Ein General mit zwei Gesichtern führt Indonesien
Prabowo Subianto erklärte sich zum neuen Präsidenten. Während der Diktatur massakrierte er Gegner, heute tanzt er auf TikTok.
Über dem südostasiatischen Mega-Inselreich Indonesien hängt wieder der dunkle Schatten der Suharto-Militärdiktatur (1967–1998). Denn der loyale Schwiegersohn des verstorbenen Tyrannen dürfte die Präsidentenwahl in der drittgrößten Demokratie der Welt gewonnen haben: Verteidigungsminister Prabowo Subianto (72) erreichte laut vorläufigen Ergebnissen fast 60 Prozent der Stimmen. Schon bevor das endgültige Resultat verkündet wurde, erklärte er sich zum Sieger. „Dieser Sieg muss ein Sieg für das gesamte indonesische Volk sein.“
Seine Regierung werde allen gleichermaßen dienen, unabhängig von ethnischer Zugehörigkeit, Religion oder sozialem Hintergrund, versprach er. Freundlich und versöhnlich präsentierte sich der frühere General, genauso, wie er auf TikTok die Herzen der allerjüngsten Wähler gewonnen hatte: Prabowo gab dort den sanften Großvater, der gern Spaß hat und die Jugend mag. Seine TikTok-Tänze wurden zum Hit.
Doch der Präsident in spe des bevölkerungsreichsten muslimischen Staates der Welt hat ein zweites Gesicht, an das sich junge Indonesier nicht erinnern und das viele Älteren verdrängen: jenes des Massenmörders, der prodemokratische Aktivisten Ende der 1990er-Jahre entführen, foltern und ermorden ließ. Der als Armeechef in Osttimor schwarz gekleidete Ninja-Kämpfer ausbildete, die mordend und plündernd durch Dörfer zogen. Und der auf ähnlich brutale Weise Separatisten in Papua massakrieren ließ.
Prabowo galt als ehrgeizige Nachwuchshoffnung des Suharto-Regimes, schließlich hatte er die Tochter des Diktators geheiratet. Doch der Sturz Suhartos 1998 und der Start des demokratischen Prozesses durchkreuzten seine Pläne. Der zielstrebige Verwandlungskünstler gab nicht auf. Er gründete eine eigene Partei, präsentierte sich als laizistischer Law-and-Order-Politiker. Als Vorbild nannte er den türkischen Staatsgründer, Kemal Atatürk. Doch seine GerindraPartei, ein Sammelbecken für Suharto-Nostalgiker, hatte kaum Erfolg.
Flirt mit Erzfeinden
Daher erfand er sich wieder neu und klopfte ausgerechnet bei Megawati Sukarnoputri an, der Tochter des einstigen Erzfeinds Sukarno. Der Staatsgründer Indonesiens war nach Suhartos Putsch unter Hausarrest gestellt und verstarb danach verbittert.
Prabowo hatte auch mit Megawati keinen Erfolg, ebenso wenig, als er gegen den nun scheidenden Präsidenten Joko Widodo bei Wahlen antrat. Er hetzte und schimpfte auf „Jokowi“. Doch mit den Jahren kamen sich die beiden näher, der Präsident machte den strengen General 2019 sogar zu seinem Verteidigungsminister. Trotzdem wunderten sich viele, als Prabowo ausgerechnet Jokowis Sohn als seinen möglichen Vizepräsidenten nominierte. Vielleicht, munkelt man in Jakarta, wolle Jokowi nicht loslassen. Schließlich machte er das boomende Riesenreich zu einer der vielversprechendsten Volkswirtschaften der Welt. Und einem autoritären Regierungsstil war er am Ende seiner langen Amtszeit nicht mehr wirklich abgeneigt.