Wie Donald Trump Europa wehtun will
Der Republikaner plant einen Zoll von zehn Prozent auf alle Einfuhren und stößt sich an europäischen Klimavorschriften und IT-Regeln. In der EU wird laut über gemeinsame atomare Abschreckung nachgedacht.
Washington/Brüssel. Dass in der europäischen Verteidigungspolitik kein Stein auf dem anderen bleiben würde, falls Donald Trump im November das Rennen um das USPräsidentenamt machen sollte, liegt auf der Hand: Nach der jüngsten Einladung des Republikaners an Russland, Nato-Staaten zu überfallen, die zu wenig in ihre Verteidigung investieren, ist die Glaubwürdigkeit des Bündnisses zerrüttet. Doch auch in wirtschaftlicher Hinsicht würde eine Rückkehr Trumps ins Weiße Haus für die EU ungemütlich werden.
Was hat Trump vor? Eine Antwort auf diese Frage gibt das „Project 2025“, ein 920-seitiger Fahrplan, den der rechtskonservative Thinktank Heritage Foundation erarbeitet hat. Die darin enthaltenen Maßnahmen zielen in mehreren Bereichen auf die EU ab.
1 Internationale Organisationen müssen zerschlagen werden
Für die EU ist die Mitgliedschaft in internationalen Organisationen ein integraler Bestandteil ihrer Wirtschaftspolitik: So ist die Welthandelsorganisation WTO die erste Anlaufstelle, wenn es darum geht, unfairen Wettbewerb zu bekämpfen, während der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Weltbank für die Koordination der Weltwirtschaft zuständig sind und die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) Daten der entwickelten Industrienationen kompiliert und ihre Mitglieder berät.
Für Team Trump sind diese Organisationen allerdings ein Hindernis auf dem Weg zur Selbstverwirklichung. In OECD, IWF und Weltbank würden „internationale Eliten“höhere Steuern und mehr Staat propagieren – Forderungen, die „den amerikanischen Grundprinzipien zuwiderlaufen“würden, heißt es im „Project 2025“. „Die Vereinigten Staaten sollten daher aus der Weltbank und dem Währungsfonds austreten.“
2 Im Handel geht es darum, mehr einzunehmen als auszugeben
Was den Warenaustausch mit dem Ausland anbelangt, hat Team Trump einen simplen Maßstab: Handel ist nur dann gut, wenn die USA dabei mehr einnehmen als ausgeben. Statt „Free Trade“propagiert Peter Navarro, Trumps ehemaliger Handelsberater und CoAutor des Plans für 2025, „Fair Trade“– gemeint ist die Abkehr von „unfairen, unausgewogenen und einseitigen“Handelspraktiken, die die USA erleiden müssten.
Dass die USA der „weltgrößte Verlierer“seien, leitet Navarro aus dem US-Handelsdefizit ab. Das Hauptaugenmerk gilt China, das 2022 im Handel mit den USA einen Überschuss von 338 Mrd. Dollar erzielte. Als erste Gegenmaßnahme schlagen Trumps Strategen einen Mindestzoll von zehn Prozent auf alle Importe in die USA vor. Die EU, die 2023 einen Handelsüberschuss mit den USA in der Größenordnung von 200 Mrd. Dollar erzielt hat, wäre von der Pönale ebenfalls betroffen. „Trump wird Zölle als Verhandlungstaktik einsetzen, damit andere Staaten das tun, was die USA wollen“, sagte Stephen Moore, ein Berater von Trump, der Nachrichtenagentur Bloomberg.
Ein akuter transatlantischer Brennpunkt wären Zölle auf Aluminium und Stahl, die Trump 2016 verhängt hatte. Unter Joe Biden wurden sie suspendiert, doch die Beratungen über ein Ende des Disputs stocken. Als Gegenmaßnahme hatte die EU Pönalen gegen ausgewählte US-Güter – etwa Harley-Davidson-Motorräder und KentuckyBourbon – verhängt. Trump würde diesen Waffenstillstand vermutlich sofort aufkündigen.
3 Klimaschutz verkommt zum transatlantischen Schlachtfeld
Doch bei Zöllen geht es nicht nur um Warenverkehr – auch die Klimapolitik der Europäer wäre mit Trump im Weißen Haus in Gefahr. Der Grund: In den kommenden Jahren wird in der EU schrittweise ein CO2-Zoll (CBAM) eingeführt. Energieintensive Importe aus Ländern, die es mit dem Kampf gegen Erderwärmung nicht so ernst meinen wie die EU-Mitglieder, werden dabei ab 2026 mit einer Karbondioxid-Steuer belegt – um zu verhindern, dass sie Produzenten in der EU, die sich an EU-Auflagen halten müssen, vom Markt verdrängen.
Mit Trump im Weißen Haus dürften sich die USA umweltpolitisch in die entgegengesetzte Richtung bewegen. Der Republikaner will Bidens rund 400 Mrd. Dollar schweres Investitionsprogramm zur Ökologisierung der US-Wirtschaft (Inflation Reduction Act) rückgängig machen. Eine CO2Steuer auf US-Ausfuhren in die EU wäre unter diesen Bedingungen wohl unausweichlich – und würde Trump einen Vorwand für weitere Eskalation liefern.
4 Auflagen für IT-Konzerne sind inakzeptabel und werden bekämpft
Auch die europäischen Maßnahmen zur Regulierung digitaler Plattformen sind Trump ein Dorn im Auge – weil er die EU-Gesetze, die sich gegen Konzerne wie Alphabet (Google), Meta (Facebook) oder Amazon richten, als Angriff auf die US-Wirtschaft sieht. Laut Bloomberg erwägt Trump, die EU mit Strafzöllen gemäß Paragraf 301 des US Trade Act anzugreifen. Der Passus erlaubt den US-Präsidenten die Verhängung von Pönalen gegen Länder, die die „US-Wirtschaft auf unfaire Weise behindern“. Mit dem Digital Services Act (DSA) und dem
Digital Markets Act (DMA) schreibt die EU großen Online-Plattformen unter anderem vor, wie sie mit den Daten ihrer User umzugehen haben, und verpflichtet sie, Wettbewerber nicht zu benachteiligen.
5 Die Europäer bereiten sich auf den Ernstfall vor
In Brüssel sind die Vorbereitungen für den Ernstfall jedenfalls schon angelaufen. Nach Angaben eines Kommissionsbeamten analysiert die Brüsseler Behörde derzeit die möglichen Folgen eines Siegs von Trump. Nach Einschätzung des Thinktanks Teneo würde die EU zunächst versuchen, Trump mit öffentlichkeitswirksamen „Deals“zu ködern, um Spannungen zu entschärfen. Sollte diese Strategie nicht fruchten, würde die Kommission die (zusehends unwirksame) WTO zu Hilfe rufen und auf Abwehr schalten – etwa durch die im Dezember in Kraft getretene Verordnung gegen handelspolitische Erpressung durch Drittstaaten, deren ursprünglicher Adressat China war. Das darin enthaltene „Instrument gegen Zwangsmaßnahmen“(ACI) erlaubt es der Kommission, schneller mit Gegenzöllen zu reagieren.
6 Debatte über europäische Atomwaffen nimmt Fahrt auf
In der Verteidigungspolitik hat die Debatte bereits Fahrt aufgenommen. In Deutschland streiten SPD und CDU über die Sinnhaftigkeit einer europäischen nuklearen Abschreckung: Während SPD-Europawahlkandidatin Katarina Barley in einem Interview mit dem „Tagesspiegel“über einen EU-Ersatz für den US-Atomwaffen-Schutzschirm gesprochen hat, stellte Johann Wadephul (CDU) am Mittwoch gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland fest, dass für eine europäische nukleare Abschreckung derzeit „jede politische, strategische, technische und finanzielle Grundlage“fehlen würde. Unter den EU-Mitgliedern verfügt derzeit nur Frankreich über Atomwaffen. Präsident Emmanuel Macron hatte in der Vergangenheit wiederholt von einer möglichen europäischen Kooperation bei der nuklearen Abschreckung gesprochen.
Im Brüsseler Nato-Hauptquartier wird indes emsig daran gearbeitet, Trump zu beschwichtigen: Wie Generalsekretär Jens Stoltenberg am Mittwoch verkündete, werden heuer 18 der 31 Nato-Mitglieder das Ziel von zwei Prozent des BIPs für Militärausgaben erreichen bzw. übertreffen.