Wahlkampf mit Arbeitslosengeld
Die ÖVP bringt einen Vorschlag wieder ins Spiel, der bislang an den Grünen gescheitert ist: ein schrittweise sinkendes Arbeitslosengeld.
Das Arbeitslosengeld ist ein Reizthema, und in Wahlkampfzeiten sind Reizthemen eine harte Währung. Das weiß die Kanzlerpartei ÖVP, die am Mittwoch ausrückte: Das Arbeitslosengeld soll gesenkt werden, auf unter 50 Prozent, zitierte die APA aus einem „Papier“. Die Schlagzeilen waren der Partei sicher. „Neuer Plan: ÖVP will AMSGeld jetzt drastisch kürzen“, titelte die Boulevardzeitung „Heute“.
Nur dass an dem Plan genau genommen überhaupt nichts neu ist. Die ÖVP stellt sich ein „degressives, zeitabhängiges Arbeitslosengeld mit einem Absinken der Ersatzrate von aktuell 55 Prozent auf unter 50 Prozent“vor. Damit sollen Menschen rascher in Beschäftigung gebracht und „Leistung in den Vordergrund gestellt“werden. Diese
Idee sei auf Basis des ÖsterreichPlans ausgearbeitet worden, den Bundeskanzler Karl Nehammer unlängst vorgestellt hat, heißt es aus seinem Büro.
Nicht mit Kocher abgesprochen
Das degressive Arbeitslosengeld war ein zentraler Teil der Arbeitsmarktreform, über die Arbeitsminister Martin Kocher mit den Grünen verhandelt hatte. Sie kam bekanntlich nicht zustande. Nun will die ÖVP das Thema erneut auf die Agenda bringen, sollte sie auch der nächsten Regierung angehören. Damit soll die Senkung der Lohnnebenkosten mitfinanziert werden: Laut ÖVP sollen diese bis 2030 insgesamt fünf Mal um je 0,5 Prozentpunkte reduziert werden.
Ein degressives Arbeitslosengeld bedeutet, dass Jobsuchende zu Beginn der Arbeitslosigkeit mehr und mit anhaltender Dauer der Arbeitslosigkeit weniger Geld erhalten. In anderen Ländern gibt es das bereits: In Schweden beispielsweise erhält man zu Beginn 80 Prozent seiner letzten Bezüge als Arbeitslosengeld, es sinkt dann aber schrittweise. In Österreich erhalten Arbeitslose standardmäßig 55 Prozent
ihrer letzten Bezüge. Inklusive Zuschläge, beispielsweise für Familien, ist es deutlich mehr. Das Arbeitslosengeld ist in Österreich im internationalen Vergleich niedrig. Dafür wird es praktisch unbegrenzt ausbezahlt, durch die Notstandshilfe: Sie beträgt standardmäßig etwa 51 Prozent der letzten Bezüge.
Mit Arbeitsminister Kocher (er ist kein Parteimitglied) war der ÖVP-Vorstoß übrigens nicht abgesprochen, doch er sei zu begrüßen, wie es aus seinem Büro zur „Presse“heißt: „Eine degressive Gestaltung des Arbeitslosengeldes schafft Anreizwirkungen, rasch wieder eine Beschäftigung aufzunehmen.“
Zuverdienst einschränken
Auch „Konzepte zur weiteren Einschränkung von Zuverdienstmöglichkeiten“während des Bezugs von Arbeitslosengeld seien zu begrüßen, hieß es aus Kochers Büro. Arbeitslose dürfen zu Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe geringfügig dazuverdienen, ohne einen Euro ihrer Bezüge zu verlieren. 2024 liegt die Geringfügigkeitsgrenze bei 518,44 Euro monatlich. Experten bezeichnen das als „Inaktivitätsfalle“. (hie)