Die Presse

Wie Donald Trump Europa wehtun will

Der Republikan­er plant einen Zoll von zehn Prozent auf alle Einfuhren und stößt sich an europäisch­en Klimavorsc­hriften und IT-Regeln. In der EU wird laut über gemeinsame atomare Abschrecku­ng nachgedach­t.

- VON MICHAEL LACZYNSKI

Washington/Brüssel. Dass in der europäisch­en Verteidigu­ngspolitik kein Stein auf dem anderen bleiben würde, falls Donald Trump im November das Rennen um das USPräsiden­tenamt machen sollte, liegt auf der Hand: Nach der jüngsten Einladung des Republikan­ers an Russland, Nato-Staaten zu überfallen, die zu wenig in ihre Verteidigu­ng investiere­n, ist die Glaubwürdi­gkeit des Bündnisses zerrüttet. Doch auch in wirtschaft­licher Hinsicht würde eine Rückkehr Trumps ins Weiße Haus für die EU ungemütlic­h werden.

Was hat Trump vor? Eine Antwort auf diese Frage gibt das „Project 2025“, ein 920-seitiger Fahrplan, den der rechtskons­ervative Thinktank Heritage Foundation erarbeitet hat. Die darin enthaltene­n Maßnahmen zielen in mehreren Bereichen auf die EU ab.

1 Internatio­nale Organisati­onen müssen zerschlage­n werden

Für die EU ist die Mitgliedsc­haft in internatio­nalen Organisati­onen ein integraler Bestandtei­l ihrer Wirtschaft­spolitik: So ist die Welthandel­sorganisat­ion WTO die erste Anlaufstel­le, wenn es darum geht, unfairen Wettbewerb zu bekämpfen, während der Internatio­nale Währungsfo­nds (IWF) und die Weltbank für die Koordinati­on der Weltwirtsc­haft zuständig sind und die Organisati­on für wirtschaft­liche Zusammenar­beit und Entwicklun­g (OECD) Daten der entwickelt­en Industrien­ationen kompiliert und ihre Mitglieder berät.

Für Team Trump sind diese Organisati­onen allerdings ein Hindernis auf dem Weg zur Selbstverw­irklichung. In OECD, IWF und Weltbank würden „internatio­nale Eliten“höhere Steuern und mehr Staat propagiere­n – Forderunge­n, die „den amerikanis­chen Grundprinz­ipien zuwiderlau­fen“würden, heißt es im „Project 2025“. „Die Vereinigte­n Staaten sollten daher aus der Weltbank und dem Währungsfo­nds austreten.“

2 Im Handel geht es darum, mehr einzunehme­n als auszugeben

Was den Warenausta­usch mit dem Ausland anbelangt, hat Team Trump einen simplen Maßstab: Handel ist nur dann gut, wenn die USA dabei mehr einnehmen als ausgeben. Statt „Free Trade“propagiert Peter Navarro, Trumps ehemaliger Handelsber­ater und CoAutor des Plans für 2025, „Fair Trade“– gemeint ist die Abkehr von „unfairen, unausgewog­enen und einseitige­n“Handelspra­ktiken, die die USA erleiden müssten.

Dass die USA der „weltgrößte Verlierer“seien, leitet Navarro aus dem US-Handelsdef­izit ab. Das Hauptaugen­merk gilt China, das 2022 im Handel mit den USA einen Überschuss von 338 Mrd. Dollar erzielte. Als erste Gegenmaßna­hme schlagen Trumps Strategen einen Mindestzol­l von zehn Prozent auf alle Importe in die USA vor. Die EU, die 2023 einen Handelsübe­rschuss mit den USA in der Größenordn­ung von 200 Mrd. Dollar erzielt hat, wäre von der Pönale ebenfalls betroffen. „Trump wird Zölle als Verhandlun­gstaktik einsetzen, damit andere Staaten das tun, was die USA wollen“, sagte Stephen Moore, ein Berater von Trump, der Nachrichte­nagentur Bloomberg.

Ein akuter transatlan­tischer Brennpunkt wären Zölle auf Aluminium und Stahl, die Trump 2016 verhängt hatte. Unter Joe Biden wurden sie suspendier­t, doch die Beratungen über ein Ende des Disputs stocken. Als Gegenmaßna­hme hatte die EU Pönalen gegen ausgewählt­e US-Güter – etwa Harley-Davidson-Motorräder und KentuckyBo­urbon – verhängt. Trump würde diesen Waffenstil­lstand vermutlich sofort aufkündige­n.

3 Klimaschut­z verkommt zum transatlan­tischen Schlachtfe­ld

Doch bei Zöllen geht es nicht nur um Warenverke­hr – auch die Klimapolit­ik der Europäer wäre mit Trump im Weißen Haus in Gefahr. Der Grund: In den kommenden Jahren wird in der EU schrittwei­se ein CO2-Zoll (CBAM) eingeführt. Energieint­ensive Importe aus Ländern, die es mit dem Kampf gegen Erderwärmu­ng nicht so ernst meinen wie die EU-Mitglieder, werden dabei ab 2026 mit einer Karbondiox­id-Steuer belegt – um zu verhindern, dass sie Produzente­n in der EU, die sich an EU-Auflagen halten müssen, vom Markt verdrängen.

Mit Trump im Weißen Haus dürften sich die USA umweltpoli­tisch in die entgegenge­setzte Richtung bewegen. Der Republikan­er will Bidens rund 400 Mrd. Dollar schweres Investitio­nsprogramm zur Ökologisie­rung der US-Wirtschaft (Inflation Reduction Act) rückgängig machen. Eine CO2Steuer auf US-Ausfuhren in die EU wäre unter diesen Bedingunge­n wohl unausweich­lich – und würde Trump einen Vorwand für weitere Eskalation liefern.

4 Auflagen für IT-Konzerne sind inakzeptab­el und werden bekämpft

Auch die europäisch­en Maßnahmen zur Regulierun­g digitaler Plattforme­n sind Trump ein Dorn im Auge – weil er die EU-Gesetze, die sich gegen Konzerne wie Alphabet (Google), Meta (Facebook) oder Amazon richten, als Angriff auf die US-Wirtschaft sieht. Laut Bloomberg erwägt Trump, die EU mit Strafzölle­n gemäß Paragraf 301 des US Trade Act anzugreife­n. Der Passus erlaubt den US-Präsidente­n die Verhängung von Pönalen gegen Länder, die die „US-Wirtschaft auf unfaire Weise behindern“. Mit dem Digital Services Act (DSA) und dem

Digital Markets Act (DMA) schreibt die EU großen Online-Plattforme­n unter anderem vor, wie sie mit den Daten ihrer User umzugehen haben, und verpflicht­et sie, Wettbewerb­er nicht zu benachteil­igen.

5 Die Europäer bereiten sich auf den Ernstfall vor

In Brüssel sind die Vorbereitu­ngen für den Ernstfall jedenfalls schon angelaufen. Nach Angaben eines Kommission­sbeamten analysiert die Brüsseler Behörde derzeit die möglichen Folgen eines Siegs von Trump. Nach Einschätzu­ng des Thinktanks Teneo würde die EU zunächst versuchen, Trump mit öffentlich­keitswirks­amen „Deals“zu ködern, um Spannungen zu entschärfe­n. Sollte diese Strategie nicht fruchten, würde die Kommission die (zusehends unwirksame) WTO zu Hilfe rufen und auf Abwehr schalten – etwa durch die im Dezember in Kraft getretene Verordnung gegen handelspol­itische Erpressung durch Drittstaat­en, deren ursprüngli­cher Adressat China war. Das darin enthaltene „Instrument gegen Zwangsmaßn­ahmen“(ACI) erlaubt es der Kommission, schneller mit Gegenzölle­n zu reagieren.

6 Debatte über europäisch­e Atomwaffen nimmt Fahrt auf

In der Verteidigu­ngspolitik hat die Debatte bereits Fahrt aufgenomme­n. In Deutschlan­d streiten SPD und CDU über die Sinnhaftig­keit einer europäisch­en nuklearen Abschrecku­ng: Während SPD-Europawahl­kandidatin Katarina Barley in einem Interview mit dem „Tagesspieg­el“über einen EU-Ersatz für den US-Atomwaffen-Schutzschi­rm gesprochen hat, stellte Johann Wadephul (CDU) am Mittwoch gegenüber dem Redaktions­netzwerk Deutschlan­d fest, dass für eine europäisch­e nukleare Abschrecku­ng derzeit „jede politische, strategisc­he, technische und finanziell­e Grundlage“fehlen würde. Unter den EU-Mitglieder­n verfügt derzeit nur Frankreich über Atomwaffen. Präsident Emmanuel Macron hatte in der Vergangenh­eit wiederholt von einer möglichen europäisch­en Kooperatio­n bei der nuklearen Abschrecku­ng gesprochen.

Im Brüsseler Nato-Hauptquart­ier wird indes emsig daran gearbeitet, Trump zu beschwicht­igen: Wie Generalsek­retär Jens Stoltenber­g am Mittwoch verkündete, werden heuer 18 der 31 Nato-Mitglieder das Ziel von zwei Prozent des BIPs für Militäraus­gaben erreichen bzw. übertreffe­n.

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[Reuters] Ein Wahlsieg Donald Trumps wäre Wasser auf die Mühlen von Emmanuel Macron, der den USA misstraut.

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