Treibt fehlende Richtlinie Firmen in die Pleite?
Laut EU-Kommission waren bestimmte österreichische Förderrichtlinien zu großzügig, Rückforderungen drohen. Eine rettende Neuregelung scheitert bislang an koalitionsinternen Divergenzen.
Wien. Auch lang nach dem Ende der Pandemie ist das Thema Covid-Hilfen nicht vom Tisch. Immer noch warten Unternehmen auf die Auszahlung beantragter Förderungen. Andere befürchten, Hilfsgelder zurückzahlen zu müssen.
Ein offener Brief der Hoteliervereinigung an die Bundesregierung, in dem auf eine Lösung gedrängt wird, hat all das wieder in den Blickpunkt gerückt. Innerhalb der Regierungskoalition scheinen jedoch die Fronten verhärtet („Die Presse“berichtete). „Leider hängt diese Materie seit Monaten beim Koalitionspartner“, heißt es auf „Presse“-Anfrage aus dem Finanzministerium.
Was sind die rechtlichen Hintergründe? Die EU-Kommission warf Österreich vor, bei den CovidHilfen teils großzügiger vorgegangen zu sein, als es das EU-Beihilfenrecht erlaubt. Dabei ging es einerseits um aus Sicht der EU zu lange Antragsfristen, andererseits um überhöhte Auszahlungen an Unternehmen, die zu einem Verbund gehören. Bei Letzteren hätten laut Unionsrecht die Höchstgrenzen nur einmal pro Verbund ausgeschöpft werden dürfen und nicht – wie in Österreich gehandhabt – pro Unternehmen. Noch nicht getätigte Auszahlungen wurden deshalb gestoppt, seither stehen auch Rückforderungen im Raum.
Bedingte Rückforderungen
Im August 2023 genehmigte die EU-Kommission schließlich Auszahlungen im Ausmaß von 750 Mio. Euro. In diesem Rahmen soll eine Sanierung solcher Anträge und erfolgter Auszahlungen möglich sein. Nicht EU-konforme Beihilfen können demnach in andere, unionsrechtlich zulässige umgewidmet werden. Für einen Teil der Fälle gibt es inzwischen eine sogenannte Spätantragsrichtlinie, die eine neue Antragstellung bis 1. April 2024 ermöglicht.
Aber eben nicht auch für verbundene Unternehmen. Aus einigen Betrieben ist schon zu hören, dass die Cofag „bedingte Rückforderungsansprüche“angemeldet habe. „Diese sind aufschiebend bedingt und gelten für den Fall, dass keine Richtlinie erlassen wird und daher keine Umwidmung stattfinden kann“, erklärt der Linzer Rechtsanwalt Gerald Waitz.
Eine Sprecherin der Cofag bestätigt das auf „Presse“-Anfrage: „Es ist richtig, dass derzeit keine innerstaatliche Verordnung für die Umwidmung von beihilferechtswidrigen Förderungen besteht. Ebenfalls ist korrekt, dass die Cofag in bestimmten Konstellationen bedingte Rückforderungen dieser rechtswidrigen Auszahlungen ausspricht.“Das sei „eine rechtliche Notwendigkeit, um andere – beihilferechtskonforme – Förderungen im betroffenen Unternehmensverbund auszahlen zu können“.
„Derzeit nicht fällig gestellt“
Eine unmittelbare Rückzahlungspflicht bedeutet das vorerst nicht: Laut der Sprecherin werden die bedingten Rückforderungen von der Cofag derzeit nicht fällig gestellt. „Sobald eine innerstaatliche Rechtsgrundlage für eine Umwidmung erlassen wird, würden die bedingten Rückforderungen – bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine Umwidmung – als gegenstandlos erklärt werden.“Nachsatz: Wann eine solche innerstaatliche Rechtsgrundlage erlassen wird, könne die Cofag nicht beantworten. Auch das zuständige Finanzministerium kann auf Anfrage keinen Zeitpunkt nennen. „Obwohl es eine EU-konforme Möglichkeit gibt – das BMF hat mit der EU-Kommission eine Einigung über diese Richtlinie gefunden –, verweigert der Koalitionspartner die Zustimmung zu dieser Lösung“, heißt es von dort. Nachsatz: Hier gehe es teilweise um österreichische Traditionsunternehmen, „die auf die Zusagen der Politik vertrauen“. Man gebe daher nicht auf, sondern versuche, eine Einigung in der Regierung zu finden, um „mit diesen Unternehmenshilfen Arbeitsplätze zu retten“. Betont wird auch hier, dass „zur Konzernobergrenzenthematik aufgrund der laufenden Gespräche mit dem Koalitionspartner noch keine Rückforderungen geltend gemacht“wurden.
Das heißt aber auch: Über den betroffenen Unternehmen hängt ein Damoklesschwert. Und gerade diejenigen, die zweifellos nicht „überfördert“wurden, sondern mit den Liquiditätshilfen, wie vorgesehen, laufende Rechnungen bezahlt und ihren Fortbestand gesichert haben, würde es am härtesten treffen, sollte sich die Koalition nicht einigen. Denn müssten sie die Beihilfen doch noch zurückzahlen, könnte es gerade für diese Betriebe existenzbedrohend werden. Laut Waitz würden dann noch dazu Zinsen von einem Prozent über dem Basiszinssatz fällig, „das ist rechtlich zwingend“.
Schwierige Spätanträge
Aber auch etliche jener Unternehmen, die unter die Spätantragsrichtlinie fallen und bis 1. April Umwidmungsoder Ergänzungsanträge einbringen können, stehen vor ungeahnten Herausforderungen. Konkret geht es dabei um den Verlustersatz III und den Ausfallsbonus III. Anträge, die nach dem 30. Juni 2022 bei der Cofag einlangten, sieht die EU-Kommission als verspätet an, trotz Einhaltung der innerstaatlichen Antragsfrist.
Hier gibt es nun die Möglichkeit zur Umwidmung in einen „Schadensausgleich“. Dafür müssen die Unternehmen jedoch nachweisen, „dass sie von Lockdown-Maßnahmen betroffen waren“, also von Einstellungen des Geschäftsbetriebs, sagt Michaela Petritz-Klar, Partnerin bei Taylor Wessing in Wien. Wer also den Antrag nicht am 30. Juni, sondern z. B. am 1. Juli gestellt hat, muss neue Kriterien erfüllen, von denen in den ursprünglichen Richtlinien keine Rede war. „Viele werden diesen Nachweis nicht erbringen können“, sagt Petritz-Klar. Auch deren Vertrauen in frühere Zusagen der Politik könnte also noch erschüttert werden. Das Resümee der Anwältin: „Es gibt auch da mehr Fragen als Antworten.“