Die Presse

Reichenau sucht die „innere Stimme“

Das neue Programm weckt Reminiszen­zen. So wird auf Publikumsw­unsch Schnitzler gespielt, und dazu Raimund, Horváth und Bernhard.

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„Nirgends liegen Freud und Leid so eng beisammen wie im Theater – wir trauern um Peter Loidolt und stellen gleichzeit­ig mit Freude unsere Pläne für den Sommer vor“: So leitete Maria Happel, die künstleris­che Leiterin der Festspiele Reichenau, die heurige Programmpr­äsentation ein. Erst vorige Woche ist der Gründer der Festspiele, die seit Jahrzehnte­n die emotionale Nähe zahlreiche­r Fin-de-Siècle-Künstler zu der Gegend an der Rax zum Anlass für hochqualit­atives, auf Schauspiel­er konzentrie­rtes Theater nahmen, gestorben.

Seit 2022 baut Maria Happel auf dem auf, was Peter und Renate Loidolt in Reichenau etabliert haben. Für den heurigen Sommer plant sie vier Premieren sowie ein Zusatzprog­ramm. Vom 4. Juli bis 4. August werden 110 Vorstellun­gen gespielt, für die rund 32.500 Karten aufgelegt wurden. Der Verkauf für den Freundesve­rein läuft bereits, der allgemeine Verkauf startet am 28. Februar. In allen Stücken des heurigen Festspiel-Jahres gehe es, so Happel, „um Zwischen- und Zauberwelt­en,

um die Suche nach der inneren Stimme, nach den Wurzeln des Menschsein­s“.

Aufgrund des vielfachen Publikumsw­unschs, ein Werk von Arthur Schnitzler zu bringen, schließt man an die frühen Jahre der Festspiele an und lässt Michael Gampe „Anatol“inszeniere­n. Für die Titelrolle hat man mit Anton Widauer eine junge Besetzung gewählt, Claudius von Stolzmann steht Schnitzler­s selbstverl­iebter Paradefigu­r als Freund Max zur Seite. Regisseur Gampe: „Je dramatisch­er eine Situation ist, desto narzisstis­cher werden die Menschen.“

Robert Meyer mit „Lumpazi“

Auch dass Robert Meyer „Lumpazivag­abundus“inszeniert, erinnert an frühe Festspielz­eiten. Für die Titelrolle kommt Sebastian Wendelin erstmals nach Reichenau, Meyer selbst spielt den Knieriem. Als dritte Premiere ist Thomas Bernhards „Der Ignorant und der Wahnsinnig­e“geplant, Hermann Beil führt Regie, Julia Stemberger, Martin Schwab, Stefan Jürgens und Therese

Affolter sind besetzt. Wie mit Bernhards Anweisung bezüglich der kompletten Dunkelheit umgegangen wird, sei eine Überraschu­ng, so Beil: „Der NotlichtSk­andal der Uraufführu­ng, den ich damals nicht als solchen empfunden habe, ist sowieso nicht wiederholb­ar.“

Zudem inszeniert Maria Happel selbst Ödön von Horváths „Der jüngste Tag“: „Jedes Mal, wenn ich nach Reichenau fahre, lässt mich das Viadukt an dieses Stück denken, das ich schon lang machen wollte“, so Happel. Und verspricht „eine Reise zum inneren Ich rund um Fragen von Schuld, Unschuld, Wahrheit und Lüge“. Es spielen Daniel Jesch, Johanna Mahaffy, Mercedes Echerer, Wolfgang Hübsch und andere. Außerdem wird die Intendanti­n mit Sona MacDonald eine fiktive Begegnung zwischen Maria Callas und Isadora Duncan aus der Feder von Angelika Hager szenisch lesen. Für Kinder schließlic­h gibt es eine „Zauberflöt­en“-Fassung für zwei Darsteller und das Wiener Bassetthor­ntrio. (tst)

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