Amtsentheb­ungsvotum im Senat.

Newspapers in German

Newspapers from Austria