„Eigentlich bin ich Optimist“
„Golden Days“kann Bernhard Eder in seinen düsteren Texten derzeit zwar nur wenige erkennen. Aber man kann auch einfach seine Musik hören.
Bernhard Eder sitzt im Café Jelinek, und als ein „Augustin“-Verkäufer kommt, nimmt er ihm ein paar Exemplare ab. Nicht nur, aber auch, weil sich nach ein bisschen Blättern bestätigt, was er vermutet hat: Auch darin findet sich eine umfangreiche Geschichte zu seinem jüngsten Album. Wie überhaupt so ziemlich alle darüber geschrieben haben.
Nicht mit allem ist er ganz glücklich, wiewohl das Feedback einhellig positiv ist. Er werde sich in Zukunft genauer überlegen, worüber er schreibt, sinniert Eder, nachdem sich deutsche Medien vorrangig auf seine Texte gestürzt haben. Denn ja, die sind düster und dystopisch. „Aber hallo, das ist auch Musik!“kontert Eder. „Das groovt!“
Die Basis dieser Musik wurde vor fünf Jahren mit seiner damaligen Liveband gelegt. Um den Vibe von Marlene Lacherstorfer oder Max Perner (Garish, Thees Uhlmann) einzufangen, hatte er die Truppe im Rahmen des SKE-„Sommerstudio“-Programms im Studio 2 des Radiokulturhauses versammelt. „Und dann sitzt man in diesem wunderschönen Studio, das ausschaut wie Abbey Road, im Kreis und spielt einen Take nach dem anderen ein.“
Absurder Walzer
An diesen Tracks hat Eder, für viele ein Fixstern der heimischen AlternativeLandschaft, seither weitergearbeitet. Wie immer ist sein Grundton melancholisch, wenn er zum Flug durch die Ruinen von „Touropa“(eine „tragische Oper“) bittet. Seine Kritik am „Unbeauty Regime“mündet in einen absurden Walzer: „We are fucked, but this is just the beginning.“Und doch, es blitzen optimistische Seiten durch. „Es ist immer dieser Funken Hoffnung drin. Es ist nicht alles schlecht.“Tatsächlich, sagt Eder, sei er Optimist. „Es glaubt mir nur niemand.“
Der Titelsong, „Golden Days“, ist demnach auch nur ein trügerischer Abgesang auf vermeintlich bessere Zeiten. Inhaltlich geht es in dem Lied vor allem um den Missbrauch von Medikamenten. Eder persönlich bezieht sich dabei zum einen auf seine Schwester, die vor zwei Jahren an Herzversagen gestorben ist. „Sie war behindert und wurde über Jahre massiv überdosiert, weil sie in der Psychiatrie als auffällig eingestuft wurde. Meine Schwester hatte 35 Kilo und hat die Menge eines 80-Kilo-Menschen verschrieben bekommen.“
Mehr noch geht es um seine Großmutter, der die Ärzte ebenfalls alles Mögliche verordneten. „Sie hat bald aufgegeben, hat in den letzten Jahren nichts mehr gemacht, nur Radio gehört und christliche Broschüren gelesen, in denen vom Weltuntergang die Rede war.“Dass früher alles besser war, wie die Großmutter behauptete, bezweifelt er. „Diese guten alten Zeiten waren Zweiter Weltkrieg und Kalter Krieg. Kriege und Krisen hat es immer gegeben.“Nur mit dem Unterschied, dass man die Klimakrise schwer beenden könne. „Die haben wir uns eingebrockt.“
Was der Klimawandel im Einzelnen bedeutet, kann seine Mutter berichten, die mit über 70 immer noch jenen kleinen Biohof im Hausruck bewirtschaftet, den zu übernehmen Eder sich nicht vorstellen kann. Sie sieht, wenn im Fichtenwald der Borkenkäfer wütet, das Gemüse spinnt oder im Mai wieder Winter ist. Aber dann gibt es dort auch wieder einen wunderschönen Obstgarten. Ein Foto davon, von seiner Mutter geschossen, ziert eine frühere Single, mit der er den Tod seiner Schwester verarbeitet hat: „For Lu“.
Das aktuelle Cover wiederum zeigt eine abstrakte Malerei einer Bekannten aus Hamburg, ein großer Fan seiner Musik. Seine Nichtpräsenz in Berlin seit Pandemiebeginn sei freilich langsam zu spüren, berichtet Eder, der einige Jahre in der deutschen Hauptstadt gelebt hat. Überhaupt sei in Deutschland die Clubszene zuletzt massiv geschrumpft. Anders als im doch stärker subventionierten Österreich hätten dort viele aufgegeben und sich andere Jobs gesucht. Konzerttermine gibt es zwar einige, „aber ich krieg viele Mails, warum ich nicht da spiele oder dort“.
Am Landestheater St. Pölten hat Eder zuletzt den Soundtrack zu Wolfgang Herrndorfs „Tschick“geschrieben; zur Wiedereröffnung des Werk X als Theater am Werk für „Die Verlorenen“, am Reinhardt-Seminar für „Shoppen und Ficken“über eine kaputte Jugendclique: „Viele Bässe“, sagt er. Über ein Theaterprojekt (am Vestibül) entstand auch sein Bandprojekt „Low Life Rich Kids“mit Mara Romei und Coco Brell.
„Angst“hieß das Lied, das FM4 rund um die Uhr zu spielen begann, „dann gab es irgendwann Anfragen von Labels“. Irgendwann habe man ein Meeting einberufen. Wollte man weitermachen? Kann und will er das, freche deutsche Popsongs schreiben? Er kann, im Sommer kommt die erste EP.