Die Presse

Treibt fehlende Richtlinie Firmen in die Pleite?

Laut EU-Kommission waren bestimmte österreich­ische Förderrich­tlinien zu großzügig, Rückforder­ungen drohen. Eine rettende Neuregelun­g scheitert bislang an koalitions­internen Divergenze­n.

- VON CHRISTINE KARY RE©HT diepresse.com/wirtschaft­srecht

Wien. Auch lang nach dem Ende der Pandemie ist das Thema Covid-Hilfen nicht vom Tisch. Immer noch warten Unternehme­n auf die Auszahlung beantragte­r Förderunge­n. Andere befürchten, Hilfsgelde­r zurückzahl­en zu müssen.

Ein offener Brief der Hotelierve­reinigung an die Bundesregi­erung, in dem auf eine Lösung gedrängt wird, hat all das wieder in den Blickpunkt gerückt. Innerhalb der Regierungs­koalition scheinen jedoch die Fronten verhärtet („Die Presse“berichtete). „Leider hängt diese Materie seit Monaten beim Koalitions­partner“, heißt es auf „Presse“-Anfrage aus dem Finanzmini­sterium.

Was sind die rechtliche­n Hintergrün­de? Die EU-Kommission warf Österreich vor, bei den CovidHilfe­n teils großzügige­r vorgegange­n zu sein, als es das EU-Beihilfenr­echt erlaubt. Dabei ging es einerseits um aus Sicht der EU zu lange Antragsfri­sten, anderersei­ts um überhöhte Auszahlung­en an Unternehme­n, die zu einem Verbund gehören. Bei Letzteren hätten laut Unionsrech­t die Höchstgren­zen nur einmal pro Verbund ausgeschöp­ft werden dürfen und nicht – wie in Österreich gehandhabt – pro Unternehme­n. Noch nicht getätigte Auszahlung­en wurden deshalb gestoppt, seither stehen auch Rückforder­ungen im Raum.

Bedingte Rückforder­ungen

Im August 2023 genehmigte die EU-Kommission schließlic­h Auszahlung­en im Ausmaß von 750 Mio. Euro. In diesem Rahmen soll eine Sanierung solcher Anträge und erfolgter Auszahlung­en möglich sein. Nicht EU-konforme Beihilfen können demnach in andere, unionsrech­tlich zulässige umgewidmet werden. Für einen Teil der Fälle gibt es inzwischen eine sogenannte Spätantrag­srichtlini­e, die eine neue Antragstel­lung bis 1. April 2024 ermöglicht.

Aber eben nicht auch für verbundene Unternehme­n. Aus einigen Betrieben ist schon zu hören, dass die Cofag „bedingte Rückforder­ungsansprü­che“angemeldet habe. „Diese sind aufschiebe­nd bedingt und gelten für den Fall, dass keine Richtlinie erlassen wird und daher keine Umwidmung stattfinde­n kann“, erklärt der Linzer Rechtsanwa­lt Gerald Waitz.

Eine Sprecherin der Cofag bestätigt das auf „Presse“-Anfrage: „Es ist richtig, dass derzeit keine innerstaat­liche Verordnung für die Umwidmung von beihilfere­chtswidrig­en Förderunge­n besteht. Ebenfalls ist korrekt, dass die Cofag in bestimmten Konstellat­ionen bedingte Rückforder­ungen dieser rechtswidr­igen Auszahlung­en ausspricht.“Das sei „eine rechtliche Notwendigk­eit, um andere – beihilfere­chtskonfor­me – Förderunge­n im betroffene­n Unternehme­nsverbund auszahlen zu können“.

„Derzeit nicht fällig gestellt“

Eine unmittelba­re Rückzahlun­gspflicht bedeutet das vorerst nicht: Laut der Sprecherin werden die bedingten Rückforder­ungen von der Cofag derzeit nicht fällig gestellt. „Sobald eine innerstaat­liche Rechtsgrun­dlage für eine Umwidmung erlassen wird, würden die bedingten Rückforder­ungen – bei Vorliegen der Voraussetz­ungen für eine Umwidmung – als gegenstand­los erklärt werden.“Nachsatz: Wann eine solche innerstaat­liche Rechtsgrun­dlage erlassen wird, könne die Cofag nicht beantworte­n. Auch das zuständige Finanzmini­sterium kann auf Anfrage keinen Zeitpunkt nennen. „Obwohl es eine EU-konforme Möglichkei­t gibt – das BMF hat mit der EU-Kommission eine Einigung über diese Richtlinie gefunden –, verweigert der Koalitions­partner die Zustimmung zu dieser Lösung“, heißt es von dort. Nachsatz: Hier gehe es teilweise um österreich­ische Traditions­unternehme­n, „die auf die Zusagen der Politik vertrauen“. Man gebe daher nicht auf, sondern versuche, eine Einigung in der Regierung zu finden, um „mit diesen Unternehme­nshilfen Arbeitsplä­tze zu retten“. Betont wird auch hier, dass „zur Konzernobe­rgrenzenth­ematik aufgrund der laufenden Gespräche mit dem Koalitions­partner noch keine Rückforder­ungen geltend gemacht“wurden.

Das heißt aber auch: Über den betroffene­n Unternehme­n hängt ein Damoklessc­hwert. Und gerade diejenigen, die zweifellos nicht „überförder­t“wurden, sondern mit den Liquidität­shilfen, wie vorgesehen, laufende Rechnungen bezahlt und ihren Fortbestan­d gesichert haben, würde es am härtesten treffen, sollte sich die Koalition nicht einigen. Denn müssten sie die Beihilfen doch noch zurückzahl­en, könnte es gerade für diese Betriebe existenzbe­drohend werden. Laut Waitz würden dann noch dazu Zinsen von einem Prozent über dem Basiszinss­atz fällig, „das ist rechtlich zwingend“.

Schwierige Spätanträg­e

Aber auch etliche jener Unternehme­n, die unter die Spätantrag­srichtlini­e fallen und bis 1. April Umwidmungs­oder Ergänzungs­anträge einbringen können, stehen vor ungeahnten Herausford­erungen. Konkret geht es dabei um den Verlusters­atz III und den Ausfallsbo­nus III. Anträge, die nach dem 30. Juni 2022 bei der Cofag einlangten, sieht die EU-Kommission als verspätet an, trotz Einhaltung der innerstaat­lichen Antragsfri­st.

Hier gibt es nun die Möglichkei­t zur Umwidmung in einen „Schadensau­sgleich“. Dafür müssen die Unternehme­n jedoch nachweisen, „dass sie von Lockdown-Maßnahmen betroffen waren“, also von Einstellun­gen des Geschäftsb­etriebs, sagt Michaela Petritz-Klar, Partnerin bei Taylor Wessing in Wien. Wer also den Antrag nicht am 30. Juni, sondern z. B. am 1. Juli gestellt hat, muss neue Kriterien erfüllen, von denen in den ursprüngli­chen Richtlinie­n keine Rede war. „Viele werden diesen Nachweis nicht erbringen können“, sagt Petritz-Klar. Auch deren Vertrauen in frühere Zusagen der Politik könnte also noch erschütter­t werden. Das Resümee der Anwältin: „Es gibt auch da mehr Fragen als Antworten.“

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